Clementine Alberdingk (original) (raw)

Selbstportrait
Abb. 1 Clementine Alberdingk,
Selbstbildnis, �l auf Karton, 30 x 40cm,
Privatbesitz, ausgestellt 1911

Clementine Gerhardine Maria (Tini, Tintje) Alberdingk wurde am 14. Juni 1890 in Klosterneuburg als viertes Kind des Herrmann Josef (1858�1916) und der Josepha Johanna Mari Nicolaya Alberdingk (1862�1932), geboren. Die aus Holland stammenden Eltern zogen nach Klosterneuburg, um dort die Farben- und Firnisfabrik nach dem Tod des �lteren Bruders des Vaters, Anton, weiterzuf�hren. Firnisse der Firma Alberdingk waren sehr gesch�tzte Qualit�tsprodukte der Zeit. Clementine, deren Rufname Tini war, bildete mit zwei ihrer vier Geschwister, Hermine und Ernestine, das Dreim�derlhaus Alberdingk. Es waren drei ausnehmend h�bsche M�dchen, die alle k�nstlerische Interessen hatten. Hermine (1887�1980), verehelichte von Kirchmayr, auch Minki gerufen, �bte zeitlebens die erlernte bildende Kunst nicht aus, aber Erny, wie Ernestine (1892�1961) immer genannt wurde, entwickelte sich zu einer ber�hmten Geigerin, die unter anderem das Alberdingk-Quartett begr�ndete.

Dieses Streichquartett, in all seinen sp�teren Formationen immer Alberdingk-Quartett benannt, wurde 1916 von Clementine in einer eindrucksvollen Studie (Abb. 2) festgehalten. Es wurde am Beginn von Elisabeth Bockmayer, Cello, Susanna Lachmann, zweite Geige, Alba Poppy, Viola und Erny Alberdingk, erste Geige, gebildet. Auftritte und Gastspiele standen auch im Ausland am Programm, so gastierte das Quartett 1916 im Felde und 1917 in M�nchen. Eine neuerliche Deutschlandreise des Quartetts 1926 zeigte bereits eine ver�nderte Besetzung, neben Erny waren das Tina Koppensteiner und die Schwestern Hilde und Luitgard Wimmer. Im Jahre 1930 befanden sich neben Erny Alberdingk-Walter und Luitgard Wimmer die Geigerinnen Lilly Sieber und Dora Streicher neu in dem Quartett. Erny war in der Zusammenarbeit mit ihrem Gatten Karl Walter (1892�1983), Professor an der Wiener Musikakademie, sehr anerkannt (Abb. 3 u. 4). Er war Domorganist und hatte die beliebten Orgelkonzerte zu St. Stephan begr�ndet. Aus seiner Hand stammen auch einige Kompositionen.

Tini verfolgte ihr Ziel, Malerin zu werden, geradlinig und strebsam. Schon als Kind sehr selbstbewusst, d�rfte sie das Internat im Sacre-Coeur in Preßbaum nicht sehr gesch�tzt haben, denn sie wurde wegen Ungehorsams nach Wien in den 3. Bezirk verlegt, dort war sie dann externe Sch�lerin. Das Zeichnen lag ihr im Blut und die k�nstlerische Ausbildung war unausweichlich. Ihre ersten Gehversuche in der bildenden Kunst erfolgten von 1906 � 1908 in der Malschule von Ferdinand Kruis und Franz Hohenberger in Wien. Diese Malschule wurde 1902 von Franz Hohenberger gegr�ndet und mit Ferdinand Kruis bis 1916 weiter betrieben. Beide Maler waren Absolventen der Wiener Akademie und Mitglieder der Secession. Ferdiand Kruis besch�ftigte sich auch mit der Lithografie und schuf einige hervorragende Bl�tter.

