Mehr als der Mann hinter Breloer (original) (raw)

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Stand: 17.01.2019, 03:53 Uhr

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Opulentes Fernsehen: Für den ARD-Dreiteiler „Die Manns – Ein Jahrhundertroman“ schrieb Horst Königstein mit Heinrich Breloer das Drehbuch.

Opulentes Fernsehen: Für den ARD-Dreiteiler „Die Manns – Ein Jahrhundertroman“ schrieb Horst Königstein mit Heinrich Breloer das Drehbuch. © WDR/Bavaria/Anneck

Das Dokudrama war seine Form: Der Drehbuchautor und Regisseur Horst Königstein ist tot. Der NDR, dessen Fernsehprogramm er über 40 Jahre lang mitgestaltet hat, ändert aus diesem Anlass am Mittwoch sein Nachtprogramm.

Von Klaudia Wick

Der Regisseur Heinrich Breloer hat das Dokudrama, das sie gemeinsam erfunden und zu großer Virtuosität haben, gerne einen „Bastard“ genannt. Udo Lindenberg, für den er Songtexte schrieb, nannte seinen langjährigen Freund einen „Schlaumann“. Vielleicht war es gerade seine feinsinnige Art, die Weggefährten zu so provokativen Vokabeln greifen ließ. Am Sonntag starb Horst Königstein nach langer Krankheit 67-jährig in Hamburg.

Der NDR, dessen Fernsehprogramm er als Redakteur für besondere Aufgaben mehr als 40 Jahre lang mitgestaltet hat, ändert aus diesem Anlass am Mittwoch sein Nachtprogramm: ab 23.50 Uhr werden drei Dokumentationen zu sehen sein, die sein Werk noch einmal in groben Zügen skizzieren. Den Anfang macht eine, die von ihm selbst handelt: „Ich, Ringo und das Tor zur Welt“ rekonstruiert das kreative Schaffen von Horst Königstein in der Dokudrama-Form, in der er so gerne selbst erzählte, und inszeniert Königsteins entscheidende Lebensszenen nach.

Zudem lässt das Filmessay von Jan Bonny und Oliver Schwabe Wegbegleiter zu Wort kommen: Heinrich Breloer, mit dem er seit 1972 zusammenarbeitete, Martina Gedeck, die er schon früh in seinen Filmen besetzte, oder Annette Humpe, deren Interviewfilm „Jetzt kommt die Flut“ er 1982 produzierte. Der auf das Wesentliche konzentrierte Film zeigt, was den Filmermöglicher Königstein zeitlebens faszinierte: Das Experimentieren mit der Form, die Durchdringung von Lebensentwürfen, was die Menschen von sich zu erzählen haben.

20 Jahre lang lehrte er seine Sicht auf die Möglichkeiten des Films und die Notwendigkeiten des Lebens an der Kölner Filmhochschule für Medien. Noch während seiner aktiven Zeit als NDR-Redakteur inszenierte er an Hamburger Theatern gelegentlich Theaterstücke. Er schrieb Songtexte für Peter Gabriel und koproduzierte Udo Lindenberg, nach seiner Pensionierung beriet er weiter die Dokfilm-Abteilung des NDR.

Die Vielseitigkeit von Horst Königstein war freilich kaum über die Grenzen von Hamburg bekannt. Für die Fernsehbranche war er der Mann hinter Heinrich Breloer. Der hatte mit Königstein seinen ersten Langfilm über Bert Brecht gedreht und 1981 mit „Das Beil von Wandsbek“ den gleichnamigen Roman von Arnold Zweig verfilmt. Dabei war die Handlung eingebettet in eine dokumentarische Recherche zum historischen Hintergrund; Zeitzeugen erinnerten sich an den so genannten Altonaer Blutsonntag.

„Das Beil von Wandsbek“ wurde das Vorbild für viele gemeinsame Filme wie „Das Todesspiel“ über die RAF oder „Die Staatskanzlei“ über den Tod von Uwe Barschel Mit dem Dreiteiler „Die Manns – Ein Jahrhundertroman“ krönten sie 2001 ihre Zusammenarbeit, mit „Speer und Er“ über Hitlers Chefarchitekten und „Die Treuhänderin“ über Birgit Breuel führten sie sie fort.

Horst Königstein suchte seine Themen auch in der politischen Gegenwart. Die Filmessays, für die Königstein in Buch und Regie verantwortlich zeichnete, waren meist ein wenig artifizieller und ätherischer als die populären Stoffe. Aber das Publikum war dem Sohn eines Bremer Lebensmittelhändlers nie gleichgültig. Er hielt es für interessiert genug, dass man es auch herausfordern könnte. Eine Anekdote berichtete, dass er bereits als Schüler seinen Nachbarskindern aus Reclam-Heften Klassiker rezitierte.

Später interessierte sich der promovierte Soziologe für die US-Soap-stars, die er in seiner Reportagereihe „Denver Clan ohne Maske“ besuchte und portraitiert hatte. Die Lust am Trash ist ihm zeitlebens geblieben. Als ihn ein Journalist aus Anlass seiner Pensionierung nach seinen Lieblingssendungen im Fernsehen fragte, bekannte sich der „Schlaumann“ und mehrfache Grimme-Preis-Träger ohne Zögern zu seinem regelmäßigen „Comedy Central“-Konsum.

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