Wilhelm Joseph Behr (original) (raw)

Wilhelm Joseph Behr

Ehrengrab auf dem Hauptfriedhof Würzburg

Michael Wilhelm Joseph Behr (* 26. August 1775 in Sulzheim; † 1. August 1851 in Bamberg) war ein deutscher Staatsrechtslehrer, Publizist und frühliberaler Politiker. Er war Professor an der Universität Würzburg und Erster Bürgermeister von Würzburg (1821–1832) sowie Mitglied der (bayerischen) Kammer der Abgeordneten (1819) und der Frankfurter Nationalversammlung (1848).

Wilhelm Joseph Behr wurde 1775 als Sohn eines Justizbeamten und seiner Frau im unterfränkischen Sulzheim geboren. Nach der Gymnasialzeit studierte er ab 1790/91 Philosophie und Rechtswissenschaften an den Universitäten in Würzburg und Göttingen (u. a. bei Johann Stephan Pütter und Christian von Schlözer[1]). 1794 wurde er an der Universität Würzburg zum Dr. phil. und 1798 zum Dr. jur. promoviert; sein Mentor war Gallus Aloys Kleinschrod. 1799[1] wurde er auf Anraten Kleinschrods Extraordinarius für Lehnrecht, ab 1800[1] auch für Allgemeines Staatsrecht an der Würzburger Universität. Von 1803 bis 1821[2] war er ordinierter Professor für Öffentliches Recht[2] (Staats-, Vöker- und Naturrecht[3]), ab 1817[3] auch für deutsches Privatrecht. Von 1819 bis 1821 war er Prorektor der Universität sowie Mitglied des akademischen Senats. Nach seiner Entbindung von diesem Amt vertrat von 1825 bis 1832 Konrad Cucumus, der ansonsten römisches Recht und Criminalrecht unterrichtete,[3] das Staatsrecht, bis Behr 1832 der Staatsrechtler Anton Arnold von Linck folgte. Behr war Hofrat.

Nach dem Sturz Napoleons (1815) begeisterte er sich für nationale und liberale Ideen. In dieser Zeit wurde seine Staatslehre etwa durch den eher unbekannten Würzburger Privatdozenten Franz Berks scharf angegriffen. Als Staatsrechtler und Landtagsabgeordneter bekämpfte Behr das bayerische Edikt zur Judenemanzipation von 1813, das seit 1814 auch in Würzburg galt. Behrs Gegenspieler war der projüdisch argumentierende Jurist Sebald Brendel; ihr öffentlicher Streit gehört mit zum Hintergrund der Hep-Hep-Krawalle. 1819 wurde Behr im Untermainkreis als Vertreter der Universität Würzburg (II. Klasse) in die Kammer der Abgeordneten der Ständeversammlung des Königreichs Bayern gewählt, wo er sich von der liberal-konstitutionellen Opposition vertreten fühlte. Er war Mitglied im Ausschuss für die Dankadresse, im II. Ausschuss für die Steuern und im VI. Ausschuss zur Prüfung der Anträge der Abgeordneten. Behr sprach sich für die Vereidigung des Heeres auf die Verfassung aus, womit er den Unmut der Kammer der Reichsräte auf sich zog. Auch Maximilian II. König von Bayern war alles andere als begeistert. Infolge der Karlsbader Beschlüsse wurden seine Vorlesungen 1820/21 polizeilich beobachtet. Die Thesen eines Schülers wurden ihm zugerechnet und ihm die Erlaubnis entzogen, Vorlesungen zu halten.

Die Bevölkerung schätzte ihn für seine eher liberale Gesinnung und wählte ihn am 3. April[4] 1821 in das Amt des Ersten (rechtskundigen) Bürgermeisters von Würzburg, das er bis 1832 innehatte. Zunächst entließ ihn das Staatsministerium aus dem Universitätsdienst. Ebenso stand sein Verbleib im Landtage zur Disposition. Obwohl durch die unterfränkischen Städte 1822, 1825, 1827 und 1831 in den Landtag, dem er von 1829 bis 1831[5] auch vorsaß, gewählt, verwehrte ihm Ludwig I., König von Bayern den Zutritt. 1832 wurde er als Bürgermeister des Amtes enthoben.

