Nr. 50 (original) (raw)

Nr. 50. Zentralblatt der Bauverwaltung. 309 INHALT: H. Seiniper f. — Das Königliche Realgymnasium nebst Gymnasium in Leer. — Die Eisenbahnen Deutschlands in den Rechnungsjahren 1909 (und 1908). — Vermischtes: Prüfung. Ernennung und Anstellung der Regierungsbaumeister in Preußen. [Alle Rechte Vorbehalten.] Hermann Schaper t Die deutsche Kunst ist von einem schweren Verluste betroffen worden. Am 12. Juni ist in Hannover der Maler Professor Hermann Schaper, der Wiederhersteller des Aachener Münsters, aus dem Leben geschieden. Schon bei einer letzten Zusammenkunft mit dem Künstler in Aachen in der zweiten Maiwoche fiel es auf, daß ihm die alte Spannkraft fehlte. Das unheil bare, erst nach seinem Tode er kannte innere Leiden, dem er zum Opfer gefallen ist, hatte sein Zerstürungswerk damals bereits begonnen. Die Vollendung der vornehmsten Aufgabe seines ruhmvollen Kunstschaffens sollte ihm nicht mehr vergönnt sein. Am Donnerstag, den 15, wurde die sterbliche Ilülle des Ver ewigten der Erde übergeben nach einer ergreifenden Trauer feier in der Garnisonkirche Han novers, deren Ausmalung seine besondere Freude und Lieblings arbeit gewesen war. Hermann Schaper wurde am 13. Oktober 1853 in Hannover ge boren. Sein Vater war dort Hof- Dekorationsmaler. Von ihm er hielt der Knabe die frühesten Anregungen und die erste Unter weisung in seinem künstlerischen Berufe, in dessen Getriebe er wie selbstverständlich hineinwuchs. 1871 bis 1873 besuchte er die Technische Hochschule der Vater stadt und beschäftigte sich mit dem Studium der Kunstgeschichte und mittelalterlichen Baukunst bei C. W. Hase, der das Talent des Schülers erkannte und ihm später auch die ersten Aufträge zuwies. Zunächst jedoch zog Schaper nach München zur Kunstakademie. Er arbeitete vor nehmlich bei Löfftz und Wilhelm Dietz, nebenher auch bei Ilauber- risser. Mit Böcklin, Busch und Thoma kam er in nähere Ver bindung. — Die Notwendigkeit, das väterliche Geschäft zu über nehmen, führte ihn nach Han nover zurück. Bald jedoch erhob er sich über den engen Kreis der Tätigkeit des Vaters. Nach Ausführung einiger Kirchenausmalungen für Hase wurde ihm schon 1878 die Ausschmückung des wiederhergestellten alten Rathauses in Hannover übertragen. 1879 vollendete er den Ratsweinkeller, 1882 die Wandgemälde im Festsaale des Gebäudes. Die Ausmalung der Rathaushalle in Göttingen, des Brusttuches in Goslar, der Garnison kirche in Hannover folgten. Eine große Zahl von Arbeiten aller Art, Entwürfe und Ausführungen gingen nebenher oder fügten sich zwischen jene größeren Werke; Bildnisse, Altargemälde, Entwürfe für Glasmalereien und MosaikeD, Adressen, kunstgewerbliche Arbeiten, Wand- und Deckenmalereien in Kirchen und vornehmen Privat- häusern u. dgl. m. IlerYorgehoben seien sodaun die Ausmalung der Bern wardsgruft und in neuester Zeit auch der Schiffsräume der Michaelskirche in Hildesheim, die Arbeiten für die Gedenkhalle der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskircbc in Berlin, die Kirche in Fischbeck, das Innere der Erlöserkirche in Homburg v. d. H. — Bei vielen dieser Werke war Schaper nicht nur der Maler. Wie er seine Kunst stets in den Dienst der Architektur stellte, geschah es ganz von selbst, daß er — und zwar mit Erfolg — auch in das ihm ja ver traute Gebiet des Baukünstlers hinübergriff, zum wenigsten soweit es sich um das innere, mit der malerischen Dekoration zusammen