Eintracht Frankfurt - Archiv (original) (raw)
Sztanis und Eintrachts Sturz
1. FC Nürnberg — Eintracht Frankfurt 4:3 (1:2)
Es gab schon gute, schlechte und mittelmäßige Spiele zwischen dem „Club" und der Eintracht in Nürnberg, immer aber war es ein packendes Spiel. Das vom Sonntag war vielleicht das packendste. Dreimal ging die Eintracht in Führung, dreimal wurde ihr der Vorsprung unter den peitschenden „Heja"-Rufen der 20.000 Nürnberger Zuschauer wieder entrissen.
Das finsterste Vorzeichen, höchstwahrscheinlich auch das entscheidende, war der Ausfall von Sztani. Der Ungar hatte eben einen blitzenden Treffer geschossen, hatte seinen leidenschaftlichen Gegner Schweinberger im Zusammenprall Wucht gegen Wucht besiegt, hatte sich auch durch den auf die Hacken gezielten Spreizschritt Schweinbergers nicht stören lassen und den Ball — routiniert angeschnitten — in die höchsten Regionen des Tores gesetzt, und schon wieder war der Ungar auf der Reise und diesmal sah Schweinberger rot. So wie er Sztani angriff, das war kein Angriff im üblichen Sinne mehr, das war ein „Sich-Werfen" auf den Gegner, eine Explosion, die nur zum Teil hinter dem Ball saß. Der Ungar sank lautlos ins Gras, und mit ihm sanken die Siegesaussichten der Riederwälder, die noch 3:2 führten, auf den Nullpunkt. Ohne Sztani bestand der Sturm der Riederwälder nur noch aus Versprengten.
Mehr als eine Stunde lang hatte der Ungar die 20.000 Nürnberger verzaubert. Zum ersten Führungstreffer der Eintracht gab er die Vorlage, eine jener Vorlagen, die sozusagen mit einem Wisch die ganze gegnerische Deckung außer Gefecht setzt. Feigenspan sah nur noch den Tormann vor sich und bezwang ihn nach einigen Schritten mit einem exakten Paß in die Ecke. Beim dritten Führungstreffer, der Sztani den Zorn Schweinbergers einbrachte, übernahm der Ungar die Vorbereitung und Ausführung ganz allein.
Und was er zwischen den Treffern machte, war fast noch mehr. Dem aufgezogenen Istvan gelang es, aus einem Sturm, der sich in Abwesenheit von Richard Kreß und Alfred Pfaff doch als Behelfssturm erwies, zu einem Machtinstrument zu machen, das in der Club-Deckung hin und wieder lähmendes Entsetzen verbreitete. Seine Intentionen wirkten auf Feigenspan jedesmal wie eine Errettung. Sie leiteten auch Lindner, der durch überflüssige Kunststücke manches verdarb, im richtigen Zeitpunkt auf die Schnellbahn zurück, auf der die Eintracht ihre überfallartigen Vorstöße in den Nürnberger Strafraum trugen.
Nur eins gelang Sztani nicht: auch noch den linken Flügel flott zu machen. Hier schlugen die hochgehenden Kampfeswogen meist über den linken Verbinder Stinka zusammen. Stinka hat nicht eigentlich versagt, er leistete viel nützliche Kleinarbeit, aber er verkörperte nicht jenen Typ von Spielerpersönlichkeit, die die Offensivhandlungen seiner Mannschaft eine bestimmte, gewünschte Richtung hätten ziehen können. Er hatte soviel mit sich selbst zu tun, daß für die anderen nichts übrig blieb. So wurde Meiers Schußkraft nicht genutzt. Meier, der in einer hochgradigen Abhängigkeit zu seinem jeweiligen Nebenmann steht, Meier, der neben Alfred Pfaff zum Schützenkönig der Eintracht wurde, traf in diesem Spiel nur einmal das Tor und da auch nur mitten auf den Tormann.
Als auf sich selbstgestellter Linksaußen wurde er ein leichtes Opfer des jungen Verteidigertalents Loos, der mindestens über das gleiche Tempo und die gleiche Frische verfügt wie sein Gegner. Der Angriffsmotor der Eintracht lief in Tabu nur auf 3 Zylinder und entwickelte dennoch genügend PS, um den Kampf zum mindesten eine Halbzeit lang auf der Waage, ja vielleicht überlegen zu gestalten.
Als Feigenspan nach einer halben Stunde den Ball von der linken Strafraumecke in die obere rechte Torecke zog, glaubte der Block unter den Eintracht-Fahnen nicht zu Unrecht, jetzt wiederhole sich der strahlende Sieg vom letzten Jahr. Aber in dieser Phase schon fehlte es nicht an Zwischenfällen, die den Offensivgeist dämmten. Einer der Nürnberger Gegentreffer, bei denen es sich allesamt um Treffer handelte, die der Riederwälder Abwehr in der letzten Saison kaum unterlaufen wären, war bereits gefallen. Er fiel, als sich Henig bei einem Fernschuß Zengers um einen Viertelmeter verrechnete.
Die Wendung
Das Blatt wendete sich jedoch sofort, als dem Club kurz nach dem Wechsel das 2:2 gelang, an dem Horvat durch einen überflüssigen Eckball indirekt beteiligt war. Der Eckball führte zu einem Lattenschuß Schmids und einem Nachschuß von Müller, an dem es nichts mehr zu halten gab.
Zwar blieb das Spiel des „Clubs" auch jetzt noch kompliziert und umständlich, aber es wickelte sich in einem derart verwirrenden Tempo ab, daß die Riederwälder Abwehr aus den Schwulitäten nicht mehr herauskam. Um Sztani 3. Tor herum löste sich noch einmal der Druck, aber dann, als dieser nur noch humpelte, wurde dieser Druck um so heftiger.
Ein Fernschuß von Schmid erbrachte das 3:3, und ein Stellungsfehler des überhastet wirkenden Henig gab der Eintracht schließlich den Rest. Henig, der sich im Zabo in vielen Szenen wie ein Junger schlug, war bei einem Kopfball Morlocks so unglücklich postiert, daß das Leder in sanftem Bogen hinter ihm ins Netz fiel. Ludwig Dotzert (aus 'Der neue Sport' vom 06.10.1958)