Quartett an der Front

Abb. 2 Alberdingk-Quartett, Abbildung nach einer Zeichnung von Clementine Alberdingk,
signiert und datiert 1916

Wie Tini selbst in einer Mitteilung an Hofrat Ankwicz-Kleehoven schrieb, erfolgte dann 1908 der Wechsel nach Amsterdam an die Akademie, weil in Wien den Frauen der Zugang an die Akademie verwehrt war. Gemeinsam mit ihrer �lteren Schwester Hermine studierte sie an der Reichsakademie. Als die finanziellen Mittel nur mehr f�r eine Studentin reichten, musste sie aus Geldmangel abbrechen und 1910 nach Hause zur�ckkehren. Dies war f�r Tini besonders schmerzhaft, da sie wusste, dass ihre Schwester bei weitem nicht so interessiert an der Ausbildung war wie sie selbst. Hermine kehrte auch bald heim und nutzte die Chance der akademischen Ausbildung nicht. Der anschließende Privatunterricht Tini's von 1910 bis 1917 bei Franz Rumpler, einem Freund des Hauses Alberdingk, sollte die junge K�nstlerin daf�r entsch�digen und auf einen Weg weisen, der ihrem Talent entsprach, der Bildnismalerei. Bereits 1911 stellte sie in der II. Kunstausstellung der heimischen K�nstler Klosterneuburgs zwei �lbilder, Portr�ts, aus, darunter ihr Selbstbildnis (Abb. 1). Ab dem Jahr 1916 war sie freischaffend t�tig und konnte schon Portr�tauftr�ge verzeichnen.

Anton Wildgans
Abb. 5 Clementine Alberdingk: A. Wildgans
in Steinhaus 1916, abgebildet in:
Anton Wildgans ein Leben in Briefen und auf
der Hompage der Anton Wildgans-Gesellschaft

Nach dem pl�tzlichem Tod des Vaters im April 1916 besuchten die drei Alberdingk-Schwestern im Juni des Jahres Anton Wildgans in seinem Feriendomizil in Steinhaus am Semmering. Dort zeichnete Tini den ber�hmten Schriftsteller, zweimaliger Direktor des Wiener Burgtheaters, der diese Kohlezeichnung so sehr sch�tzte, dass er beschloss, sich von der jungen K�nstlerin auch portr�tieren zu lassen. Diesen Entschluss teilte er in einem Brief seinem Freund, dem Komponisten Joseph Marx mit, und empfahl ihm, sich auch von der talentierten Schwester der Erny malen zu lassen. Und er schw�rmt von seinem Aufenthalt im Hause Alberdingk in Klosterneuburg, wo er in Musik, Sonne, Wiesenduft und dem Wohlwollen der M�dchen badete. Im August 1916 entstand dann das ber�hmte �lgem�lde von Wildgans (Abb. 5), wozu er Clementine am 1.8.1916 mit den Worten � komm, liebe Tini, nicht ohne Deine �lmalrequisiten. Denn ich werde Dir wahrscheinlich gleich sitzen m�ssen. Ich will unbedingt, daß das Bild vor meiner �Liebe�-Premiere fertig und reproduziert ist � beauftragte. Das so wohlbekannte Bildnis des Dichters (Abb. 5) befindet sich heute in Privatbesitz, wurde publiziert und ist im Internet abrufbar, ebenso wie Fotos von dem Besuch der Alberdingk-Schwestern bei Wildgans in Steinhaus am Semmering.

Erny Alberdingk-Walter, Tinis Schwester, musizierte oft am Sonntag Vormittag mit ihrem Quartett im Hause Wildgans in M�dling, das sich neben der Othmarkirche befindet. Mit Tini stand Wildgans weiter in Verbindung, wie der gegenseitige Schriftwechsel es dokumentiert. Wildgans fand Clementine in ihrer k�nstlerischen Entwicklung bereits sehr weit fortgeschritten und gefestigt und r�t ihr, kompromisslos alles auszuprobieren, denn nur wer durch H�hen und Tiefen gegangen sei, k�nne den richtigen Weg f�r sich finden. Als sich Tini im Jahre 1920 l�nger nicht blicken ließ, schrieb er eine sehr pers�nliche, tadelnde Widmung in ein Exemplar eines Buches, das f�r Tini bestimmt war. Mit der Gattin des Dichters, Lily Wildgans, war Tini freundschaftlich verbunden. Eine Ruf-Tante der Alberdingk-Schwestern, Johanna R�ssler, verband eine tiefe Seelenfreundschaft mit Anton Wildgans. Er sch�tzte �Tante Johanna�, wie er sie titulierte, sehr, und bezeichnete sie als einen derjenigen seltenen Menschen, die die h�chste Eigenschaft der � ... patientia audiendi� besitzen, d. h. die Gabe, an einem Gespr�ch derartig zuh�rend teilzunehmen, daß es ermunternd und entfaltend auf die Stimmung und Gedankenaustausch der Redenden wirkt ... "

