Hollywood in den 30er Jahren (original) (raw)

Filmbuch des Jahres 2010

Robert Nippoldt und Daniel Kothenschulte:

Hollywood in den 30er Jahren

Geht das: ein Bilderbuch über das klassische amerikanische Kino der 1930er Jahre ohne Fotos? Es geht, wenn sich ein so begabter Zeichner wie Robert Nippoldt an die Arbeit macht. Er hat vor drei Jahren bei Gerstenberg den Band Jazz im New York der wilden 20er publiziert, der von der Stiftung Buchkunst als „schönstes deutsches Buch 2007“ ausgezeichnet wurde. Nun sind Musiker und Sänger wohl leichter zu zeichnen als Filmstars, weil diese Stars uns mit ihren Gesichtern so vertraut sind, aber Nippoldt, gerade mal 32 Jahre alt, hat einen scharfen Blick für Charakteristika und prägende Details. In seinen Zeichnungen bekommen Personen einen individuellen, keinen typisierten Ausdruck. Sie sind nicht durch die verzerrende Brille eines Karikaturisten gesehen, sondern mit dem liebevollen Blick eines Verehrers.

Natürlich schauen uns zunächst einmal die Stars an: neun Schauspie-lerinnen (Crawford, Dietrich, Dressler, Garbo, Garland, Harlow, Hep-burn, Temple, West) und 13 Schauspieler (Astaire, Bogart, Cagney, Chaplin, Flynn, Gable, Grant, Keaton, Laughton, drei Marx-Brothers, Stewart). Wen man vermisst, muss man selbst entscheiden. Sieben Regisseure haben es in den gezeichneten Olymp geschafft: Borzage, Browning, Cukor, Disney, Ford, Lang, Lubitsch. Und auch die wichtig-sten Gewerke sind repräsentiert, mit dem Drehbuchautor Hecht, dem Kameramann Daniels, dem Trickspezialisten O’Brien, dem Masken-bildner Pierce, dem Choreographen Berkeley, dem Komponisten Korn-gold und dem Produzenten Mayer. Oft sind die Personen mit speziellen Filmhintergründen kombiniert.

Es gibt 24 Doppelseiten, für mich am schönsten: der rote Teppich und die Titelseite im Kino, das gezeichnete Inhaltsverzeichnis, die Zeitliste 1900 bis 1940, Chaplins CITY LIGHTS als Comic, die Gesichtskarte von Jean Harlow mit dem wandelnden Schönheitsfleck, die Crew im weiten Panorama hinter der Kamera, die strahlende Farbkraft von THE WI-ZARD OF OZ, die Horrormasken, King Kong und die vielen Gesichter von Charles Laughton. Man kommt leicht ins Schwärmen bei diesem Buch.

Das endet auch nicht, wenn man zu lesen beginnt. Die Texte von Daniel Kothenschulte sind informativ, sachlich, ohne falsche Ironie oder neckische Pointe. Der Autor zitiert, wenn es hilfreich ist, nimmt Stellung zu politischen, technischen und ökonomischen Entwick-lungen, ist bestens vertraut mit der amerikanischen Kinogeschichte und lässt sich von den großen Bildern nicht einschüchtern. Ein beein-druckender filmhistorischer Essay. Aufs Ganze gesehen entsteht dadurch eine schöne Balance zwischen Wort und Bild.

Der Nachspann macht deutlich, wie viel Arbeit in diesem Buch steckt, wie viele Menschen im Hintergrund geholfen haben und wie ästhetisch schön man sogar ein Impressum gestalten kann. Dem Verlag muss man zu dem golden schimmernden Hollywood-Buch gratulieren