Schrödinger, Erwin (original) (raw)

* 12. 8. 1887, Wien

† 4. 1. 1961, Wien

Physiker und Wissenschaftstheoretiker
Nobelpreis für Physik (gemeinsam mit Paul Adrien Maurice Dirac)

Erwin Schrödinger

Erwin Schrödinger. Foto.
© Ch. Brandstätter Verlag, Wien, für AEIOU

Erwin Alexander Schrödinger wurde am 12. August 1887 in Wien-Erdberg geboren.

Das Interesse an den Naturwissenschaften wurde von beiden Seiten der Familie gepflegt. Der Vater, Besitzer einer Wachstuchfabrik, interessierte sich vor allem für Botanik, die er in seinen späteren Lebensjahren sogar wissenschaftlich betrieb. Der Großvater mütterlicherseits war ordentlicher Professor der chemischen Technologie an der k.k. Technischen Hochschule in Wien.

Erwin Schrödinger wurde zuerst von Privatlehrern unterrichtet und besuchte später das Akademische Gymnasium, wo er 1906 mit Auszeichnung maturierte. Anschließend begann er ein Physikstudium an den physikalischen Instituten der Universität Wien und besuchte Lehrveranstaltungen von Friedrich Hasenöhrl und Franz Exner.

1910 promovierte er zum Doctor philosophiae, absolvierte seinen Präsenzdienst und trat 1911 seine erste Stelle bei Prof. Exner an, wo er in den folgenden Jahren als Aushilfsassistent arbeitete.

1914 habilitierte er sich mit seinen Studien über Kinetik der Dielektrika, den Schmelzpunkt, Pyro- und Piezoelektrizität. Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges wurde Schrödinger zum Miltär einberufen und konnte sich - stationiert bei Prosecco - mit Einsteins neuen Theorien beschäftigen. Das Ende des Krieges erlebte er in Wien, wo er zusätzlich zu den Kriegswirren mit langwierigen Krankheiten und desolaten finanziellen Verhältnissen konfrontiert war.

Nach dem Krieg wurde Schrödinger 1920 Professor an der Universität Jena und heiratete Annemarie Bertel; 1921 übersiedelte die junge Familie nach Breslau, wo er Professor für theoretische Physik wurde. Aber schon im selben Jahr ging er als Professor nach Zürich.

1926 gelang es ihm - inspiriert durch die Arbeiten von Louis de Broglie - eine neue Mechanik zu schaffen: eine Mechanik, die auch die Bewegungsvorgänge innerhalb der Atome zu erklären konnte. Die Veröffentlichung erfolgte in vier aufeinanderfolgenden Mitteilungen in den Annalen der Physik unter dem Titel "Quantisierung als Eigenwertproblem".

Schrödingers Arbeiten zur Quantenmechanik machten auf die physikalische Welt gewaltigen Eindruck, Einladungen zu Gastvorträgen an die bedeutendsten Universitäten und ein Ruf an die Berliner Humboldt-Universität, wo er nach dem Abtreten Max Plancks den frei gewordenen Lehrstuhl für Theoretische Physik übernehmen sollte, folgten.

1933 wechselte er, dem die politische Entwicklung Sorge bereitete, an die Universität Oxford, wo er die zeitlich begrenzte Stelle eines Fellow am Magdalen College innehatte und Vorlesungen über Quantenmechanik hielt.

Erwin Schrödinger nach seiner Antrittsvorlesung an der Universität in Wien

Erwin Schrödinger nach seiner Antrittsvorlesung an der Universität in Wien. Photographie. 1956.
© IMAGNO/Barbara Pflaum

Ebenfalls 1933 wurde ihm, gemeinsam mit Paul Adrien Maurice Dirac, der Nobelpreis für Physik für die Entdeckung fruchtbarer Prinzipien zur Entwicklung der Atomtheorie verliehen.

Mit Beginn des Wintersemesters 1936/37 verließ er Oxford und nahm eine Stelle als Dozent der theoretischen Physik in Graz an. Doch nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Österreich wurde die persönliche Situation von Schrödinger durch eine Hausdurchsuchung und Verhöre unerträglich: mit lediglich einem Handkoffer, als Urlaubsreisende getarnt, verließen Anny und Erwin Schrödinger Österreich. Sie gelangten über Italien und die Schweiz wieder nach Oxford, um schließlich einer Einladung an die Reichsuniversität Gent zu folgen, ehe er durch Gründung eines Institutes für Höhere Studien, dessen Abteilung für theoretische Physik ganz auf Schrödinger zugeschnitten war, nach Irland geholt wurde.

