BENEDIKT XIV: VIX PERVENIT - �ber den Wucher (original) (raw)

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Inhalt d. Brosch�reVIX PERVENIT�


BENEDIKT XIV.

APOSTOLISCHES RUNDSCHREIBEN

�ber den Wucher und andere ungerechte Gewinne

An die ehrw�rdigen Br�der Patriarchen, Erzbisch�fe, Bisch�fe und Ordinarien Italiens!

Ehrw�rdiger Bruder! Gruss und Apostolischen Segen.

Einleitung: Gegenstand und Vorbereitung der Enzyklika

Anl��lich des neuentbrannten Streites (er dreht sich darum, ob ein gewisser Vertrag f�r rechtskr�ftig angesehen werden d�rfe) kam Uns zu Ohren, da� sich �ber Italien hin Ansichten ausbreiten, die mit der gesunden Lehre nicht in Einklang zu stehen scheinen. Damit ein derartiges �bel nicht durch l�nger dauerndes Stillschweigen noch mehr erstarke, hielten Wir es sogleich f�r Unseres Apostolischen Amtes Pflicht, ein wirksames Gegenmittel darzureichen und dem �bel die M�glichkeit zu nehmen, weiter fortzuwuchern und auch die bis dahin noch unversehrten St�dte Italiens anzustecken.

� 1. Zu diesem Zwecke nahmen Wir jenes Verfahren der Beratung auf, dessen sich der Apostolische Stuhl eh und je zu bedienen pflegte: Wir unterbreiteten die ganze Angelegenheit einigen Unserer ehrw�rdigen Br�der, Kardin�le der hl. Kirche, die sich durch theologisches Wissen und fachm�nnische Kenntnis des Kirchenrechts auszeichnen. Auch zogen Wir mehrere in der Theologie und im kanonischen Recht hervorragende Ordensleute bei, die Wir teils aus den M�nchs- und Bettelorden, teils aus dem �brigen Ordensklerus ausw�hlten. Als Pr�sidenten ernannten Wir einen Doktor beider Rechte, der im Handels- und Gerichtswesen lange Erfahrung besitzt. Den 4. Juli d. J. bestimmten Wir als den Tag, an dem sie alle vor Uns erscheinen sollten. Wir legten ihnen das Wesentliche der ganzen Angelegenheit dar und nahmen Kenntnis von dem, was sie bereits selber davon erfahren und wahrgenommen hatten.

� 2. Hierauf gaben Wir ihnen den Auftrag, die ganze Sache ohne jede Parteilichkeit und Leidenschaft sorgf�ltig zu untersuchen und ihre Gutachten schriftlich auszuarbeiten. �ber den Vertrag, der die Streitfrage veranla�t hatte, forderten wir von ihnen jedoch kein Urteil, da ihnen mehrere Dokumente, die dazu notwendig erforderlich waren, nicht zur Verf�gung standen. Sie sollten aber die sichere Lehre �ber den Zins feststellen. Denn was j�ngst unter dem Volk sich zu verbreiten begann, scheint dieser Lehre nicht unbetr�chtlichen Schaden zugef�gt zu haben. Der Befehl wurde von allen ausgef�hrt. In zwei Kongregationssitzungen, abgehalten in Unserer Gegenwart, die erste am 18. Juli, die zweite am 1. August d. J., legten sie offen und frei ihre Gutachten dar und �bergaben dann diese schriftlichen Gutachten dem Sekret�r der Kongregation.

� 3. Sodann haben sie einstimmig folgendes gutgehei�en:

1. Theoretischer Teil

Definition des Wuchers

I. Die S�nde, die usura (Zinsnehmen, Wucher) hei�t und im Darlehensvertrag ihren eigentlichen Sitz und Ursprung hat, beruht darin, da� jemand aus dem Darlehen selbst f�r sich mehr zur�ckverlangt, als der andere von ihm empfangen hat und zu diesem Zweck aufgrund des Darlehens selbst irgendeinen Gewinn �ber die Stammsumme hinaus als geschuldet beansprucht. Denn der Darlehensvertrag verlangt seiner Natur nach lediglich die R�ckgabe der Summe, die ausgeliehen wurde. Jeder Gewinn, der die geliehene Summe �bersteigt, ist deshalb unerlaubt und wucherisch.

