Eintracht Frankfurt - Archiv (original) (raw)
Ein Spiel schön wie ein Gedicht
Eintracht Frankfurt — VfB Stuttgart 2:2 (1:2)
Dem Eintracht-Schatzmeister hat das Jahr 1959 bisher nur Angenehmes beschert. Vor zwei Wochen hatte man gegen die Offenbacher Kickers 45.000 zahlende Zuschauer und gegen den VfB Stuttgart waren es 18.000. Mit letzterer Zahl hatte am wenigsten die Frankfurter Polizei gerechnet. Die Autoschlangen reichten vom Riederwald bis zur Kettelerallee und eigenartigerweise kam man nicht auf die Idee, wenigstens auf der Erlenbruchstraße den Gegenverkehr einzustellen. So benötigte mancher Autobesitzer das dreifache an Zeit als sonst und mancher wird dadurch um den Genuß des ersten Eintrachttores gekommen sein.
So ein Tor hat man in Frankfurt noch nicht gesehen, so etwas wird dem Fußballfreund allenfalls auf englischen Sportplätzen geboten. Kreß führte die erste Ecke aus, schob den Ball nur wenige Meter weit zu Pfaff, der den Ball fast diagonal vor das Stuttgarter Tor schlug. Man mag oft mit Feigenspan hadern, man mag sich oft an seinen mangelhaften spielerischen Mitteln stoßen, aber seine Tore machen alles wieder wett. Als der Ball fast schon am Tor vorbeizufliegen schien, hechtete Feigenspan durch die Luft und stieß den Ball mit der Wucht eines Torpedos in das Tor. Man bekam schon vom Zusehen Kopfbrummen, aber Feigenspan scheint eine Stirn aus Beton zu haben.
Ein anderer Gegner wäre in die Knie gegangen, nicht so der VfB. Man erlebte ein Mittelfeldspielchen wie man es schon am 14. Dezember auf dem Bieberer Berg erlebt hatte. Mit Kurz- und Langpässen wurde die Eintrachtabwehr in stetiger Bewegung gehalten. Da mußte sich Lutz mit Geiger und Weise befassen, die sich laufend in der Aufgabe des Spitzenstürmers ablösten. Nur Höfer hatte es leicht, denn Waldner schien gesundheitlich indisponiert und blieb farblos bis zum Schluß. Seine Mitspieler spielten ihn auch sehr wenig an.
Seltsamerweise hatte es die Eintrachtabwehr schwerer gegen den VfB-Sturm als dieser vor der Pause mit vier Mann angriff. Blessing hing als dritter Läufer zurück und stieß nur hie und da nach vorn. Einmal führte das zu einem Tor. Zuerst hatte Weise den Ausgleich erzielt, dann kam Blessing zu Wort. Sein Schuß landete zwar am Pfosten, nachdem zuvor Höfer Geiger angeschossen hatte. Den zurückprallenden Ball wollte Eigenbrodt wegschlagen, rutschte aus und stieß das Leder mit dem ausgestreckten Bein über die Torlinie.
Wie unschön klangen die Pfiffe, mit denen einige Superfanatiker nach der Pause die Eintrachtelf empfingen. Hatten sie durch ihre Vereinsbrillen nicht erkannt, daß die Riederwälder einem großartigen Gegner gegenüberstanden? Und wie sehr wurden diese unsportlichen Zuschauer beschämt. Mit einer Verbissenheit, der die Eintracht nur fähig ist, wenn sie zurückliegt, ging man gegen die Stuttgarter Abwehr an. Da boten sich Lindner, der eine famose Leistung vollbrachte, gleich nach Wiederbeginn zwei Chancen. Beim erstenmal flog der Ball neben das Tor, beim zweitenmal fing Sawitzki dien Ball.
Wieder war es Feigenspan, der als Torschütze in Aktion treten mußte. Seinen Schuß stieß Sawitzki zwar noch gegen den Pfosten, aber von da sprang der Ball ins Netz. Das Spiel wurde auf beiden Seiten jetzt härter, einmal tat Hartl, einmal tat Weilbächer des Guten zuviel. Aber Fischer brachte das Spiel über die Runden. Der Eintrachtdruck wurde übermächtig, die wenigen Gegenstöße der Stuttgarter waren an einer Hand bald abzuzählen. Sie hatten den Faden verloren, und bei der Eintracht lief der Faden richtig ab. Es fehlt ihr das Mittelfeldspiel, und Spieler wie Kreß und Feigenspan neigen nun einmal dazu, im Uebereifer den eigenen Mitspieler zu übersehen.
Aber immer waren die Stuttgarter Stürmer gefährlich, wenn sie durchkamen, einmal rettete Loy in letzter Sekunde. Hartl hatte Geiger mit einem Steilpaß eingesetzt, der fast das ganze Mittelfeld überbrückte, aber Loys Körper fing Geigers Schuß auf, denn Loy war rechtzeitig herausgelaufen! Und ehe Geiger nachschießen konnte, griff sich Loy im Hechtsprung den Ball.
Der unentschiedene Ausgang ist gerecht. Was die Stuttgarter an Technik voraus hatten, machte die Eintracht durch Kampfgeist wett. Ihr bester Stürmer hieß Pfaff, ihr bester Abwehrspieler Lutz. Den meisten Beifall verdiente Lindner, dem nur Pfaffs Erfahrung mangelt. Kommt alles noch! Horst Kickhefel (aus 'Der neue Sport' vom 26.01.1959)