hängende architektonische Beiwerk handelte. Mit solch umfassendem Rüstzeug ausgestattet trat er denn auch an die beiden bedeutendsten Aufgaben heran, die ihm das Leben stellte, an die Arbeiten in der Marienburg und an die Wieder herstellung des Aachener Münsters. In der Marienburg hatte Steinbrecht am Anfänge der achtziger Jahre die Bemalungsreste im Kapitelsaale gefunden. Als er unter Vorlage der Pausen und Ergänzuugsskizzen die Wiederherstellung in Berlin anregte, erklärte Spieker, damals Referent für die Marienburg im Kultusministerium, daß es nur einen gebe, der für die Arbeit in Frage kommen könne: Schaper! Durch einen Ausmalungsentwurf für die Klosterkirche Lehnin hatte sich der junge Künstler auch außerhalb seiner Heimatprovinz damals schon Anerkennung und Wertschätzung erworben. Man trat mit ihm in Verbindung. „Meine Skizzen und Herstellungs gedanken“, schreibt mir Stein brecht,*; „sali er nicht an. Auf etwas, was ein anderer, nicht er selbst ei’dacht, einzugehen war ihm zunächst unmöglich. Das duldete seine starke Individualität nicht. Dabei lag ihm jede Absicht einer Kritik völlig fern ... Er sprang über die mühsamen Be- fundzeichnungen fort und legte als Probe, zum Schrecken der Kommission, für einen Schild bogen eine bewegte Gruppe dreier Hochmeistergestalten vor. Müh sam wurde parlamentiert, um ihn auf die alte Fährte der ,mittel alterlichen Befund * Ilocbmeister- gestalten 4 zu bringen, es endete damit, daß er — sich zurückzog.“ Danu verging einige Zeit. Schaper schickte Gehülfen zu untergeord neterer Arbeit; „mit einem male fing er an zu raten, durch Senden von Skizzen zu dirigieren; — dann kamen Kartons: floch- meistergestalten, die sich mächtig dem Raume einfügten. So ver vollständigte sich endlich seine Vorstellung nach unserem Sinne, und nun schrieb er die Figuren reihe in strammer, schneller Ar beit hin. Er hatte den ärger lichen ai-chäologischen Teil der Sache überwunden, — wir hatten fernerhin nichts mehr zu wünschen und zu tadeln.“ Ich gebe diesem Wortlaute hier Raum, weil er ungemein bezeichnend ist für die künst lerische Persönlichkeit Scbapers. Eigensinn ist ihm ganz fern gewesen. Aber, ein echter Künstler, vermochte er nur zu schaffen, was aus seiner eigenen Vorstellung, seiner Überzeugung kam. — So hat der Kapitel saal der Marienburg seine prachtvolle Hochmeister-Reibe erhalten. Dazu später die Schutzherrin des Kapitels, Maria, für die Schaper ein italienisches Vorbild im Kopfe hatte, die er aber doch ganz als seine neue Schöpfung dem andersgearteten Platze passend einfügte. Neben einer Abendmahlsdarstellung im Konventsremter sind es dann namentlich die sechs Wandgemälde: Begebenheiten aus der Eroberungsgeschichte Preußens, mit denen der Verstorbene den großen Remter des Hochmeisterschlosses ausstatten sollte und zum Teil ausgestattet hat. Drei der Gemälde sind fertig. Die zweite Hälfte zu vollenden war ihm nicht vergönnt. Sie stand ihm aber so fest vor Augen, daß er nur mehr an ihren Einzelheiten im Geiste und auf dem Papiere gestaltete. War es doch überhaupt seine Gepflogenheit, den Karton nur als Studienmittel zu betrachten und — ein echter Monumentalmaler — schließlich alles von neuem auf der Wand selbst durchzuarbeiten. *) Ich entnehme diese und einige andere Stellen einer skizzen haften Niederschrift, die ich der Güte des mit dem Verstorbenen eng befreundeten Wiederherstellers der Marienburg verdanke. H, Schaper.