Gerhard Polt (original) (raw)

Gerhard Polt, 2011

Gerhard Polt (* 7. Mai 1942 in München) ist ein deutscher Kabarettist, Autor, Fernseh- und Filmschauspieler.

Verleihung des Ehrenpreises des ZMF 2015 durch Gernot Erler (MdB)

ZMF 2015, Gerhard Polt liest Peter und der Wolf begleitet von der Russischen Kammerphilharmonie St. Petersburg

Gerhard Polt wurde am 7. Mai 1942 in München geboren. Schon wenige Monate nach Gerhard Polts Geburt zog seine Mutter mit ihrem Sohn während des Zweiten Weltkriegs in den katholischen Wallfahrtsort Altötting, um der zunehmenden Gefahr durch Bombenangriffe in München zu entgehen.

Sein Vater Richard, Rechtsanwalt und während des Kriegs Major, verbrachte einen Teil der Kriegsjahre in Wien.[1] Nach der Rückkehr des Vaters aus der Kriegsgefangenschaft nach München bezog die Familie 1951 wieder ein gemeinsames Zuhause in der Stadt. 1957 erfolgte erneut ein Umzug Polts mit seiner Mutter innerhalb Münchens in die Amalienstraße in der Maxvorstadt.[2] Dieser Straße widmete er Jahre später sein erstes Hörspiel Als wenn man ein Dachs wär’ in seinem Bau.[3]

Auf das Abitur folgten das Studium der Politikwissenschaft an der Hochschule für Politik München und Geschichte an der Universität München, anschließend das Studium der Skandinavistik und des Altgermanischen von 1962 bis 1968 in Göteborg. Polt spricht fließend Schwedisch und trat mit einem schwedischsprachigen Bühnenprogramm[4] u. a. vor König Carl XVI. Gustaf auf.[5]

Nach seiner Rückkehr nach München arbeitete Polt als Übersetzer, Lehrer und Dolmetscher. Heute lebt Polt in Neuhaus (Gemeinde Schliersee). Er ist seit 1971 verheiratet und hat einen Sohn.

Polt begann seine Karriere mit einer Hörspielproduktion des Hessischen Rundfunks, Als wenn man ein Dachs wär’ in seinem Bau. Darin spielte er die Rollen von mehr als 30 verschiedenen Personen, die durch Maßnahmen der Stadtsanierung aus ihrer angestammten Umgebung, der Münchner Amalienstraße, vertrieben werden. Seinen ersten Bühnenauftritt hatte Polt 1975 mit dem kabarettistischen Programm der Kleinen Nachtrevue in der Münchner Kleinen Freiheit. Es folgten große Publikumserfolge an den Münchner Kammerspielen (u. a. Diridari und Tschurangrati), die er mit dem Regisseur Hanns Christian Müller realisierte und in denen u. a. auch Dieter Hildebrandt, Otto Grünmandl und Gisela Schneeberger mitwirkten.

Einem größeren Publikum wurde Polt durch seine zwölfteilige Sketchreihe Fast wia im richtigen Leben bekannt. Seine Partnerin in diesen vom Bayerischen Rundfunk produzierten und 1979 erstmals ausgestrahlten Sendungen war Gisela Schneeberger. Es folgten (ebenfalls in Zusammenarbeit mit Hanns Christian Müller) Kinofilme wie Kehraus, Man spricht deutsh und Germanikus.

1979 wurde ein Manuskript Polts für die Sendung Einwürfe aus der Kulisse von Redakteuren des ZDF um einige kritische Stellen über Friedrich Zimmermann („Old Schwurhand“) gekürzt.[6] Polt revanchierte sich ein Jahr später bei der Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises, die vom ZDF übertragen wurde. Da ihm erneut verboten worden war, Zimmermann zu erwähnen, hielt er in der ihm als Preisträger eingeräumten Zeit keine Ansprache. Stattdessen schlug er, unterbrochen von kurzen Pausen, scheinbar die Minuten tot, indem er z. B. darüber sprach, dass er nichts sagen würde („I sag ja nix, gell?“ – „also, aus mir ist nix herauszubringen... i bin ja net bled“), und deutete an, dass er sonst in einen Rechtsstreit mit einer „Rechtsabteilung“ kommen könne, den er sich finanziell nicht leisten könne; mit Hinweis auf eine auf der Bühne laufende Sanduhr wies er zudem immer wieder auf das Vergehen seiner angeblich zehnminütigen Rede- bzw. Bühnenzeit hin und empfahl u. a. dem Fernsehpublikum, auf die Zeit zu achten, falls nämlich nur ein Ausschnitt – z. B. nur acht Minuten – seiner Bühnenzeit gesendet würde und damit ja ein (herausgeschnittener) Teil fehlen würde; tatsächlich ging Polt nach etwa acht Minuten von der Bühne.[7] Ebenfalls 1980 trat er als Gast in der ersten Folge des Scheibenwischers auf und nahm dort erneut Bezug auf die Auseinandersetzung mit dem ZDF. Er sprach über Satire im Fernsehen und zitierte den Programmdirektor mit der Aussage, „die Satire soll die Wirklichkeit nicht überzogen widerspiegeln“.[8]