In Irland entwickelte sich durch Schrödingers Wirken ein Zentrum theoretischer Physikforschung. Unter idealen Arbeitsbedingungen entstanden etwa 50 Publikationen, er suchte nach einer einheitlichen Feldtheorie, d.h. nach einer Theorie, die die Phänomene der Gravitation und des Elektromagnetismus gleichermaßen zu erklären kann. Trotz angestrengter Arbeit über Jahre blieb dem Nobelpreisträger hier der endgültige Erfolg versagt.

Auf anderem Gebiet gelang Erwin Schrödinger dafür ein unerwarteter Durchbruch. In seinem Buch "Was ist Leben?", das aus einer Reihe populärwissenschaftlicher Vorträge entstand, entwickelt er er eines der wesentlichsten Konzepte der modernen Biologie, nämlich die Idee des genetischen Codes. Diese Veröffentlichung ist mit mehr als 100.000 verkauften Exemplaren das meistverbreitete Werk Schrödingers.

1956 entschloss sich Erwin Schrödinger zur endgültigen Heimkehr nach Österreich und übernahm die speziell für ihn eingerichtete Lehrkanzel an der Universität Wien.

Am 4. Jänner 1961 starb Erwin Schrödinger an Alterstuberkulose in Wien.

Er ist - seinem Wunsch entsprechend - auf dem Friedhof Alpbach bestattet. Die Grabinschrift, die nach ihm benannte Wellengleichung, ist dieselbe, wie am Denkmalvon Ferdinand Welz im Arkadenhof der Universität Wien. Eine Büste befindet sich im Institut für Experimentalphysik in Wien 9, Strudlhofgasse 4, am ehemaligen Physikalischen Institut, Wien 9, Türkenstraße 3, ist er verewigt, am Akademischen Gymnasium, Wien 1, Beethovenplatz, und an seinem Wohnhaus in Wien 9, Pasteurg. 4, sind Gedenktafeln angebracht, im 10. Wiener Bezirk, Gußriegelstraße 42-50, sind ihm eine Wohnhausanlage und im 22. Bezirk ein Platz gewidmet.

Schrödinger war Mitbegründer der Wellenmechanik, er gelangte zu einer Differenzialgleichung 2. Ordnung, zur Wellengleichung der Materie.

Die berühmt gewordene "Schrödinger-Gleichung", von ihm und Dirac (1928) durch Anpassung an die Erkenntnisse der Relativitätstheorie korrigiert, liefert die diskreten (= unterscheidbaren) Energiestufen der Elektronen im Atomverband als Eigenwerte der Differenzialgleichung. Die von A. Einstein erkannte Doppelnatur (Teilchen und Welle) des Lichts war damit auch für die Elektronen und die gesamte Materie als gültig erwiesen. Schrödingers Erkenntnisse haben ein neues Weltbild mitbegründet, das die bis dahin gültige Physik revolutioniert und die Erkenntnis der Natur auf eine neue Grundlage gestellt hat.

Die Österreichische Akademie der Wissenschaften in Wien stiftete 1956 den E.-Schrödinger-Preis, der jährlich für hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Naturwissenschaft unter besonderer Berücksichtigung der Fächer Physik und Chemie verliehen wird.

Text aus dem Buch "Große Österreicher":#

"Es ist schwer, sich klarzumachen, dass die Lokalisierung der Persönlichkeit im Leib nur symbolisch, bloß für den praktischen Gebrauch bestimmt ist. Diese Erkenntnis hat etwas Erschreckendes an sich – bei tieferem Nachdenken aber auch etwas Tröstliches." Mit diesem Gedanken endete ein Vortrag im Juni 1956 in Wien – nicht von einem Philosophen oder Gehirnforscher gehalten, sondern von Erwin Schrödinger, dem Nobelpreisträger für Physik und Begründer der Wellenmechanik.

Der stürmische Beifall für den erst zwei Monate früher nach Österreich heimgekehrten weltberühmten Wissenschaftler täuschte ein wenig darüber hinweg, dass sich sogar das akademische Auditorium, die Experten ausgenommen, auf Anhieb mit den philosophischen Vorstellungen Schrödingers kaum leichter tat als mit der mathematischen Formulierung seiner „Wellengleichung“. Und erst recht das breitere Publikum wusste und weiß bis heute mit Erwin Schrödinger nicht viel anzufangen – abgesehen von einem gewissen Stolz auf einen „großen Sohn Österreichs“. Beides hat sich anlässlich der Herausgabe der 1000-Schilling-Note mit seinem Porträt mehr als 20 Jahre nach seinem Tod, 1983, neuerlich gezeigt.

