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Unübliches Spiel der Eintracht
SV Waldhof — Eintracht Frankfurt 1:4 (0:1)
Fast genau so sicher, wie am Trikot und an den Gesichtern erkennt man die Eintracht auswärts an einer Eigenart, die sie fast allen anderen Mannschaften im Süden voraus hat: die Riederwälder sind auch dann brandgefährlich, wenn sie nicht gut im Sinne eines Schönheitsfanatikers spielen. In Waldhof kam diese Eigenart besonders deutlich zum Ausdruck. Im Mittelfeld holperte der Eintrachtwagen oft über den Rasen, als ob er auf sämtlichen vier Rädern gleichzeitig Reifenpannen hätte. Plötzlich jedoch schien sich irgendwo eine Bremse gelöst zu haben. Mehr gleitend als fahrend rutschte die Sturmspitze durch die Mittelgasse vor das gegnerische Tor, und schon stoben die Funken.
Die Eintracht wurde in Waldhof immer dann am gefährlichsten, wenn sie ganz falsch spielte, wenn Feigenspan sich partout nicht vom Ball trennte in seiner Sprinterseligkeit, obwohl links und rechts die Nebenmänner in bester Schußposition freistanden, dann wetterte er Bälle in Richtung Tor, die ihm selbst vom Waldhöfer Publikum brausenden Beifall einbrachten; wenn Richard Kreß seinem Eigensinn freien Lauf ließ, dann wackelte die schwarz-blaue Wand der erbitterten Aufsteiger am stärksten. Noch einmal: Die Riederwälder spielten in Waldhof nach herkömmlicher Auffassung oft geradezu verboten, aber spielten wenigstens immer unüblich.
Unmöglich für eine Abwehr von Format der Waldhöfer Deckung, sich auf die nächste Sekunde einzustellen. Es kam immer ganz anders als gedacht. Kreß, der mit zunehmender Zeit seinen renommierten Gegner Zeiß förmlich aushöhlte, Feigenspan, der mit und ohne Ball fast ständig auf Höchstgeschwindigkeit war und auf die simpelste Weise, allein mit dem Tempo, die höchsten Effekte erzielte, und Pfaff, der eiskalt und hitzig zugleich am Schalthebel stand, machten zu dritt mehr Furore als ganze gegnerische Völkerstämme, die jeweils mit sechs, ja sieben Mann, anrückten.
Der aus dem Augenblick geborene Mut zur Improvisation war das, was in diesem Spiel den Sieger vom Unterlegenen unterschied. Im übrigen braucht sich der Neuling durchaus nicht hinter dem Favoriten verstecken, im Gegenteil: Die Waldhöfer Massenangriffe, gekennzeichnet durch Serien von kurzen und kleinen Päßchen, nahmen sich bisweilen recht anmutig aus. Die Waldhöfer besaßen sogar in der ersten Viertelstunde mehr vom Feld und rafften sich nach dem 2:0 der Eintracht noch einmal zu einem Ansturm auf, der mit äußerster Vorsicht zu genießen war. Aber eine ernste Bedrohung für die Riederwälder entstand selbst in diesen Abschnitten nur dann, wenn sich der rechte Läufer Cornelius in der vordersten Linie einschaltete. Seine vertikalen Positionswechsel waren die einzige Möglichkeit für Waldhof, Riederwalds kompakte Abwehr für kurze Sekunden zu verwirren. Cornelius schoß dann auch beim Stand von 2:0 für die Frankfurter das Gegentor, als ein von dem Leiberwall um Horvat abgeprallter Ball akkurat vor seine Füße fiel.
Nur, was ist mit Sztani los? Gewiß, man spürte auch in Waldhof die außerordentliche Begabung, aber alles in allem wirkte er merkwürdig bedrückt, im entscheidenden Augenblick zerfahren und wie von Heimweh geplagt. Aus Chancen, die er diesmal unausgenutzt ließ, hätte er in „normalem Zustand" zwei Tore gebaut.
In Waldhof freilich fiel sein Mangel an Kondition kaum ins Gewicht. Selbst Kreß beteiligte sich am Schießen, selbst Pfaff tauchte in Vollstreckerposition auf und schoß das Führungstor in einer Art, die nur er beherrscht: zwei Spieler ins Leere geschickt und noch im Fallen auf die freie Ecke gezielt... wer macht ihm das nach? Etwas Glück war auch im Spiel, als Kreß bei einem Eckball genau den Kopf Bäumlers traf und das Leder über den Spann des nervösen Preiß zum zweiten Tor für die Eintracht ins Netz kullerte. Aber die Treffer Nummer zwei und vier waren dafür eine Augenweide: beide das Resultat kraftstrotzender Zusammenarbeit zwischen Feigenspan und Bäumler, beide gute Beispiele dafür, wie man eine Gelegenheit beim Schopfe faßt. Bei Nr. drei überraschte Feigenspan den sich sichtlich zu spät werfenden Bischof mit einem Flachschuß aus 16 m, und bei Nr. vier stand der Kasten vor Bäumler offen wie ein Scheunentor. Das Hauptverdienst an diesem kaum noch erwarteten Abschluß kam wiederum Feigenspan zu, der aus schwierigem Winkel hart bedrängt den Pfosten getroffen hatte. Ludwig Dotzert (aus 'Der neue Sport' vom 17.11.1958)