Im Jahr 1983 reiste Polt per Zug nach Moskau und schenkte auf dem Roten Platz Freibier aus.[9][10]

In seinen Rollen spielt Polt oft den engstirnigen und wenig reflektierenden Bürger, der mit großer Selbstverständlichkeit seine Meinung kundtut. Dabei bedient er sich auch gern bestimmter Klischees: die Intoleranz der Deutschen („Toleranz ist kein deutscher Begriff“), die deutsche Fremdenfeindlichkeit („der Asiate schmutzt nicht“). Aber auch Intellektuelle, Neureiche, Beamte oder Politiker werden von ihm pointiert dargestellt.[11]

Viele seiner Bühnenauftritte absolvierte Polt zusammen mit der Biermösl Blosn.

1990 wirkte er zusammen mit der Biermösl Blosn an dem Toten-Hosen-Album Auf dem Kreuzzug ins Glück mit. Am Ende des Jahres 2005 tourte er mit den Toten Hosen und der Biermösl Blosn durch verschiedene Theater und Opernhäuser und spielte unter der Regie von Hanns Christian Müller das Programm _Abvent._Anlässlich seines 70. Geburtstages zeigte das Literaturhaus München vom 2. März bis 15. Juli 2012 eine Ausstellung mit dem Titel Braucht’s des?! – Gerhard Polt zum 70sten (Kuratorin: Sandra Wiest).[12]

Seit 2016 engagiert sich Polt in München für die Gründung eines „Haus des Humors“ in einem denkmalgeschützten Gebäude auf dem Gelände des ehemaligen Viehhofs.[13]

Er ist einer der 28 Erstunterzeichner des in der Zeitschrift Emma veröffentlichten Offenen Briefs an Bundeskanzler Scholz vom 29. April 2022, der sich gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine aus Sorge vor einem Dritten Weltkrieg im Kontext des Russischen Überfalls auf die Ukraine 2022 ausspricht.[14]

2010 Vergabe des Großen Karl-Valentin-Preises an Fredl Fesl

Ausstellung Braucht’s des?!, 2012 im Literaturhaus München

Gerhard Polt erhält den Kulturellen Ehrenpreis der Landeshauptstadt München, 2019

Chart­plat­zie­rungenErklärung der Daten
Alben[25]
Und, wer zahlt’s? DE9406.11.2000(2 Wo.) Abfent, Abfent …! DE9124.12.2001(2 Wo.) Eine menschliche Sau DE10029.12.2006(1 Wo.) 40 Jahre (mit den Well-Brüdern) DE1002.10.2020(2 Wo.) AT4209.10.2020(1 Wo.)

Sortiert nach Produktionsjahr bzw. Erstveröffentlichung.

