Günter Netzer wird 65 (original) (raw)

Netzer (u. Mi.) feiert die erste Deutsche Meisterschaft im Mannschaftskreis (Foto: Sven Simon)

Netzer (u. Mi.) holt mit Borussia die erste MeisterschaleBild: SVEN SIMON

Ein Leben für, von und mit dem Fußball - das ist Günter Netzer. Er steht bis heute für die unbeschreibliche Leichtigkeit dieses Sports wie sonst kaum ein anderer. Der blonde Spielmacher mit den großen Füßen und der wehenden Mähne wurde schon als Aktiver zum Mythos. 1963 kam er als 19-Jähriger zu Borussia Mönchengladbach und holte mit der von Trainer Hennes Weisweiler geformten Fohlenelf zwei deutsche Meisterschaften. Schon sehr früh kristallisierte sich der Individualist als Anführer der jungen Spieler heraus. "Die Mannschaft hat mich als Sprachrohr benutzt, um irgendwelche unangenehmen Dinge dem Trainer oder dem Verein klar zu machen", erzählte Netzer später. Das habe er als eine Selbstverständlichkeit betrachtet.

Der klassische Spielmacher mit Geschäftssinn

Netzer mit seinem Trainer und väterlichen Freund Weisweiler (Foto: AP)

Netzer mit seinem Trainer und väterlichen Freund WeisweilerBild: AP

Netzer war der Mittelfeldstratege dieser Mannschaft und die zentrale Figur im Angriffsspiel. Mit der 10 auf dem Rücken waren die langen Pässe aus der Tiefe des Raumes sein Markenzeichen. Damit gab "dä Jünter", wie er in seiner Geburtsstadt Mönchengladbach genannt wurde, dem Spiel oft die entscheidenden Impulse. Schon in dieser Zeit entdeckte das Multitalent seinen ausgewiesenen Geschäftssinn. Fußballspielen allein reichte ihm nicht, daneben eröffnete Netzer eine Versicherungsagentur.

Doch auch damit gab sich der Günter nicht zufrieden, er wollte sich weiter entwickeln. Und das machte Netzer seinem damaligen Vorgesetzten, Borussia Mönchengladbachs Manager Helmut Grashoff, eindrucksvoll plausibel: "Hören Sie mal, ich verdiene viermal weniger als Beckenbauer, Maier und Müller in München, obwohl wir die gleiche Kategorie sind. Das kann ja nicht sein. Dann müssen Sie mir andere Aktivitäten gestatten." Und das tat der Manager. Netzer durfte als Herausgeber des Stadionheftes "Fohlen Echo" arbeiten und unter die Gastronomen gehen. Dann habe Weisweiler ihm zähneknirschend erlaubt, eine Diskothek zu eröffnen. "Der Trainer ist fast in Ohnmacht gefallen. Aber erstaunlicherweise begann da meine stärkste Zeit, als ich die Diskothek und die Bar hatte", scheint sich Netzer im Nachhinein selbst ein wenig zu wundern.

Der Lebemann und Rebell

Netzer mit seinem Dino Ferrari (Foto: Sven Simon)

Netzer mit seinem Dino FerrariBild: SVEN SIMON

Die unkonventionelle Frisur, die bis heute geblieben ist, die Vorliebe für schöne Frauen und schnelle Autos, am besten in schrillen Farben, waren seine persönlichen Markenzeichen. Vielleicht auch die Tatsache, dass sich der Mönchengladbacher mit seinem gelben Ferrari zu dieser Zeit in seiner Stadt fast alles erlauben konnte, veranlasste seinen Mannschaftskameraden, den späteren Bundestrainer Berti Vogts, zu dem Urteil: "Der einzige richtige Star, den es damals gab, hieß Günter Netzer. Was der sich rausgenommen hat! Da war ein Rod Steward nichts gegen!"

In der deutschen Nationalmannschaft kam er nur 37-mal zum Einsatz, da Bundestrainer Helmut Schön auf Wolfgang Overath als Spielmacher vertraute und dem Kölner meistens den Vorzug vor Netzer gab. Den Höhepunkt seiner Nationalmannschaftskarriere erlebte der Mönchengladbacher bei der Europameisterschaft 1972, als die deutsche Elf im Viertelfinale England im Wembley-Stadion mit 3:1 bezwang und sich später auch den Titel sicherte.