Nach seiner Referententätigkeit beim Gaibacher Fest (1832), wo er zur Fortentwicklung der Verfassung[6] aufrief und von der ihn auf Schultern tragenden Bevölkerung mit dem Ruf „Der soll unser König sein“[7] geehrt wurde, und einer Denunziation wurde er wegen hoch- und staatsverräterischer Umtriebe und Majestätsbeleidigung angeklagt; er verbrachte mehrere Jahre in Untersuchungshaft (1832–1836) in Würzburg und München. 1835 begann das Strafverfahren vor dem Appellationsgericht in Landshut. 1836 wurde er in zweiter Instanz vor dem Oberappellationsgericht in München wegen Majestätsbeleidigung und versuchten Hochverrats zu Festungshaft zweiten Grades auf unbestimmte Zeit verurteilt. Außerdem musste er 1832 auf Knien Abbitte vor dem Bildnis des Königs leisten; er verlor seine Titel, Würden und Gehaltsbezüge. Er ist im Schwarzen Buch der Frankfurter Bundeszentralbehörde (Eintrag Nr. 92) festgehalten.[8]

Behr verbrachte die darauf folgenden Jahre erst auf der Veste Oberhaus, dann unter polizeilicher Aufsicht in Passau (1836–1842) und verbannt in Regensburg (1842–1846) sowie in Bamberg (ab 1846). 1847 wurde er begnadigt und am 6. März 1848 vollständig rehabilitiert. Die Entschädigung betrug 10.000 Gulden und eine Pension. Vom 18. März bis zum 21. September 1848 war er für den Wahlkreis 5 Oberfranken (Kronach) fraktionsloser Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung, den angetragenen Alterspräsidenten lehnte er aus gesundheitlichen Gründen ab. Im Parlament stimmte er mit dem rechten Centrum. Nachfolger im Parlament war Carl Mertel.

Von 1811 bis 1815 war er Mitherausgeber der Allgemeinen Staatskorrespondenz (Ableger von Der Rheinische Bund) in Frankfurt am Main/Aschaffenburg. Von 1829 bis 1832 war er Mitarbeiter des Bayerischen Volksblatts in Kronau, das 1832 verboten wurde. 1822 war er Begründer der städtischen Sparkasse in Würzburg. Außerdem war er im Vorstand der Harmonie-Gesellschaft-Würzburg. Er war befreundet mit dem in Würzburg tätigen Mediziner und sein 1828 zu deren Ehrenbürger ernannten Johann Lukas Schönlein, der wie der liberale Behr zwischen 1829 und 1833 politischer Umtriebe[9] verdächtigt wurde.

Er war bayerischer Untertan (1802–1805) und Untertan des Großherzogtums Toskana (1806–1814).[1]

Behr lehrte als Professor von 1799 bis 1821 Staatsrecht und stand für ein durch Immanuel Kant und Johann Gottlieb Fichte geprägtes idealistisches Staatsrecht. Ferner bezog er, beeinflusst von der Französischen Revolution, den Grundsatz der Gewaltenteilung (Montesquieu) mit Grundrechten in seine Überlegungen ein. Er sprach sich für die parlamentarische Teilhabe in Form von Konstitutionalismus aus; das Volk sollte der Souverän sein.

Büste von Wilhelm Joseph Behr in der Münchner Ruhmeshalle

Behr wurde Ehrenbürger von Würzburg (1819) und Volkach (1819). In der Münchner Ruhmeshalle ist Behr mit einer Büste geehrt. 1983 beschloss der Stadtrat der Stadt Würzburg einstimmig, für Persönlichkeiten, die sich in der bürgerschaftlichen Mitarbeit und für die Demokratie in Würzburg besonders eingesetzt haben, die Behr-Medaille zu schaffen. Nach Behr wurde in Würzburg die Straße, die von der Zeppelinstraße zum Frauenlandplatz führt, benannt. Auch in seinem Geburtsort Sulzheim wurde die Hauptstraße nach ihm benannt.