Der Kontakt der Familien Wildgans und Alberdingk kam h�chstwahrscheinlich �ber die Musik zustande. Wildgans war ein passabler Geigen- und Klavierspieler, bewegte sich in Dichter- wie in Musikerkreisen und Erny, die Geigerin, war das Bindeglied. Ebenso eine passionierte Geigerin war die Kusine von Johanna Roessler, Agnes Funck, die sp�tere Archivarin und Gehilfin von Lily Wildgans beim Aufbau des Dichter-Archivs. Agnes Funck spielte eine Stradivari und Wildgans empfand H�llenqualen, als diese Geige bei ihm aufbewahrt wurde und er nicht darauf spielen konnte. Die Schwiegertochter von Johanna Roessler, Hilda, war ausgebildete S�ngerin und nahm an den Sonntagsvormittagsmatineen des Alberdingk-Quartetts im Hause Wildgans aktiv teil. So war die Musik eine der sch�nsten Verbindungen zwischen den Familien Wildgans, Alberdingk und Roessler. Die Verbindung von Clementine zur darstellenden Kunst bestand �ber die mit allen befreundete Familie von Wolf Albach-Retty und �ber den mit allen befreundeten kunstsinnigen Chorherren Wolfgang Pauker, der gleichzeitig das Bindeglied zum Stift und der K�nstlerschaft in Klosterneuburg war. Wildgans selbst stand in Briefkontakt mit Probst Josef Kluger. Nach dem fr�hen Tod des Dichters 1932, der in die holl�ndische Zeit von Tini fiel, bestand weiter Kontakt zwischen den Familien, denn der Sohn von Clementine (er kam 1932 in Holland auf die Welt) kann sich noch an die Besuche bei Familie Roessler in der Himmelstraße in Grinzing und bei Familie Wildgans in M�dling erinnern

Die engsten Maler-Freundinnen von Tini waren die Klosterneuburgerinnen: Emma Bormann, Tochter von Eugen Bormann, dem ber�hmten Epigrafiker und Altertumsforscher; Franziska Wilfer-Horst, Tochter von Franz Horst, einem Mitbegr�nder des VHKK und Georgine Altmann-Rinnerer, auch Schorschi genannt, eine Malerin und Modezeichnerin aus der unmittelbaren Nachbarschaft in der Skallgasse in Klosterneuburg. Mit letzterer unternahm Clementine �fters gemeinsame Malausfl�ge in die Klosterneuburger Au. Alle vier K�nstlerinnen waren Mitglieder im VHKK.

1917 ging Tini mit ihrer besten Freundin, Emma Bormann, nach M�nchen an die Staatliche Kunstgewerbeschule. Emma hatte im M�rz 1917, Tini im April 1916 ihren Vater verloren und so f�hlten sich beide jungen Frauen nicht mehr so eng an Klosterneuburg gebunden. Clementine belegte an der Kunstgewerbeschule in M�nchen ein Jahr die Klasse f�r dekorative Malerei bei Robert Engels und bezeichnete selbst diese Zeit als sehr fruchtbar. Sie kehrte nach diesem Jahr zur�ck nach Klosterneuburg, Emma blieb bis 1920 und wechselte nach einem Semester die Rollen, sie unterrichtete nun selbst. Eine Italienreise mit Emma im Sommer 1920 nach Ravenna brachte wieder l�ngere Gemeinsamkeit mit ihrer Freundin.

Postkarte
Abb. 6 Autograf von Alfred Cossmann, Postkarte an
Clementine Alberdingk vom 29. 12. 1920, Privatbesitz,

Postkartenr�ckseite
Abb. 7 R�ckseite der Postkarte
Dank, f�r Tini Alberdingk,
Tuschzeichnung, monogrammiert

