khd-research | Grunewald (Berlin) - (original) (raw)
Herzlich willkommen zu unserem heutigen Kiezspaziergang. Vor wenigen Tagen war der 9. November, an dem wir uns nicht nur an die Öffnung der Mauer vor 15 Jahren erinnert haben, sondern auch an die Pogromnacht der Nationalsozialisten im Jahr 1938. Der 9. November wird für uns immer ein widersprüchlicher Gedenktag bleiben der an das Schlimmste und an das Schönste gleichermaßen erinnert, an den Absturz in die Unmenschlichkeit und an den Gewinn der Freiheit und die Wiedervereinigung.
Heute werden wir an einigen Stationen unseres Spaziergangs erinnert an die jüdische Geschichte unseres Bezirks und damit zwangsläufig an die nationalsozialistische Barbarei.
Hier befand sich eine von mehreren jüdischen Schulen. Sie wurden allesamt von Frauen geleitet, und sie wurden nach 1933 für die jüdischen Familien immer wichtiger. Als die jüdischen Kinder von den allgemeinen Schulen ausgeschlossen wurden, blieben ihnen nur noch die jüdischen Schulen, wo sie nicht nur eine allgemeine Schulbildung erhalten konnten, sondern zunehmend auch auf die Emigration vorbereitet wurden. Deshalb war Englisch für viele das wichtigste Fach. Der Platzbedarf an den jüdischen Schulen stieg seit 1933 enorm, bis die Nazis 1939 alle diese Schulen schlossen und Juden jede Schulbildung verweigerten.
Leonore Goldschmidt hatte 1916 am Grunewald-Gymnasium, dem heutigen Walther-Rathenau-Gymnasium Abitur gemacht, dann in Jena, Berlin und Heidelberg studiert, promoviert und als Lehrerin in England und Berlin gearbeitet, zuletzt an der Sophie-Charlotte-Schule, die sie 1933 verlassen musste. 1934 arbeitete sie an der „Privaten Jüdischen Waldschule Grunewald“ von Toni Lessler, die hier an der Hagenstraße 56 gerade vergrößert worden war.
Am 1. Mai 1935 gründete Leonore Goldschmidt ihre eigene Schule unweit von hier in der Kronberger Straße 24. Die Schule wurde schnell ausgebaut. Es entstanden 4 neue Schulgebäude hier am Hohenzollerndamm 105–110 und Nr. 102 und in der Berkaer Straße 31. Nach der Schließung ihrer Schule 1939 emigrierte Dr. Leonore Goldschmidt nach England und führte dort ihre Schule bis 1940 weiter. Bis 1968 arbeitete sie als Lehrerin an privaten und öffentlichen Schulen in England. Mit 71 Jahren ging sie in den Ruhestand und starb 1983 86jährig in London.
[Ed: Im AEG-Haus an der Ecke Cunostraße war in den 1950er-Jahre das Lichtspieltheater „Melodie“, das später in Rosenecknähe an der Marienbader Straße einen Neubau erhielt. Nach dem Kinosterben wurde dort daraus ein Supermarkt].