Neues Album „Living Things“ - „Das Business liebt es, dich zu zerstören“ | Unterhaltung (original) (raw)

Mike Shinoda zum neuen Album „Living Things“: Linkin Park: „Das Business liebt es, dich zu zerstören“

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12 Jahre Linkin Park | „Meine roten Haare von früher gehen gar nicht“

Quelle: BILD.de22.06.2012

22.06.2012 - 16:15 Uhr

Am Anfang stand eine Idee: Noch bevor „Hybrid Theory“ zum Titel des ersten Albums von Linkin Park wurde, war es der erste Name der Band aus Kalifornien. Mit ihm verbanden die Musiker um Bandleader Mike Shinoda und Sänger Chester Bennington eine Art philosophischen Leitgedanken. „Die Theorie des Hybriden“, das Verschmelzen bekannter Ideen, Neues aus Altem, die Grenzen des Pop erweitern, mit den Mitteln, die er bietet.

Es war der Beginn einer Reise, die nun mit dem neuen Album „Living Things“ (22. Juni) ein weiteres Mal Station macht. BILD.de sprach mit dem musikalischen Kopf von Linkin Park, Mike Shinoda (35), über das neue Album, arrogante Bands und warum er früher rote Haare trug.

Bereits am 16. April 2012 veröffentliche die Band mit „Burn It Down“ die erste Single des neuen Albums. Das erste musikalische Lebenszeichen seit dem Vorgänger-Album „A Thousand Suns“ (2010) wirkt düster, aggressiv, zerstörerisch. Mike Shinoda lässt viel Raum für Interpretation: „Es gibt mehrere Metaphern in diesem Song.“ Einmal gehe es um Beziehungen, die zum Scheitern verurteilt sind. „Sich trennen, wieder zusammenraufen, wieder trennen. Es ist schrecklich.“

Zielgruppengerecht: Lyrik für Teenager. Aber eben auch noch mehr. Shinoda selbst versteht „Burn It Down“ auch als Kritik am Musikgeschäft und verarbeitet darin eigene Erfahrungen. „Es geht um diese Leute, die dir sagen, du bist das nächste große Ding.“ Bis sie einen wieder fallenlassen. „Plötzlich bist du die schrecklichste Band der Welt. Diese Leute, das Business, sie lieben es, dich aufzubauen, nur um dich dann wieder zu zerstören.“

Ein Schicksal, dem die Band dank ihrer Hartnäckigkeit entgangen ist, obwohl Shinoda und seine Bandkollegen schon in frühen Jahren mit Widerstand zu kämpfen hatten. Wurden sie zu Anfang ihrer Karriere, in den späten 90er Jahren, wegen ihres naiven Stilmix aus Pop, Metal und Rap verlacht, bekamen sie mit steigendem Erfolg schnell den Frust vieler Neider zu spüren.

„Als Vorband wurden wir oft sehr mies behandelt“, sagt Shinoda. „Viele der Headliner kamen nicht mit unserem Erfolg zurecht. Wie konnten die Fans für die Vorband lauter jubeln, als für sie selbst? Also kürzten sie unsere Spielzeit, drehten die Lautstärke runter. Doch funktioniert hat es nicht.“ Die Anhängerschaft wuchs rasant und bescherte der jungen Band bald einen Rekord, der bis heute nicht eingestellt wurde: Das erste Album „Hybrid Theory“ ist mit 24 Millionen verkauften Exemplaren das bestverkaufte Debütalbum einer Band im 21. Jahrhundert.

Auch heute noch, nach zwölf Jahren im Geschäft, sprechen die Fakten für sich: Vier Alben, mehr als 50 Millionen verkaufte Exemplare, regelmäßige Engagements als Headliner auf den größten Festivals – so auch zuletzt bei „Rock am Ring“ und „Rock im Park“. Und eine der aufopferungsvollsten Fangemeinden im Popgeschäft.

Mit dem fünften Album „Living Things“ – abermals produziert von Shinoda und Legende Rick Rubin – schließt sich nun ein Kreis für Linkin Park. Immer noch verstehen sie das Motto „Hybrid Theory“ als Arbeitsgrundlage. „Der Gedanke hinter dem Namen passt heute noch. Vielleicht sogar noch mehr als früher", sagt Shinoda. Die Band sei heute vielseitiger – der Grund ist offensichtlich: „Wir sind älter geworden und haben mehr Erfahrung“, sagt Shinoda. Aber immer noch strecken sie ihre Fühler in alle Richtungen aus, saugen verschiedenste Einflüsse auf und verbinden sie zu ihrer eigenen Neu-Interpretation des Pop.

Das aktuelle Ergebnis „Living Things“ orientiert sich einerseits merklich an bewährter Linkin-Park-Ästhetik: breite Synthesizer-Flächen, metaleske Gitarren und treibende Rhythmen – über allem thront der drückende Gesang von Frontmann Chester Bennington. Auf der anderen Seite haben Linkin Park auf „Living Things“ noch mehr in der elektronischen Schublade gewühlt als bei den Vorgängern – Songs wie „Lost In The Echo“ oder „Lies Greed Misery“ erinnern mit ihren schleppenden Beats und scharfen Elektrosounds an den aktuell so erfolgreichen Dubstep. „In der elektronischen Musik entstehen interessante Ideen“, sagt Mike Shinoda und nennt Bands wie Health, Crystal Castles oder Sleigh Bells als wichtige Einflüsse.

Eine wirkliche Neuerfindung ist der Band aber nicht gelungen. Vielmehr ist „Living Things“ eine weitere Verkörperung des „Hybrid Theory“-Leitgedankens. Linkin Park zitiert den Pop, vor allem aber sich selbst. Ein Konzentrat der letzten zwölf Jahre Bandgeschichte, angereichert mit einigen frischen Ideen. Altbewährtes wurde weiterentwickelt, Überholtes verworfen.

Eine Arbeitsweise, bei der sich die Band auch immer einer Art Selbstreinigungsprozess unterzieht. So auch dieses Mal, als sich Linkin Park unter anderem mit den vermeintlich peinlichen Episoden der eigenen Vergangenheit auseinandergesetzt haben – so zum Beispiel mit Shinodas roten Haaren. Damals, zur Zeit ihres ersten Albums, sei das eben so gewesen. „Ich war auf unseren Konzerten definitiv nicht der einzige mit gefärbten Haaren“, verteidigt sich Shinoda. Dann gibt er Entwarnung. „Heute würde ich das nicht mehr tun.“

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