Wahrscheinlich schmiedeten die beiden damals bereits die weiteren Ausbildungspl�ne. Denn ab dem Wintersemester 1920 bis 1923 besuchten Tini und Emma die graphische Lehr- und Versuchsanstalt bei Alfred Cossmann. Dieser sch�tzte Tini sehr, wie eine Dankeskarte des Meisters an seine Sch�lerin beweist ( Abb. 6 u. 7). Wahrscheinlich wurde sie auch hier zu ihrem kleinen, aber feinen Exlibriswerk angeregt, das sie von 1926�1927 sowohl mit der �sterreichischen Exlibrisgesellschaft ausstellte, als auch in der Vereinigung schaffender K�nstler �Weisse Insel� in Wien. Diese exzellenten grafischen Bl�tter, alle in Tiefdrucktechnik, schuf sie f�r unbekannte Eigner mit den Initialen CvD und AS, f�r Walter und Hilda Roessler (R�ssler) mit den Initialen WHR, f�r Dr. Gustav Huber, Direktor im Eisenbahnministerium und f�r Severin Schmidt, Chorherr im Stift Klosterneuburg. Ein undatiertes und unbezeichnetes Neujahrsblatt (Abb. 14) mit Cello spielenden Engeln, erg�nzt diese Buchzeichen.

Das Blatt f�r das Eigner-Ehepaar Walter und Hilda Roessler (Abb. 8) ist das Exlibris mit den Initialen WHR, 98 x 85 mm groß und in der Platte nicht signiert. Es zeigt ein junges Paar, das auf einem Latschenkranz in Herzform sitzt und sich auf einen zwischen ihnen liegenden Rucksack st�tzt. Der junge Mann tr�gt Lederhose und einen Berghut, das M�dchen gleicht eher einem Pagen, als einer Wanderin. Pickel und Krampen, auch Kletterbehelfe, die beide in H�nden halten, k�nnten ein Hinweis auf das Sch�rfen von Edelmetallen sein. Dies ist eventuell durch die sehr interessante Familiengeschichte erkl�rbar.

Friedrich Ernst Roessler (1813-1883), der Großvater von Walter, er�ffnete 1843 eine Edelmetallscheiderei als Privatbetrieb in der freien Reichsstadt Frankfurt am Main. Das Unternehmen ging 1868 in den Besitz der S�hne Hector und Heinrich �ber und wurde als �Friedrich Roessler S�hne� neu er�ffnet. Das 1863 vom Sohn Hector in Frankfurt er�ffnete �Hector Roessler Chemisch-technisches Laboratorium� und das Unternehmen �Friedrich Roessler S�hne�

Exlibris fuer Roessler
Abb. 8 Clementine Alberdingk, Exlibris f�r Walter
und Hilde R�ssler C2, 89 x 85mm, unsigniert und,
undatiert, SA M�ksch

ging 1873 in der Aktiengesellschaft �Dt. Gold- und Silber-Scheideanstalt�, kurz als Degussa bezeichnet, auf. Zwei weitere S�hne von Friedrich Ernst Roessler, Friedrich und Louis hatten Filialen in Berlin und Wien er�ffnet. Das Unternehmen Louis Roessler, sp�ter Louis Roessler & Co., in Wien, eine hundertprozentige Tochterfirma der Degussa, hatte sein Gesch�ft (Abb. 9) in der Neustiftgasse 117-119 in Wien-Neubau. 1962 erfolgte der Zusammenschluss der Unternehmen Scheid und R�ssler in Form der �gussa, �sterreichische Gold- und Silberscheideanstalt Scheid & R�ssler Ges.m.b.H. & Co KG45. Louis Roessler (1850-1910), der Gr�nder und Gesch�ftsf�hrer der Zweigniederlassung der Degussa in Wien (Abb. 9), heiratete Johanna Funck (1860-1924). Sie hatten drei Kinder. Marie, die fr�h mit 14 Jahren an Diphterie verstarb. Ernst, ein ausgezeichneter Student mit Auslandserfahrung und Weltumsegler, f�r heutige Begriffe ein Abenteurer und Aussteiger, und Walter, Eigner des Exlibris, ein Chemiker, der die Gesch�ftsf�hrung der Wiener Zweigstelle �bernahm. Er heiratete Hildegard von und zu Friedenberg aus Kronberg am Taunus, die einem hessischen Adelshaus