II. Von diesem Makel aber wird man sich nicht reinwaschen k�nnen durch die Ausrede, der Gewinn sei ja nicht �berm��ig und �bertrieben, sondern bescheiden, nicht gro�, sondern gering, oder dieser Gewinn blo� um des Darlehens willen werde ja nicht von einem Armen, sondern von einem Reichen gefordert und dieser lasse die als Darlehen empfangene Summe nicht brach liegen, sondern lege sie zur Vergr��erung seines Verm�gens aufs Vorteilshafteste an, indem er Grundst�cke zusammenkaufe oder gewinnbringende Handelsgesch�fte betreibe. Die Rechtsnatur des Darlehens fordert notwendig die Gleichheit von Gabe und R�ckgabe. Wer immer, sobald diese Gleichheit einmal hergestellt ist, sich herausnimmt, von einem Darlehensnehmer auf Grund des Darlehens selber, dem durch die R�ckgabe des Gleichen doch schon Gen�ge getan ist, noch mehr zu fordern, handelt offensichtlich gegen die Rechtsnatur des Darlehens. Folglich ist er, falls er etwas dar�ber hinaus empfangen hat, zur R�ckerstattung verpflichtet kraft jener Gerechtigkeit, die man die Tauschgerechtigkeit nennt und deren Aufgabe es ist, in den menschlichen Vertr�gen die Gleichheit zwischen den Partnern gewissenhaft zu wahren und die nicht gewahrte genau wiederherzustellen.

Legitimer Gewinn aus Darlehens- und anderen Vertr�gen

III. Damit wird nun aber keineswegs verneint, da� mit dem Darlehensvertrag dann und wann andere sogenannte Titel, die der Natur des Darlehens selber nicht im geringsten angeboren oder innerlich zugeh�rig sind, etwa zusammentreffen k�nnen, aus denen dann ein durchaus legitimer und rechtm��iger Grund entsteht, �ber die aus dem Darlehensvertrag geschuldete Summe hinaus mit Recht etwas mehr zu fordern. Ebenso wird nicht bestritten, da� jeder sein Geld durch andere, ihrem Wesen nach von der Natur des Darlehensvertrags durchaus verschiedene Vertr�ge auf manche Art sittlich tadellos anlegen und verwenden kann, sei es um sich Jahreseink�nfte zu sichern, sei es auch, um ein erlaubtes Handels- und sonstiges Gesch�ft zu betreiben und daraus ehrliche Gewinne zu ziehen.

IV Wird aber bei diesen vielen vom Darlehen verschiedenen Vertragsarten die einem jeden eigent�mliche Gleichheit nicht gewahrt, so f�llt, was �ber das Gerechte hinaus genommen wird, zwar nicht unter den Begriff der usura (des Zinsnehmens, Wuchers) - denn es liegt ja kein Darlehen, weder ein offenes noch ein bem�nteltes vor -, aber doch sicher und gewi� unter den Begriff einer andern wirklichen Ungerechtigkeit, die gleicherweise die Pflicht der R�ckerstattung auferlegt. Ebenso ist unzweifelhaft gewi�, da� bei richtiger Durchf�hrung und Beurteilung nach der Waage der Gerechtigkeit die vielf�ltige Ausgestaltung dieser erlaubten Vertr�ge vollauf f�r den menschlichen Verkehr und den erfolgreichen Handel gen�gt, um das �ffentliche Wohl zu erhalten und zu f�rdern. Fern sei von den Christen der Gedanke, durch Zinsdarlehen oder �hnliche Ungerechtigkeiten bei andern Vertr�gen k�nne ein gewinnbringender Handel und Verkehr gedeihen; wir werden ja aus g�ttlichem Munde selbst belehrt: �Die Gerechtigkeit erhebt ein Volk, die S�nde aber macht die V�lker elend." (Spr 14,34)

V Man huldigte aber - das ist wohl zu beachten - einer falschen und sehr gewagten Ansicht, wenn man meinen w�rde, es f�nden sich immer und seien �berall verf�gbar beim Darlehen andere rechtm��ige Titel, oder es g�be au�erhalb des Darlehens andere gerechte Vertr�ge, und unter dem Schutz dieser Titel oder Vertr�ge sei es immer erlaubt, einen rechtm��igen Mehrwert �ber die volle und unverlorene Stammsumme hinaus zu nehmen, so oft man Geld, Getreide oder etwas anderes dieser Art einem andern kreditiert. Wenn jemand so denkt, ist er nicht nur im Widerspruch mit den g�ttlichen Lehren und der Entscheidung der Kirche �ber den Darlehenszins, sondern zweifellos auch sogar mit dem allgemeinen Menschheitsbewu�tsein und mit der nat�rlichen Vernunft. Denn wenigstens das kann keinem verborgen sein, da� der Mensch in vielen F�llen verpflichtet ist, dem andern mit einem einfachen und blo�en Darlehen beizuspringen. Lehrt doch Christus der Herr selbst: �Wer von dir borgen will, den weise nicht ab!" (Mt 5,42). �hnlich kann unter vielen Umst�nden nur ein Darlehensvertrag und kein anderer wahrer und gerechter Vertrag am Platze sein. Wer also seinem Gewissen Rechnung tragen will, mu� zuerst sorgf�ltig untersuchen, ob mit dem Darlehen wirklich ein gerechter anderer Titel oder ob ein vom Darlehen verschiedener gerechter Vertrag sich wirklich darbietet, durch die der angestrebte Gewinn von jeder Makel frei und ledig wird.

