Eintracht Frankfurt - Archiv (original) (raw)
Riederwald spielte gegen Bögelein
Eintracht Frankfurt — SSV Reutlingen 2:0 (0:0)
Donnerwetter haben die Reutlinger überrascht! Trainer Merkle hat aus elf biederen Fußballhandwerkern elf Feinmechaniker gemacht. Dazu ein verjüngter Sturm mit zwei Flitzern, die Hämmerle und Wodarzik heißen. Wenn man bedenkt, daß die Eltern von Wodarzik in Frankfurt-Griesheim wohnen, dann kann man den Verantwortlichen der Frankfurter Großvereine kein gutes Zeugnis ausstellen. Solches Talent läßt man sich nicht entgehen!
Der Widerstand der Reutlinger war nicht so verwunderlich, schließlich haben sie schon am Riederwald 1:0 gewonnen und aus einem 1:4 Rückstand schon ein 3:4 gemacht. Neu für die Frankfurter Zuschauer war die Art, mit der sich Reutlingen zur Wehr setzte. Da wurde wunderschön kombiniert, ja man durfte ungestraft behaupten, daß die Kombinationen der Gäste vor der Pause flüssiger liefen als die der Eintracht.
Eins kommt zum anderen: die Reutlinger kombinierten besser und schon sahen sich Schymik und Stinka in die Defensive gedrängt. Bei defensiven Außenläufern sah sich der Sturm auf sich selbst gestellt und da es bei Sztani zuerst nicht so recht klappte, gehörte das Mittelfeld den Reutlingern. Vorerst einmal! Sofort machten sich in der Eintrachtabwehr die Schwächen bemerkbar: Henig (löste sich schlecht von der Linie), Bechtold (langsamer geworden) und Horvat (muß man dasselbe sagen). Die Reutlinger Stürmer wechselten laufend ihre Positionen und die schmächtigen Hämmerle, Sattler und Wodarzik umschwärmten Horvat wie die Bremsen einen Tanzbär.
Die meisten Sorgen bereitete aber der listige Schlump. Einmal überlistete er drei Mann und Henig konnte den Schuß gerade noch über die Latte fausten. Das zweite Mal stieß Horvat ihm gerade noch den Ball vom Fuß! Das war in den Anfangsminuten und wer weiß, wie es nach einer 1:0- oder gar 2:0-Führung der Reutlinger geworden wäre.
So blieb es beim 0:0. Doch auch so mußten die Riederwälder ihrer Nervosität Herr werden. Es war aber auch wie verhext! Da erwischte Bögelein jeden Ball, da hechtete er von Pfosten zu Pfosten, da blockierten die Verteidiger mit Härte den Weg zum Tor. Selbst als Sztani zwei Minuten vor dem Pausenpfiff den Ball an Bögelein vorbeiführen konnte, sprang das Leder so unglücklich auf, daß Sztani es nicht mehr erwischen konnte. Die Nervosität wuchs, nicht nur unter den Zuschauern, zumal sich nach der Pause zuerst nichts änderte.
Da schlug es wie ein Blitz bei den Reutlingern ein! Durch einen Deckungsfehler standen Feigenspan und Weilbächer frei, Fritschi warf sich verzweifelt dazwischen, erreichte aber nur noch, daß von ihm Weilbächers Schuß in die Torecke prallte. Mit einem Schlag hatte sich die Eintracht gefangen, zweimal mußte Bögelein retten, aber die zähen Schwaben gaben nicht nach. Sattler köpfte Wodarziks Flanke neben das Tor, Wodarzik überlief Horvat und Bechtold, kam aber nicht recht um Henig herum. Und da schlug es zum zweiten Mal ein: Weilbächer spielte Lindner an, dessen Schuß prallte ab und den aufsetzenden Ball hieb Sztani an die Lattenkante, von wo er ins Tor sprang.
Das Spiel war gelaufen, die Reutlinger resignierten. Souverän beherrschte die Eintracht das Feld, und es lag nur an Bögelein, daß in diesem bis zum Schluß spannungsgeladenen Spiel nicht noch mehr Tore fielen. Ein Wort noch zu Schiedsrichter Reil: er vollbrachte eine großartige Leistung, pfiff viel und korrekt. Das viele Pfeifen war notwendig, denn auf beiden Seiten hatte man noch nicht die Erinnerung an die letzte Begegnung begraben. Als Skischus, Schießl und Falke hart dazwischenfuhren, setzte die Eintracht auf einen groben Klotz einen groben Keil. Doch da Reil nichts entging, glätteten sich die Wogen und das Spiel nahm einen fairen Verlauf. Horst Kickhefel (aus 'Der neue Sport' vom 13.10.1958)