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Die Wunderkur des Mittelstürmers Kreß
BC Augsburg — Eintracht Frankfurt 1:3 (1:0)
Uff, war das ein saures Stück Arbeit, ein Stück Grobschmiedearbeit sozusagen, mit der sich die Eintracht in Augsburg ihre Punkte verschaffte! Nichts gelang spielend, jeder Vorstoß kam mehrmals ins Stocken, ehe er den gegnerischen Strafraum erreichte, mindestens drei Wände waren zu durchstoßen, bevor so etwas wie eine Chance heraussprang. Kein Riederwälder kam an seinem Gegner vorbei, ohne aus der Richtung geworfen zu werden. Und dies nicht etwa, weil die Augsburger wesentlich härter einstiegen wie es Tabellenletzte zu tun pflegen. Gewiß, es klirrte, wenn sie zum Duell antraten, aber es klirrte vor allem, weil den Riederwäldern an diesem Tage sämtliche Mittel abgingen, um sich aus unnützen Zweikämpfen herauszuhalten. Was sie gewohnt sind, mit technischer Raffinesse zu bewältigen, war im Rosenau-Stadion jeweils nur durch eine Kette von Kraftaktionen zu erreichen.
Noch härter aber als die Augsburger Spieler war der Augsburger Boden, ein tückisches Terrain, auf dem jedes Grasbüschel zu einem kleinen Stolperstein erstarrt schien, der hundert Zufälligkeiten in die Partie brachte, für hochentwickelte Techniker ein einziger großer Verdruß.
Ehe sich die Eintracht halbwegs auf die ungewohnten Schwierigkeiten eingestellt hatte, verging eine volle Halbzeit. In dieser ersten Halbzeit, entkam sie mit knapper Not einem entscheidenden Rückstand. Frech, frisch und frei tanzte der Tabellenletzte seinem renommierten Gegner auf dem Kopf herum, und wenn die echten Chancen der Augsburger trotz wachsender Ueberlegenheit im Mittelfeld auch leerliefen, so schafften sie doch, daß sich der Riederwälder Angriff nach und nach in fünf ratlose Solisten auflöste. Was an verwertbaren Bällen nach vorn kam, lief mit verhängnisvoller Konsequenz genau auf den Spieler zu, der sich am meisten vor seinem Gegner fürchtete, auf Feigenspan, der voller dunkler Erinnerungen schon durch den Schatten des borstigen BCA-Stoppers Hochstätter in Verwirrung geriet, der außerdem so oft abseits stand, daß man getrost von einer Flucht in die Abseitsfalle sprechen kann.
Kreß und Bäumler dagegen litten an der Außenlinie unter kalten Füßen. Sztani machte sich die Sache noch schwerer als nötig, weil er mit dem Ball stets einen Schritt zuviel lief oder eine Sekunde zu lange hantierte, und Pfaff fand kaum ein lohnendes Ziel für seine weiten Flugballvorlagen. Der Riederwälder Sturm schien von einer chronischen Ohnmacht geschlagen zu sein und das 1:0 für den BCA durch Biesingers eingeschossenen Elfmeter (Horvat hatte den anlaufenden Schmid mit der Schulter blockiert) schien der Anfang vom Ende. Kurz zuvor klatschte ein Volleyschuß des gleichen Biesinger an die Latte.
Schon in dieser düsteren Phase legten jedoch einige Riederwälder die Saat zum späteren Umschwung. Gemeint ist vor allem Weilbächer, der als linker Läufer auf den Tausendsasa Haller stieß. Damit ergab sich sein Auftrag von selbst. Weilbächer entledigte sich dieses Auftrags wie ein knorriger Schiffsknappe.
Fair, aber mit großer Wucht und brennendem Ehrgeiz, brach er den tragenden Pfeiler aus dem Augsburger Kombinationsgebäude heraus. Zum Schluß hatte Haller nur noch einen einzigen Grund zur Freude: daß ihn der Bundestrainer in diesem Zustand nicht zu erleben brauchte. Gemeint ist aber auch Höfer, der weit mehr als seine Pflicht tat und an allen Gefahrenpunkten aushalf, mit kühnen Ausflügen den Widerstandsgeist schürte und nebenbei noch aufpaßte, daß sein direkter Gegner Maurus nicht über die Stränge schlug. Gemeint ist des weiteren Horvat, der den Round-up-Mittelstürmer Biesinger immer an der Stelle abfaßte, wo er wirklich bedrohlich wurde. Weilbächer, Höfer und Horvat traten wie Leuchttürme aus der Finsternis hervor.
Entscheidende Umstellung
Nach dem Wechsel wendete sich das Blatt. Nun rückte die Eintracht ihrem Gegner sozusagen mit aufgekrempelten Aermeln auf den Pelz. Es schien vergeblich, der BCA kannte die ausgefahrenen Gleise, auf denen die Eintracht anrückte, zu gut. Da kam den Riederwäldern. denen die tausend kleinen Zufälligkeiten so viel verpfuschten, endlich einmal ein Zufall zu Hilfe. Feigenspan, der ohnehin vollends Konfuse, zog sich mit einer leichten Knieverletzung zurück. Kreß übernahm den Mittelstürmerposten. Dieser Wechsel wirkte wie eine Wunderkur. Kreß wurde mit einem Schlage vom Statisten zur Hauptfigur, innerhalb weniger Minuten rührte er den zähen Brei an der Augsburger Strafraumgrenze um und um innerhalb 120 Sekunden schoß die Eintracht Ausgleichs- und Führungstreffer.
An beiden Toren war der neue Angriffsführer nicht direkt beteiligt. Das erste fiel, als Bäumler einen herrenlosen Ball aus 14 Metern stilrein in den Winkel setzte, das zweite, als Sztani einen Eckball ebenso stilrein aus dem Gedränge unter die Latte köpfte. Aber Kreß hatte mit seiner Furore für die Voraussetzung gesorgt.
In diesem kaum noch erhofften Umschwung gelang Feigenspan das 3:1, als er zum guten Schluß allein durch die dünn besetzte Zone der nochmals verzweifelt anstürmenden Augsburger dem dritten Tor entgegenrannte. Ludwig Dotzert (aus 'Der neue Sport' vom 08.12.1958)