Tatsächlich hat Schrödingers mathematischer und experimenteller Nachweis der Welleneigenschaften von Elektronen und ganzen Atomen das Weltbild der modernen Physik völlig umgeformt und das Atommodell des Niels Bohr, das jedem Schüler vertraut war, endgültig zerstört. Er hat bewiesen, dass die Elektronen nicht wie Kügelchen um den Atomkern kreisen, sondern dass diesen ein geschlossener Wellenzug umschließt. Damit ist der Widerspruch, der sich durch Einsteins Relativitätstheorie und durch Plancks Quantentheorie ergeben hatte, aufgehoben. Schrödingers Nachfolger haben dann sein System der Wellenmechanik zur Quantenmechanik erweitert.

Für die „Entdeckung fruchtbarer Prinzipien zur Atomtheorie“ hat Erwin Schrödinger 1933 den Nobelpreis für Physik erhalten, mit dem vor allem die „Schrödinger-Gleichung“ gewürdigt wurde: Als Wellengleichung der Materie beschreibt sie die unterscheidbaren Energiestufen der Elektronen im Atomverband als Eigenwerte einer Differentialgleichung zweiter Ordnung. Die Gleichung wurde von Schrödinger und Dirac 1928 durch Anpassung an die Erkenntnisse der Relativitätstheorie korrigiert; damit war die von Einstein erkannte Doppelnatur des Lichts – Teilchen und Welle – auch für die Elektronen und die gesamte Materie als gültig beschrieben.

War 1933 das Jahr des größten äußeren Erfolgs von Schrödinger, so zeichnete sich doch schon ein Tiefpunkt seiner Karriere ab. Nach Hitlers Machtergreifung verließ er 1935 die Universität Berlin, wo er seit 1927 als Nachfolger Max Plancks gewirkt und in den weltberühmten „Kolloquien“ den Gedankenaustausch mit Einstein, Laue, Otto Hahn und Lise Meitner gepflogen hatte.

Die Basis für sein Forschen hatte der Sohn eines Wachstuchhändlers aus Erdberg (geboren am 12. August 1887) als Schüler Hasenöhrls und Exners an der Wiener Universität erworben, wo er sich 1914 habilitiert hatte. Seine Eltern hatten beide eine enge Beziehung zu den Naturwissenschaften. Der Vater, Rudolf Schrödinger, hatte Chemie studiert und veröffentlichte später auch einige Arbeiten zur Biologie; die Mutter war die Enkelin von A. Bauer, Professor für Chemie an der Wiener Technischen Hochschule.

Jena, Stuttgart, Breslau, Zürich waren Schrödingers Stationen auf dem Weg nach Berlin, danach Oxford die erste im englischen Sprachraum. Das Heimweh ließ ihn einen Ruf nach Graz annehmen; zwei Jahre später gab es Österreich nicht mehr und Schrödinger war wieder Emigrant.

In Dublin fand er nicht nur eine neue Forschungs- und Wirkungsstätte, sondern auch bald Freunde, unter ihnen Ministerpräsident de Valera. Die dankbare Verbundenheit mit Irland hielt ihn davon ab, sofort nach Kriegsende nach Österreich heimzukehren: Er wartete ab, bis er das in Irland geltende Pensionsalter erreicht hatte. Inzwischen hatte in Wien Unterrichtsminister Drimmel eine Lehrkanzel ad personam für ihn geschaffen.

Allem Zeremoniell abhold, kamen die Schrödingers – der Physiker war seit 1920 mit einer Salzburgerin verheiratet – im April 1956 nach Wien, ohne das genaue Ankunftsdatum bekannt gegeben zu haben. Eine ganze Weile lebten sie in einer kleinen Pension gegenüber dem Physikalischen Institut, weil sich keine Wohnung finden ließ.

Wer Erwin Schrödinger damals besuchte, konnte sich mit eigenen Augen davon überzeugen, dass die Fama nicht log, die berichtete, auf seinem Nachttisch läge die Ilias im Originaltext. Tatsächlich hat Schrödinger Homer ins Englische und provençalische Poesie ins Deutsche übertragen, sich auch mit spanischer Literatur auseinandergesetzt – und selbst bemerkenswerte Gedichte geschrieben, ausdrucksstark in der gebändigten lyrischen Form.

„Einführung in die Wellenmechanik“ hieß seine erste Vorlesungsreihe in Wien – die Antrittsvorlesung wurde zur öffentlichen Huldigung für den Heimgekehrten, der freilich schon seit Jahren jeden Sommer nach Alpbach gekommen war. Er liebte das Bergdorf, nicht nur zur Zeit der Hochschulwochen, verbrachte in seinen letzten Lebensjahren viele Monate dort und hat dann auch in seinem Testament den Wunsch festgehalten, dort begraben zu werden. Als er, seit längerem leidend, am 4. Januar 1961 in Wien starb, wurde seine Leiche nach Alpbach überführt und in dem malerischen, die Kirche umgebenden Friedhof beigesetzt, im ersten und einzigen Grab des kleinen Tiroler Gottesackers, das kein Kreuz trägt, inmitten vieler, die ihn kaum verstanden, aber nicht nur bewundert, sondern auch gern gehabt haben.