  1. Gerd Holzheimer: Polt. Langen-Müller, München 2012, ISBN 978-3-7844-3287-8, S. 21, books.google.de
  2. Gerd Holzheimer: Polt. Langen-Müller, München 2012, ISBN 978-3-7844-3287-8, S. 42 f.
  3. Marie Schmidt: Da ist er ja! In: Die Zeit. 3. Mai 2012, abgerufen am 13. September 2024.
  4. Gerda Wurzenberger: Polt auf Schwedisch. In: Neue Zürcher Zeitung. 28. April 2002, abgerufen am 13. September 2024.
  5. Thomas Brandstetter: 70. Geburtstag: Wenn es Großmeister Gerhard Polt menscheln lässt. In: Main-Post. 9. Mai 2012, archiviert vom Original am 9. Mai 2012; abgerufen am 6. Mai 2022.
  6. Mit Scheren gepflastert. In: Der Spiegel. Nr. 18, 1980, S. 255, 257 (online). Zitat: „Über CSU-Zimmermann darf nicht gelacht werden: Das ZDF strich in der Kabarettsendung ‚Einwürfe aus der Kulisse‘ Anspielungen auf ‚Old Schwurhand‘.“
  7. MBjosch: Gerhard Polt - Verleihung des Kleinkunstpreises 1980 auf YouTube, 7. Dezember 2010, abgerufen am 13. September 2024.
  8. Elke Reinhard: Warum heißt Kabarett heute Comedy? Lit Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-8258-9231-X, S. 99 (zugleich Dissertation, Universität Mannheim 2005; Google Books).
  9. Arno Luik & Norbert Thomma: "Ich reise im Kopf". (PDF) In: Der Spiegel. Februar 1997, archiviert vom Original am 15. Dezember 2023; abgerufen am 13. September 2024.
  10. Klaus Rimpel: Gerhard Polts Putin-Strategie: Freibier! In: Münchner Merkur. 21. November 2016, abgerufen am 15. Dezember 2023.
  11. Alois Feusi: Heimisch im Burgtheater und im Bierzelt. In: Neue Zürcher Zeitung. 4. Dezember 2015, abgerufen am 14. Oktober 2018.
  12. Braucht’s des?! In: Literaturhaus München. 2012, abgerufen am 6. Mai 2022.
  13. Sascha Karowski: Gerhard Polt: Viehhofbank soll zum Haus des Humors werden. In: tz.de. 2. Juli 2019, abgerufen am 13. September 2024.
  14. Offener Brief an Kanzler Olaf Scholz. In: emma.de vom 29. April 2022. Abgerufen am 30. April 2022.
  15. Oltner Kabarett-Tage: Bisherige Preisträger (Memento vom 24. März 2014 im Internet Archive) Abgerufen am 25. August 2014.
  16. Träger des Jean-Paul-Preises (Memento vom 27. Juni 2015 im Internet Archive) Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst
  17. Luca Geisseler: Fulminantes Finale. In: Südostschweiz. 17. Dezember 2012, abgerufen am 13. September 2024.
  18. Der „Salzburger Stier 2019“ geht an Lisa Eckhart. OTS-Meldung vom 17. Oktober 2018, abgerufen am 18. Oktober 2018.
  19. muenchen.de: Kultureller Ehrenpreis der Stadt München 2019 an Gerhard Polt. Abgerufen am 6. Mai 2022.
  20. Gerhard Polt erhält badischen Weinpreis. In: Die Welt. 6. Juli 2020, abgerufen am 13. September 2024.
  21. muenchen.de: Bayerischer Verdienstorden für Gerhard Polt: OB Reiter gratuliert. Abgerufen am 6. Mai 2022.
  22. Gerhard Polt mit "Bairischer Sprachwurzel" geehrt. In: idowa.de. 29. April 2023, abgerufen am 6. November 2023.
  23. UmweltMedienpreis: Die Preisträger 2022. Deutsche Umwelthilfe e. V., abgerufen am 6. November 2023.
  24. Ordensverleihung zum Tag der Deutschen Einheit. In: bundespraesident.de. Abgerufen am 21. September 2024.
  25. Chartquellen: Deutschland Österreich
  26. Tschurangrati bei IMDb
  27. Ernst Eisenbichler & Johannes Roßteuscher: Der vitale Resignierer wird 70. In: Bayerischer Rundfunk. 7. Mai 2012, archiviert vom Original am 7. Mai 2012; abgerufen am 13. September 2024.
  28. Thomas Thieringer: Eindeutiges Ja zum Nein. In: Süddeutsche Zeitung. 17. Mai 2010, abgerufen am 13. September 2024.
  29. Karl Forster: Frau Doktor Polt. In: Süddeutsche Zeitung. 17. November 2017, abgerufen am 13. September 2024.
Personendaten
NAME Polt, Gerhard
KURZBESCHREIBUNG bayerischer Kabarettist
GEBURTSDATUM 7. Mai 1942
GEBURTSORT München