Henryk M. Broder: Eine wirklich nette Familie (original) (raw)
Der WDR, vor dessen Tür und mit dessen logistischer Unterstützung der Rentner Walter Herrmann seinem Hobby nachgeht, kann auch anders. Gleich am Erscheinungstag von Tuvia Tenenboms Buch “Allein in Deutschland” holte man einen Kritiker ins Studio, auf den man sich verlassen konnte. Erstens hatte er das Buch nicht gelesen, und zweitens sagte er genau das, was man von ihm hören wollte: Dass ihm Tenenbom mit seinem Buch “auf den Wecker” gehe.
Als ich noch versehentlich in Köln lebte, also bis 1980, bin ich diesem Kritiker ab und zu begegnet, was sich in Köln einfach nicht vermeiden lässt. Er fiel mir vor allem dadurch auf, dass er einen kackbraunen Mercedes mit Anhängerkupplung fuhr und seine betagte Mutter mit “Liebling” bzw. nach dem zweiten Kölsch mit “Liebschen” ansprach. Grrrrrr!. Er war in der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit aktiv, sehr aktiv sogar, bis eines Tages ein Nachlass von immerhin 100.000.- DM, den eine Witwe der Gesellschaft vermacht hatte, auf seinem Konto gefunden wurde. Nun ja, in Köln ist so was halb so schlimm, da jehört eh allen alles und keiner hat wat davon.
Deswegen fiel auch eine Meldung nicht weiter auf, die am 7.6.2006 im Kölner Stadt-Anzeiger erschien: “Zu Unrecht hat Sonja Güntner Ginzel, Ehefrau des früheren Vorsitzenden der Kölnischen Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, in den Jahren 1999 und 2000, Honorare auf Veranlassung ihres Mannes Günther B. Ginzel erhalten. Das erfuhren die Mitglieder der Gesellschaft bei ihrer Versammlung. In einem Zivilprozess vor dem Landgericht wurde die Frau zur Rückzahlung von 34.000.- Euro verurteilt; für die Honorare gab es laut Gericht keine vertragliche Grundlage…”
Damit hätte sich eigentlich auch Frau Ginzel als Buchkritikerin für den WDR qualifiziert. Es sei denn, sie schafft es, zur Schatzmeisterin der Kölnischen Gesellschaft für christlich-jüdische Nachlassverwaltung gewählt zu werden.