Er hatte etwas Eindrucksvolles und auch Gewinnendes an sich, der zierliche, klein gewachsene Mann mit den runden Brillen vor stahlblauen Augen. Er wusste, dass Physiker unseres Jahrhunderts ihre großen wissenschaftlichen Leistungen in jungen Jahren erbringen, und war nicht enttäuscht, dass seinen späteren Forschungen zur Feldtheorie kaum Erfolg beschieden war. Vielleicht waren indes auch seine Interessen noch mehr als früher über das rein Fachliche hinausgewachsen. Seine Publikationen ab 1950 gelten übergreifenden Themen: „Space-Time Structure«, „What is Life?“, „Nature and the Greeks“, „Naturwissenschaft und Humanismus“, schließlich „Meine Weltansicht“, erst einige Monate vor seinem Tod vollendet, und auch ein Gedichtband.

Seinen literarischen und philosophischen Nachlass hat Schrödinger dem Dichter Freund Franz Theodor Csokor anvertraut. Während die Nachrufe der wissenschaftlichen Welt noch einmal den Forscher rühmten, der Einsteins Denken fortgesetzt und die moderne Physik grundlegend gewandelt hat, sagte Csokor an seiner Bahre, an eine frühe Arbeit Schrödingers über das Denken der Vorsokratiker erinnernd: „Von der Weisheit jenes sechsten vorchristlichen Jahrhunderts lebte auch etwas in ihm, von jenem Weltreich einer tätigen Weisheit, das von der Magna Graecia Siziliens bis China reichte ... ‚Die Welt kann verstanden werden‘, hieß die Grundthese dieser Epoche.“ Erwin Schrödinger war einer, der auf vielen Ebenen nach diesem Verstehen strebte.

Erwin Schrödinger. Sondermarke

Sondermarke zum 100. Geburtstag. 1987
© Österreichische Post

Auszeichnungen, Ehrungen (Auswahl)#

Schrödinger in eigenen Worten:

„Wenn es doch bei dieser verdammten Quantenspringerei bleiben soll, so bedaure ich, mich mit der Quantentheorie überhaupt beschäftigt zu haben.“ (1926; zitiert in W. Heisenberg: Die Entwicklung der Deutung der Quantentheorie, Physikalische Blätter 12, S. 289-304 (1956)

1000-Schilling-Schein, ab 1983

1000-Schilling-Schein, ab 1983
© Österr. Nationalbank

_„Bewusstsein gibt es seiner Natur nach nur in der Einzahl. Ich möchte sagen: die Gesamtzahl aller ‚Bewusstheiten‘ ist immer bloß ‚eins‘.“_Geist und Materie, Wien, Zsolnay 1986, 4. Kap., S. 90

„Der Grund dafür, daß unser fühlendes wahrnehmendes und denkendes Ich in unserem naturwissenschaftlichen Weltbild nirgends auftritt, kann leicht in fünf Worten ausgedrückt werden: Es ist selbst dieses Weltbild. Es ist mit dem Ganzen identisch und kann deshalb nicht als ein Teil darin enthalten sein.“ Geist und Materie, Wien, Zsolnay 1986, 4. Kap., S. 77

„Ein rein verstandesmäßiges Weltbild ganz ohne Mystik ist ein Unding.“ Brief aus Alpbach, 17. September 1960, zitiert in: Mein Leben, meine Weltansicht. Zürich, Diogenes 1989

„Ich – ich im weitesten Sinne des Wortes, d.h. jedes bewusst denkende geistige Wesen, das sich als ‚Ich‘ bezeichnet oder empfunden hat – ist die Person, sofern es überhaupt eine gibt, welche die ‚Bewegung der Atome‘ in Übereinstimmung mit den Naturgesetzen leitet.“ Epilog im Buch: Was ist Leben? Die lebende Zelle mit den Augen des Physikers betrachtet / Erwin Schrödinger; Einführung von Ernst Peter Fischer. München, Piper 1987

„‚Ich finde Gott nicht vor in Raum und Zeit‘, so sagt der ehrliche naturwissenschaftliche Denker und wird dafür von denen gescholten, in deren Katechismus doch steht: Gott ist Geist.“ Was ist ein Naturgesetz? Beiträge zum naturwissenschaftlichen Weltbild, München, Oldenburg 1997

Werke (Auswahl):#

Literatur#

Weiterführendes#

Tonaufnahme #

Hörprobe Österreichische Mediathek


Was ist Materie? Ausschnitt
Vorschau. Genf, 9.12.1952

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Quellen#

Redaktion: J. Sallachner, I. Schinnerl