«Ein Selbstdarsteller für die Sache» (original) (raw)

Aktualisiert9. Februar 2010, 19:24

Zoologie«Ein Selbstdarsteller für die Sache»

Seine TV-Sendung «Ein Platz für Tiere» war eine Institution. Tierforscher Bernhard Grzimek gilt aber auch als Pionier der Ökologie-Bewegung - am 24. April wäre er 100 Jahre alt geworden.

Gewiefter Taktiker, Oscar-Gewinner und Pionier der Ökologie-Bewegung - Bernhard Grzimek war mehr als der «gemütliche» Fernsehonkel der Sendung «Ein Platz für Tiere». «Guten Abend, meine lieben Freunde», pflegte Grzimek, der am 24. April 100 Jahre alt geworden wäre, seine Zuschauer in 175 Folgen zu begrüssen. An seiner Seite ein «possierliches Tierchen», ein Äffchen, ein Fischotter oder ein Gepard.

Mit seiner 1956 gestarteten TV-Sendung und dem Oscar-gekrönten Film «Serengeti darf nicht sterben» machte Grzimek Naturschutz zu einem Thema, als es in der breiten Öffentlichkeit in Deutschland noch keines war. Der «Lange» oder «Alte», wie Grzimek von den Mitarbeitern des Frankfurter Zoos genannt wurde, war «ein Showman, ein Selbstdarsteller für die Sache», berichtet der frühere Tierpfleger Fritz Stadtmüller.

Gern erinnert sich Stadtmüller an den langjährigen Zoodirektor, der zur Freude der Besucher seine zahme Gepardin morgens in dem Tiergarten spazieren zu führen pflegte. «Grzimek war ein Chef, der sich für einen interessierte, aber kein Umarmungschef», berichtet der 67-Jährige. «Heute würde man ihn wohl autoritär nennen. Es wurde gemacht, was er sagte, aber es wurde auch immer begründet».

Lieber Zoodirektor als Polizeipräsident

Der promovierte Tiermediziner aus der schlesischen Kleinstadt Neisse, der während des Nationalsozialismus im Reichsernährungsministerium arbeitete, kam 1945 nach Frankfurt. Den ihm von den Amerikanern angebotenen Posten des Polizeipräsidenten lehnte er ab. Er wollte lieber Zoodirektor werden, obwohl die Frankfurter Stadtväter die Auflösung des schwer zerstörten Tiergartens so gut wie beschlossen hatten.

Doch mit gewitztem Geschäftsinn schaffte es Grzimek, dass der Tiergarten am alten Standort im Juni 1945 wiedereröffnet wurde. Um an das dringend benötigte Geld zu kommen, liess er dort Modenschauen, einen Vergnügungspark mit Karussells und Achterbahn, Eisrevuen sowie Zirkusveranstaltungen zu. Ein Elefant wurde schon einmal weiss angemalt, um ihn - am 1. April - den staunenden Besuchern als «Sensation» aus Indien zu präsentieren.

Privatleben abgeschottet

Der Posten als Zoodirektor reichte dem Rastlosen jedoch nicht. Mit seinem Sohn Michael unternahm er Forschungsreisen in alle Erdteile. 1956 drehten sie in Afrika den Dokumentarfilm «Kein Platz für wilde Tiere».

Ende 1957 brachen sie erneut nach Afrika auf. In der Serengeti in Tansania beobachteten sie mit dem Jeep und in einem mit Zebrastreifen gemusterten Kleinflugzeug erstmalig in der Tierforschung systematisch den Zug der grossen Herden auf ihrer Suche nach Futter und Wasser. Am letzten Tag der Dreharbeiten zum Film «Serengeti darf nicht sterben» stürzte Grzimeks Sohn im Alter von 24 Jahren mit dem Flugzeug ab. Ein Geier war in den Propeller geraten.

«Grzimek hat nie über Michaels Tod gesprochen, da war eine Grenze, das war tabu», erinnert sich Stadtmüller. Sein Privatleben habe der Zoodirektor, der den Tiergarten bis 1974 leitete, streng abgeschottet. Grzimeks Ehe mit seiner ersten Frau Hildegard zerbrach an dem Tod des Sohnes, später heiratete er Michaels Witwe Erika.

Trotz der Tragödie liess Afrika Grzimek nicht los. Er überzeugte afrikanische Staatsführer, dass der Schutz des Naturerbes eine Investition in die Zukunft sei und sich auch finanziell lohne, weil Touristen wilde Tiere in freier Natur beobachten wollten. Anschliessend verkündete er in Deutschland zum Erstaunen der Reiseveranstalter, es gebe Pauschalreisen in die afrikanische Wildnis. Als immer mehr Urlauber nachfragten, zog die Branche nach.

Einschaltquoten von 70 Prozent

Bis in die 80er-Jahre war Grzimeks Sendung «Ein Platz für Tiere» eine Fernsehinstitution, mit Einschaltquoten bis zu 70 Prozent. Seine Kritik an den grausamen Tötungsmethoden kanadischer Robbenfänger löste weltweit Empörung aus. Wirkung zeigte auch, dass er mit Bildern von Käfig-Hühnern die Massentierhaltung anprangerte.

Zusammen mit etwas mehr als 20 Umweltschützern gründete Grzimek 1975 den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Gemeinsam mit dem längjährigen BUND-Vorsitzenden Hubert Weinzierl kämpfte er für den ersten deutschen Nationalpark, den Nationalpark Bayerischer Wald.

Ausserdem arbeitete er als Herausgeber der Enzyklopädie «Grzimeks Tierleben» (1967 bis 1974) und Autor zahlreicher weiterer Bücher.

Einen Monat vor seinem 78. Geburtstag, am Nachmittag des 13. März 1987, brach der Zirkus-Fan Grzimek beim Besuch einer Vorstellung des Circus Althoff tot zusammen. Seinem letzten Willen entsprechend wurde seine Urne in Tansania am Rande des Ngorongoro-Kraters in der Serengeti-Ebene beigesetzt. Dort ist auch die Grabstätte seines Sohnes Michael.