Der Borusse wird zum Königlichen

Netzer läuft nach Spielende eine Ehrenrunde (Foto: Sven Simon)

Netzer nimmt Abschied von Borussia MönchengladbachBild: SVEN SIMON

Nach zehn Jahren bei Borussia Mönchengladbach entschloss sich Günter Netzer, seinen Verein zu verlassen. Zuvor aber absolvierte er das Spiel für seinen Club, das ihn in den Augen der Fans unsterblich machen sollte. Im DFB-Pokalfinale gegen den 1. FC Köln am 23. Juni 1973, seiner letzten Partie für die Borussia, saß Netzer zunächst nur auf der Bank, nicht berücksichtigt von seinem Trainer und väterlichen Freund Hennes Weissweiler. Bis er es vor Beginn der Verlängerung beim Stand von 1:1 nicht mehr aushielt und sich ohne Weisweilers Aufforderung selbst einwechselte: "Ich habe ganz kurz Herrn Weisweiler informiert, dass ich jetzt spielen werde. Und dann begann die Verlängerung", erinnert sich der Protagonist an sein legeres Vorbeischlendern an der Trainerbank. Nur drei Minuten später erzielte Günter Netzer den Gladbacher Siegtreffer zum 2:1.

Im Sommer 1973 wechselte die Kultfigur vom Mönchengladbacher Bökelberg nach Spanien, zu seiner neuen sportlichen Heimat Real Madrid. Drei Jahre blieb er und holte mit dem Renommierclub zwei Meisterschaften und zwei Pokalsiege. Dann ging Netzer in die Schweiz zu Grasshopper Zürich, wo er seine Spielerkarriere ausklingen ließ.

Vom Manager zum Geschäftmann und Fußballexperten

HSV-Manager Netzer kleidet Neuzugang Jimmy Hartwig ein (Foto: dpa)

Netzer mit Jimmy Hartwig vom HSVBild: dpa

Das, was bisher in Netzers Leben nebenher lief, wurde jetzt zur Haupttätigkeit: Geschäfte machen. Als Manager des Hamburger Sportvereins ließ er den Nordclub von 1978 bis 1986 die erfolgreichsten Jahre seiner Vereinsgeschichte erleben. Der HSV wurde in dieser Zeit dreimal Deutscher Meister und holte 1983 den Europapokal der Landesmeister.

Netzer mit Ehefrau Elvira (r.) und Tochter Alana (Foto: AP)

Netzer mit seiner Frau Elvira (r.) und Tochter AlanaBild: AP

Drei Jahre später endete die Ehe zwischen Günter Netzer und dem HSV, dafür aber nahm er 1987 seine langjährige Partnerin Elvira Lang zur Frau. Bis heute ist er mit dem ehemaligen Fotomodell verheiratet, Tochter Alana wurde 1988 geboren. Der einstige Paradiesvogel aus der Provinz entwickelte sich nun endgültig zum Geschäftsmann mit weltweiten Kontakten. Sein Leben dreht sich nach wie vor um Fußball. Netzer arbeitet als Medienunternehmer. In Zürich handelt er mit Fernsehrechten und ist Executive Director der Schweizer Sportrechte-Agentur Infront Sports & Media AG.

Das Duo Delling Netzer beim Kommentieren (Foto: AP)

Das Duo Delling - Netzer bei der ArbeitBild: AP

Daneben betätigt sich Günter Netzer als Kolumnist und Fernsehkommentator und genießt als solcher in der Öffentlichkeit großes Ansehen. Für seine Arbeit bei der ARD als Fußballexperte erhielt er im Jahr 2000 zusammen mit Gerhard Delling den renommierten Grimme-Preis. Zudem wurden die beiden 2008 in Wiesbaden aufgrund ihres "hohen sprachlichen Niveaus" mit dem Medienpreis für Sprachkultur ausgezeichnet.

Autor: Calle Kops

Redaktion: Stefan Nestler