2. Praktischer Teil

Solidit�t der dargelegten Lehre und ihre Gegner

� 4. In den obigen S�tzen fa�ten die Kardin�le, Theologen und erfahrensten Gelehrten des kanonischen Rechts, deren Rat Wir in dieser �u�erst ernsten Angelegenheit einverlangt hatten, ihre Gutachten klar zusammen. Auch Wir haben es nicht unterlassen, vor und w�hrend und auch nach den abgehaltenen Kongregationen diese Streitsache selber zu studieren. Die Voten der erw�hnten hervorragenden M�nner haben Wir aufs sorgf�ltigste durchgegangen. So billigen und best�tigen Wir denn alles, was immer in den oben angef�hrten S�tzen enthalten ist. Diese Lehrs�tze scheinen ja wirklich geradezu alle theologischen Schriftsteller und Professoren des Kirchenrechts, mehrere Zeugnisse der Heiligen Schrift, die Dekrete Unserer Vorg�nger auf dem p�pstlichen Stuhl und die Autorit�t der Konzilien und Kirchenv�ter fast einm�tig gutzuhei�en. �brigens kennen Wir jene Autoren sehr gut, denen gegenteilige Ansichten zugeschrieben werden m�ssen, und ebenso jene, die solche Ansichten unterst�tzen und verteidigen oder ihnen Anla� und g�nstige Anhaltspunkte zu geben scheinen. Es ist Uns auch wohlbekannt, mit welch gro�er Klugheit und Besonnenheit Theologen die Verteidigung der Wahrheit �bernahmen, die in der Nachbarschaft jener Gegenden wohnen, wo diese Streitfragen ihren Ursprung hatten.

Ermahnung an die Tr�ger des Lehramtes

� 5. Damit nun dieser Sachverhalt Dir, Ehrw�rdiger Bruder, und allen �brigen zur Kenntnis gelange, richten Wir Unser Rundschreiben an alle Erzbisch�fe, Bisch�fe und Ordinarien Italiens. Nie soll an einer Synode, in einer Predigt oder Christenlehre etwas von obigen Thesen Abweichendes vorgetragen werden. Auch ermahnen Wir eindringlich, mit aller Sorgfalt dar�ber zu wachen, da� niemand in Euren Di�zesen durch Wort und Schrift das Gegenteil zu lehren wagt. Sollte aber einer den Gehorsam verweigern, so erkl�ren Wir ihn den Strafen verfallen, die durch die hl. Kanones �ber die Ver�chter und �bertreter der apostolischen Weisungen verh�ngt sind.

� 6. �ber den Vertrag jedoch, der diese neuen Streitfragen veranla�t hat, bestimmen Wir einstweilen nichts. Wir entscheiden jetzt auch nichts bez�glich der andern Vertr�ge, bei denen die Theologen und Ausleger der kirchlichen Gesetze in den Meinungen auseinander gehen. Jedoch m�ssen nach Unserer Meinung der Eifer und die Gewissenhaftigkeit Eures Pflichtgef�hls aufgerufen sein zur Durchf�hrung dessen, was Wir jetzt folgen lassen.

Besondere Anweisungen

� 7. Erstens: Mit nachdr�cklichen Worten zeigt Euren Gemeinden, da� die Schande und das Laster des Zinsnehmens bei einem Darlehen von den Heiligen Schriften gebrandmarkt wird und da� es sich in verschiedene Formen und Gestalten h�llt, um die durch Christi Blut zur Freiheit und Gnade zur�ckgef�hrten Gl�ubigen wieder j�hlings ins Verderben zu st�rzen. Sie sollen deshalb, wenn sie ihr Geld anlegen wollen, ja sorgf�ltig darauf achten, da� sie sich nicht von der Habsucht, der Quelle aller �bel, hinrei�en lassen, sondern vielmehr solche um Rat fragen, die durch Gelehrsamkeit und Tugend sich auszeichnen.