Gesch�ftskarte
Abb. 9 Gesch�ftskarte, Verlag ungenannt, Privatbesitz

entstammte. Sie war die Verlobte seines Bruders, der sich erschossen hatte, um den Qualen einer Neurosyphilis zu entkommen. Die Mutter Johanna war die erw�hnte Seelenfreundin von Anton Wildgans und Ruf-Tante der Alberdingk-Schwestern. Ihre Kusine Agnes Funck, Tochter ihres Bruders, wird Anton Wildgans 1929 von seinem Verleger Alfred Staackmann als sekretariale Hilfe zur Verf�gung gestellt. Sie baut nach dem Ableben des Dichters Wildgans gemeinsam mit der Witwe Lily das Wildgans-Archiv auf. Johanna Roessler, besaß einen Weingarten in Grinzing. Dort erbaute um 1930 der Sohn Walter ein Haus, in das die Familie von der Prinz-Eugenstraße �bersiedelte. An dieses Haus in der Himmelstraße kann sich der Sohn von Clementine Alberdingk noch gut erinnern, war er doch mit den Eltern �fters auf Besuch. Es muss also der Kontakt zwischen den Familien Roessler und Mehl-Alberdingk noch bis in die 40er Jahre bestanden haben. Dieses Haus fiel einem Bombenangriff zum Opfer, wurde aber wieder aufgebaut. Walter (1891�1947) und Hilda Roessler (1880�1968), die Eigner des oben beschriebenen Exlibris, waren beide Gesellschafter der Deutschen Gold- und Silberscheideanstalt, vormals Roessler (Degussa), denn 1926 folgte Hilda nach dem Tod der Schwiegermutter 1924 dieser als Gesellschafterin nach. Alle Familienmitglieder waren in der Firma besch�ftigt, Walter als Gesch�ftsf�hrer. In der unr�hmlichen Firmengeschichte, die Arisierungspolitik des Unternehmens nach der Machtergreifung Hitlers 1933 betreffend, spielte Walter eine nicht unbedeutende Rolle, da er die Gestapo ins Spiel brachte. Eine angestrebte Parteimitgliedschaft 1938 wurde wegen seiner fr�heren Zugeh�rigkeit zum Rotary-Club verhindert. Seine Bestellung von den Alliierten zum Nachkriegstreuh�nder f�r alle Edelmetallvorr�te �sterreichs (er war als politisch v�llig unbelastet aus dem Entnazifizierungsverfahren hervorgegangen), wurde daher �ußerst kritisch betrachtet.

Exlibris G. Huber

Abb. 10 Clementine Alberdingk: Exlibris Dr. Gustav
Huber C2, 130 x 95 mm, handsigniert, SA M�ksch

Das zweite Exlibris (Abb. 10), dessen Eigner bekannt ist, wurde f�r Dr. Gustav Huber (1878�1945) geschaffen. Es hat eine Plattengr�ße von 130 x 95 mm, ist handsigniert und schwarz auf gelblichem Papier. Laut Ver�ffentlichung der Wildgans-Gesellschaft war Gustav Huber der Lebensgef�hrte von Johanna Roessler, was die Enkelin von Johanna nicht best�tigen kann. Sie berichtet von einem distanzierten Verh�ltnis der Familie Roessler zu Dr. Gustav Huber. Er war unter dem Pseudonym Semper Errasmus schriftstellerisch t�tig. Mit Anton Wildgans verband ihn eine tiefe Freundschaft, die noch durch die gemeinsame Liebe zur Musik und dem beiden verbundenen Komponisten Joseph Marx (1882-1964) best�rkt wurde. So finden sich unter anderem in den Teilnachl�ssen von Huber in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek und in der �sterr. Nationalbibliothek nicht nur Typoskripte seiner Dramen, sondern auch eine reichhaltige Korrespondenz mit Anton Wildgans und dessen Gattin Lily, mit Joseph Marx und dessen Lebensgef�hrtin und Muse, der S�ngerin Anna Hansa (1877�1967) und mit Hermine Cloeter (1879�1970), Schriftstellerin und Kunsthistorikerin, Verfasserin zahlreicher bekannter B�cher �ber das k�nstlerische Schaffen in Wien und �ber die Wachau.