Von der Stadt Volkach wird der Wilhelm-Josef-Behr-Preis für hervorragende Leistungen im Leistungskurs Geschichte am Franken-Landschulheim Schloss Gaibach verliehen.

  1. a b c d Michael Stolleis: Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland. Band 2: Staatsrechtslehre und Verwaltungswissenschaft, 1800–1914. Beck, München 1992, ISBN 3-406-33061-4, S. 67.
  2. a b Andreas Röpke: Die Würzburger Juristenfakultät von 1815 bis 1914. Rechtsstudium und Rechtslehre in Würzburg zwischen Restauration und Erstem Weltkrieg (= Würzburger rechtswissenschaftliche Schriften. Bd. 27). Ergon Verlag, Würzburg 2001, ISBN 3-935556-77-2, S. 270.
  3. a b c Andreas Röpke: Die Würzburger Juristenfakultät von 1815 bis 1914. Rechtsstudium und Rechtslehre in Würzburg zwischen Restauration und Erstem Weltkrieg (= Würzburger rechtswissenschaftliche Schriften. Bd. 27). Ergon Verlag, Würzburg 2001, ISBN 3-935556-77-2, S. 281.
  4. Sybille Grübel: Zeittafel zur Geschichte der Stadt von 1814–2006. In: Ulrich Wagner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Würzburg. 4 Bände, Band I-III/2, Theiss, Stuttgart 2001–2007; III/1–2: Vom Übergang an Bayern bis zum 21. Jahrhundert. Band 2, 2007, ISBN 978-3-8062-1478-9, S. 1225–1247; hier: S. 1226.
  5. Ulrich Wagner: Würzburger Landesherren, bayerische Ministerpräsidenten, Vorsitzende des Landrates/Bezirkstagspräsidenten, Regierungspräsidenten, Bischöfe, Oberbürgermeister/Bürgermeister 1814–2006. In: Ulrich Wagner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Würzburg. 4 Bände, Band I-III/2, Theiss, Stuttgart 2001–2007; III/1–2: Vom Übergang an Bayern bis zum 21. Jahrhundert. Band 2, 2007, ISBN 978-3-8062-1478-9, S. 1221–1224.
  6. Ulrich Wagner: Bürgermeister Wilhelm Joseph Behr – Vorkämpfer der Demokratie. 2007.
  7. Max Döllner: Entwicklungsgeschichte der Stadt Neustadt an der Aisch bis 1933. Ph. C. W. Schmidt, Neustadt a. d. Aisch 1950, OCLC 42823280; Neuauflage anlässlich des Jubiläums 150 Jahre Verlag Ph. C. W. Schmidt Neustadt an der Aisch 1828–1978. Ebenda 1978, ISBN 3-87707-013-2, S. 623 f.
  8. Das Schwarze Buch digitalisiert im Bundesarchiv.
  9. Andreas Mettenleiter: Das Juliusspital in Würzburg. Band III: Medizingeschichte. Herausgegeben vom Oberpflegeamt der Stiftung Juliusspital Würzburg anlässlich der 425jährigen Wiederkehr der Grundsteinlegung. Stiftung Juliusspital Würzburg, Würzburg 2001, ISBN 3-933964-04-0, S. 243–244.
Personendaten
NAME Behr, Wilhelm Joseph
ALTERNATIVNAMEN Behr, Michael Wilhelm Joseph (vollständiger Name)
KURZBESCHREIBUNG deutscher Jurist und Politiker
GEBURTSDATUM 26. August 1775
GEBURTSORT Sulzheim
STERBEDATUM 1. August 1851
STERBEORT Bamberg