� 8. Zweitens: Diejenigen, die im Vertrauen auf ihre F�higkeit und ihre Einsicht keine Bedenken haben, in diesen Fragen, die doch gewi� eine nicht geringe Kenntnis der hl. Theologie und der Rechtswissenschaft erfordern, Auskunft zu erteilen, sollen sich wohl h�ten vor Extremen, die immer fehlerhaft sind. Einige n�mlich urteilen in diesen Sachen mit solcher Strenge, da� sie �berhaupt jeden aus dem Geld gewonnenen Nutzen als unerlaubt und mit Zinsnehmen verbunden hinstellen. Umgekehrt aber sind manche so nachsichtig und mild, da� sie jedweden Profit von der Sch�ndlichkeit des Wuchers freisprechen. M�ge man nicht zu sehr an der eigenen Meinung h�ngen, sondern vor der Auskunftserteilung mehrere hervorragende Schriftsteller zu Rate ziehen und dann jene Meinung annehmen, die man durch die Vernunft und Autorit�t als klar begr�ndet erkennt. Entsteht bei der Pr�fung eines Vertrags ein Disput, so soll man keinerlei Beschimpfungen gegen die Vertreter der gegenteiligen Ansicht vorbringen und nicht behaupten, diese sei mit schweren kirchlichen Strafen zu brandmarken, zumal wenn sie keineswegs der Begr�ndung und des Zeugnisses hervorragender M�nner entbehrt. Schm�hreden und Beschimpfungen zerrei�en ja das Band der christlichen Liebe und geben dem Volk schwerstes �rgernis.

� 9. Drittens: Wer sich von jeder Makel des Wuchers frei und rein halten und sein Geld so einem andern geben will, da� er nur eine rechtm��ige Frucht bezieht, ist zu ermahnen, den einzugehenden Vertrag vorher genau zu bezeichnen und die darin aufzunehmenden Bedingungen und die Frucht, die er aus dem Gelde fordert, klarzulegen. Das wird in hohem Ma�e dazu beitragen, nicht nur seelische Unruhe und Gewissensbedenken zu vermeiden, sondern auch den Vertrag selbst im Forum externum (im �u�eren Bereich bzw. in der �ffentlichkeit) billigen zu k�nnen. Das verriegelt auch Streitigkeiten die T�re, die oft entstehen m�ssen, wenn es um die Abkl�rung der Frage geht, ob das Geld, das einem andern in rechter Weise gegeben zu sein scheint, nicht doch in Wirklichkeit einen bem�ntelten Wucher in sich schlie�e.

� 10. Viertens ermahnen Wir auch, dem albernen Gerede jener Schw�tzer kein Geh�r zu schenken, die zu behaupten pflegen, der Streit um den Zins sei eine blo�e Wortklauberei; die einem andern in irgendeiner Weise �berlassene Geldsumme werfe ja meistenteils eine Frucht ab. Wie falsch und wahrheitsfremd das ist, sehen wir ohne weiteres ein, wenn wir bedenken, da� die Natur des einen Vertrages von der Natur des andern grundverschieden und ganz anders geartet ist und da� deshalb ebenso die Wirkungen dieser unter sich verschiedenen Vertr�ge erheblich voneinander abweichen. Tats�chlich besteht ein sehr deutlicher Unterschied zwischen der Frucht, die in rechtlich erlaubter Weise aus dem Gelde gezogen und darum vor dem einen Forum wie vor dem anderen behalten werden kann, und der Frucht, die unrechtm��ig aus dem Gelde erworben wird und deshalb nach dem Urteile jeden Forums zur�ckerstattet werden mu�. Es steht somit fest, da� man eine Untersuchung �ber den Zins in der heutigen Zeit nicht etwa mit dem Hinweis als unn�tz erkl�ren kann, da� man ja doch meistenteils aus dem Geld, das einem andern �berlassen wird, irgendeine Frucht erziele.

� 11. Das haben Wir in der Hauptsache f�r gut befunden, Euch bekannt zu geben, in der Hoffnung, da� Ihr die Ausf�hrung aller in diesem Schreiben von Uns gegebenen Vorschriften anordnet. Ihr werdet auch, wie Wir zuversichtlich glauben, f�r geeignete Abwehrmittel sorgen, wenn vielleicht wegen dieser neuen Streitfrage �ber den Zins in Eurer Di�zese die Massen aufgewiegelt werden oder Verf�hrer auftreten, um die Lauterkeit und Reinheit der gesunden Lehre zu tr�ben. Zum Schlusse erteilen wir Euch und der Eurer Hirtensorge anvertrauten Herde den Apostolischen Segen.

Gegeben zu Rom bei S. Maria Maggiore, am 1. November 1745, im 6. Jahr Unseres Pontifikats.

Benedikt XIV. Papst