Exlibris S. Schmidt

Abb. 11 Clementine Alberdingk: Exlibris SevriniSchmidt, Choherr
in Klosterneuburg, C2, 126 x 116mm, handsigniert, SA M�ksch

F�r Anton Wildgans war Gustav Huber der einzige unter all seinen vielen Freunden, den er als Sachwalter f�r seine Kinder, im Falle seines Ablebens, bestimmen wollte. Von Beruf war Gustav Huber ein �sterreichischer Beamter, Ministerialrat, Bundesbahndirektor, was das Motiv des Exlibris erkl�rt. Das gefl�gelte Rad, in der Berufssymbolik oft als Zeichen der Eisenbahn benutzt, gibt den Bezug zur Berufst�tigkeit des Eigners im klassischen Sinne des Exlibris wieder. Eine junge Frau steht mit einem Fuß auf diesem Rad und st�tzt sich mit dem zweiten auf dem Kopf eines mit Ketten an das Rad gefesselten jungen Mannes ab. Die Symbolik ist so vielschichtig interpretierbar, ich w�rde sie als Metapher �ber das menschliche Sein schlechthin interpretieren. Das Rad der Fortuna dreht sich, wen es nach oben tr�gt, dem liegt die Welt zu F�ßen, und wer schon oben sitzt, der wird im n�chsten Augenblick vom Rad �berrollt, unausweichlich, unab�nderlich? Die Gl�cksg�ttin ist also zugleich die Schicksalsg�ttin f�r den gefesselten Mann, nur sie kann den Lauf der Dinge ver�ndern. Eine Anspielung auf eine gl�cklich �berstandene schwere Erkrankung des Eigners 1919?

Das dritte Exlibris (Abb. 11) hat die K�nstlerin f�r Severin Schmidt, Chorherr des Stiftes Klosterneuburg, geschaffen. Das Blatt ist 127 x 120 mm groß, schwarz auf gelblichem Papier, undatiert und handsigniert. Severin Schmidt (1892�1951), war Absolvent des akademischen Gymnasiums am Beethovenplatz in Wien und belegte ab 1912 kunsthistorische F�cher an der Universit�t Wien. Seine Studien vollendete er wahrscheinlich schon als Kleriker, die Einkleidung erfolgte 1913, die Priesterweihe 1918. Von 1920 � 1934 unterrichtete er Religion am Bundesrealgymnasium in Korneuburg, wo er auch als Kooperator fungierte. Er war Dozent f�r Pastoraltheologie, Kunstgeschichte und Kirchengeschichte. Von 1935 bis 1938 unterrichete er als Dozent f�r kirchliche Kunstgeschichte und von 1947 � 1949 als Dozent f�r kirchliche Kunstgeschichte und Liturgik, ein Jahr sp�ter auch f�r Kirchengeschichte. Von 1950 bis zu seinem Tod war er kurzzeitig Kustos der stiftlichen Kunstsammlungen in Klosterneuburg. Er erhielt das �sterreichische Silberne Verdienstzeichen. Neben seinen vielen Verpflichtungen, darunter auch als Novizenmeister und Klerikerdirektor im Stift Klosterneuburg, war er 1938 bis 1940 Kirchenrektor der neu erbauten Leopoldskirche im Weidlinger Sachsenviertel. Bereits um 1910 war ihre Errichtung geplant gewesen und entsprechende Kirchenbauvereine gegr�ndet worden. Aber erst in den Jahren 1936 � 38 konnte trotz schwieriger Zeiten das Projekt realisiert werden und nach der Grundsteinlegung durch den damaligen Propst des Stiftes, Generalabt Josef Kluger, erfolgte der Bau durch die Fa. Josef Sch�mer & Sohn aus Klosterneuburg nach den Pl�nen des Architekten Rudolf Leopold Wondracek aus St. P�lten, einem Otto Wagner-Sch�ler. Jos. Sch�mer (1857�1942), von 1876-82 Absolvent der Meisterschule f�r Baukunst an der Akademie der bildenden K�nste Wien, schlug sp�ter eine politische Laufbahn ein und war von 1922 bis 1929 war ebenfalls Architekt in Klosterneuburg und Mitglied im VHKK. Das Handelsunternehmen seines Bruders Fritz Sch�mer (1902�1990), wurde vom Schwiegersohn Karlheinz Essl so erfolgreich zur Baumarktkette BauMax umgebildet, dass es den finanziellen Grundstock f�r die Sammlung des Ehepaares Agnes und Karlheinz Essl bildete. Dem Neubau des Sch�mer-Hauses 1985 nach den Pl�nen von Architekt Heinz Tesar folgte 1999/2000 ebenfalls nach seinen Pl�nen die Errichtung des �Essl-Museums�, in aller Welt als �Museum f�r Kunst der Gegenwart� bekannt.

