U-Bahn Wien: Die Dampfstadtbahn (1898-1914) (original) (raw)
Im Zuge der Regulierung des Donaukanals und des Wienflusses wurde eine "Commission für Verkehrsanlagen" gebildet, die die Möglichkeiten prüfen sollte, gleichzeitig ein Eisenbahnsystem zu bauen. Die Planungen erwiesen sich als schwierig, weil in den Staatskassen wenig Geld vorhanden war und das Militär öfters intervenierte, um die Planungen so abzuändern, dass das Verkehrsnetz für Truppentransporte genutzt werden konnte. Zuletzt erzwang eine Bürgerinitiative noch eine Umplanung — die Donaukanallinie musste im Tunnel statt als Hochbahn gebaut werden, wodurch die Verlängerung der Gürtellinie zur Südbahn nicht mehr finanzierbar war. Das fertige Netz war daher ein Fragment, das noch dazu eher militärischen als stadtplanerischen Nutzen hatte; die ausgeführten Strecken waren:
- Vorortelinie Hütteldorf - Heiligenstadt
- Wientallinie Hütteldorf - Hauptzollamt
- Donaukanallinie Hauptzollamt - Heiligenstadt
- Linie in den 2. Bezirk Hauptzollamt - Praterstern
- Gürtellinie Meidling Hauptstraße - Heiligenstadt
- Verbindungsbogen Nußdorfer Straße - Brigittabrücke
Die Bevölkerung nahm die Stadtbahn wegen der nicht allzu günstigen Linienführung — es gibt praktisch nur Tangentiallinien — und auch wegen des hohen Fahrpreises nicht im erwarteten Ausmaß an. Auch der Dampfbetrieb stellte sich in weiterer Folge als problematisch heraus. Zwar war zu diesem Zeitpunkt elektrische Traktion bereits möglich (siehe Budapester U-Bahn 1896), doch war die Technologie noch nicht ausgereift genug, um eine Vollbahn damit effizient zu betreiben; die Integration ins Vollbahnnetz (ähnlich einem modernen Schnellbahnnetz) war jedoch wesentlicher Bestandteil der Planungen.
Station Schottenring
Station Gumpendorfer Straße
Zumindest in einer Beziehung war die Dampfstadtbahn bemerkenswert: Die Commission hatte den renommierten Archtekten Otto Wagner als künstlerischen Beirat bestellt, und Wagner entwarf alles — Stationen (samt kompletter Inneneinrichtung), Brücken, Viadukte, sogar für die Waggons lieferte er Entwürfe ab (die jedoch nicht verwendet wurden). Obwohl in den 50er- und 60er-Jahren viele von Wagners Bauten zerstört wurden, so sind heute dennoch einige gut erhalten, besonders entlang der Linien U6 und S45. An Jahrhundertwende-Eisenbahnarchitektur Interessierte sollten beim nächsten Wienbesuch auf alle Fälle die von mir beschriebene Otto-Wagner-Tour einplanen.
Otto Wagner auf der alten 500-Schilling-Banknote
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