Frankreich plant drastische Verschärfung des Urheberrechts (original) (raw)
Paris hat sich lange Zeit gelassen mit der Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie von 2001. Nun will die französische Regierung aber einen entsprechenden Gesetzesentwurf über den Schutz von Copyright und benachbarten Rechten in der Informationsgesellschaft (DADVSI) in einem parlamentarischen Eilverfahren zwei Tage vor Weihnachten durchs Abgeordnetenhaus jagen. Das Papier an sich hat es in sich, da es stärker noch in als etwa hierzulande Kopierschutzmaßnahmen zusätzlich rechtlich sanktionieren und das Umgehen der technischen Blockaden kriminalisieren will. Verbände und Firmen der Unterhaltungsindustrie haben überdies einen Änderungsantrag lanciert, mit dem Software für den Dateitransfer verboten würde, die Rechtsverletzungen nicht technisch von vornherein verhindert. Davon erwarten Experten gravierende Auswirkungen auf Open Source.
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Laut des Gesetzesvorschlags drohen Nutzern, die ohne Erlaubnis der Rechtehalter Programme zum Kopierschutzknacken verwenden, künftig Haftstrafen bis zu drei Jahren sowie Geldstrafen in Höhe von 300.000 Euro. Verboten werden soll auch der Einsatz freier Software zum Abspielen von Multimedia-Dateien wie VLC, da diese etwa den Zugriff auf DVDs mit DeCSS-Verschlüsselung erlauben. Wer direkt oder indirekt wissentlich Informationen über Werkzeuge verbreitet, die mit dem Gesetz kriminalisiert werden, soll ebenfalls bestraft werden. Diese über die EU-Richtlinie hinausgehende Gesetzespassage würde laut des französischen Info-Centers EUCD.info (European Copyright Directive) "die Türen für Zensur öffnen". Die freie Meinungsäußerung nicht nur von Autoren freier Software, sondern auch die von Sicherheitsexperten, Akademikern und Journalisten sieht das Aufklärungsforum damit "direkt in Gefahr". Darüber hinaus sieht der Entwurf eine Kriminalisierung von Nutzern vor, die Hinweise zum Entfernen digitaler Wasserzeichen geben.
EUCD.info befürchtet ferner eine Vertiefung der Kluft in der französischen Gesellschaft zwischen Bürgern, die sich den Zugang zu kommerziellen digitalen Informationen noch leisten können, und solchen, denen dieses finanzielle Privileg nicht gegeben ist. Erstmals würde es nämlich in der Macht der Verleger oder Produzenten stehen, allen, die keine Nutzungslizenzen erwerben, das private Kopieren zu untersagen. Generell sehe die Gesetzesinitiative vor, viele der noch legalen alltäglichen Nutzungsformen digitaler Güter massiv zu beschneiden. Ein Dorn im Auge sind Bürgerrechtlern, die vor der "schlimmsten Urheberrechtsgesetzgebung in Europa warnen", zudem Bestimmungen wie die zwangsweise Implementierung von Systemen zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) in die Übertragungen von Online-Radios sowie der geplante Aufbau für ein universelles Filtersystem bei den Providern. Damit könnte etwa nach E-Mails Ausschau gehalten werden, so die Befürchtungen, welche Anhänge mit illegal kopierten MP3s transportieren.
Besondere Empörung hat ein kürzlich eingebrachter Änderungsvorschlag an dem bisherigen Entwurf ausgelöst, dem zufolge Software für die Übertragung kopiergeschützten Materials ohne die Integration von Wasserzeichen oder DRM verboten werden soll. Laut EUCD.info stammt der Antrag direkt aus den Rechtsabteilungen des Medienkonglomerats Vivendi Universal, der Business Software Alliance (BSA) sowie der Verwertungsgesellschaft SACEM, dem französischen Pendant zur GEMA. Betroffen sehen die Kritiker von der "surrealistischen" Klausel neben Chat-Programmen sämtliche Server-Software und -Protokolle wie Peer-2-Peer, HTTP, FTP oder SSH. Da alle Applikationen angesprochen würden, welche für das Verfügbarmachen geschützter Dateien in Frage kommen, könnte dies auch den Praktiken zur Veröffentlichung freier Software einen Todesstoß versetzen, warnt EUCD.info. Dies hätte verheerende Auswirkungen auf die Innovation.
Laut der Free Software Foundation Frankreich (FSFF) haben das französische Kultusministerium und Verlegerverbände der Musikindustrie die Programmierer freier Software bereits darauf hingewiesen, dass sie auf Grund der vor der Verabschiedung stehenden Regeln ihre Lizenzen überarbeiten müssten. SACEM soll zudem pauschal einen "Stopp der Veröffentlichung freier Software" gefordert haben. Die FSFF sorgt sich daher um einen möglichen "Bann" von Programmen mit frei verfügbarem Quellcode. Chancen für eine ernsthafte parlamentarische Debatte über das Gesetz sieht die Vereinigung nur noch für den Fall gegeben, dass das Kabinett die Eilbedürfnis des Verfahrens zurücknimmt. Andernfalls seien die "unsäglichen Kontrollbestimmungen" im Interesse der großen Konzerne kaum mehr aufzuhalten. (Stefan Krempl) / (anw)