Die weiteren Bl�tter sind keinem Eigner zuzuordenen. Das kleine Blatt (Abb. 12) mit den Inititalen C v D, 60 x 46 mm groß, schwarz auf weißem Papier, handsigniert, zeigt einen Knaben auf einer duftigen Wolke sitzend, umschw�rmt von L�wenzahnflugsamen. Der Kleine betrachtet aufmerksam die Pflanze, die dieses Naturschauspiel entwickelt. Das Blatt, k�nstlerisch dem Jugendstil nahestehend, mit stilisierten floralen Elementen mit ornamentalem Charakter geschm�ckt, ist als Buchdeckel zu einem unge�ffneten Buch konzipiert. Das Exlibris mit den Initialen AS (Abb. 13), 76 x 65 mm groß, schwarz auf gelblichem Papier, unsigniert, zeigt einen mit Lupe lesenden Gelehrten, der von zwei Engeln flankiert wird, einer ebenfalls lesend, der andere Geige spielend. Das Monogramm AS, ligiert und zentral positioniert, die Figurengruppe �ber den Initialen thronend. Eine Allegorie auf die Geisteswissenschaften und die Musik, also m�glicher Weise f�r jemanden, der sich auf diesen Gebieten hervorgetan hat.

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Exlibris f. Unbekannt 1
Abb. 12 Clementine Alberdingk: Exlibris f�r
unbekannte(n) EignerIn mit den Initialen C. v. D
C2, 60 x 40mm, handsigniert, SA M�ksch

Exlibris f. Unbekannt2
Abb. 13 Clementine Alberdingk: Exlibris f�r
unbekannte(n) EignerIn mit den Initialen AS
C2, 76 x 65mm, SA M�ksch

Neujahrswunsch

Abb. 14 Clementine Alberdingk: Neujahrswunsch,
C2, 10 x 8 cm, handsigniert, SA M�ksch

Um 1920 d�rfte der Auftrag f�r das grosse Bildnis des Klosterneuburger Pr�laten, Josef Kluger, mit geistlicher Assistenz der Pfarrer Josef Roithammer und �gid Beyer vor dem Hochaltar der Stiftskirche in Klosterneuburg, an die K�nstlerin vergeben worden sein. Es wurde 1921 im VHKK und 1922 im Wiener K�nstlerhaus ausgestellt. Heute befindet es sich im Inventar des Stiftsmuseums Klosterneuburg. 1923 entstand das lebensgroße Bild von Kardinal Piffl, das erst 1928 im VHKK ausgestellt wurde und sich heute in der Erzdi�zese Wien befindet. In dieser Ausstellung sah man auch aus ihrer Hand das große Bildnis von Auguste Bormann, Frau Hofrat Bormann, der Mutter ihrer Freundin Emma Bormann. Das nach Aussagen von Zeitzeugen vortrefflich gelungene Brustbild befindet sich noch heute in Privatbesitz in Klosterneuburg. Es gibt in ausdrucksvoller Weise die große G�te und Gelassenheit dieser vielfachen Mutter wieder. Die Ruhe und Geborgenheit, die von diesem Bild ausstr�mt, wird durch die helle Farbgebung mit vorherrschenden Gr�nt�nen noch verst�rkt. 1926 und 1927 konnte man einen Heiligen Franz von Assisi in der Vereinigung Weisse Insel und in Klosterneuburg bewundern. Das �lbild fiel den Pl�nderungen in den Kriegswirren anheim. Auch das Gem�lde Maifeiern konnte nur in Wien gesehen werden und ist verschollen. Auftr�ge f�r Portr�ts der B�rgermeister Kautek, Vizeb�rgermeister Josef Ochsner, Prim. Dr. Arthur Weiss, alle in Privatbesitz, und ein Auftrag der Gemeinde, das Klosterneuburger Strandbad zu malen, folgten. Dieses sehr bekannte große Bild des Strandbades befindet sich im Klosterneuburger Stadtmuseum. Eine große Ansicht von Klosterneuburg wurde vom Landeshauptmann zum Ankauf bestimmt. Alle diese Gem�lde wurden ebenfalls im VHKK ausgestellt.

1926 heiratete Clementine den neun Jahre j�ngeren Otto Mehl (1899�1964), einen Kunstgewerbler und Maler. Sie hatte ihn im M�nner-Turnverein Klosterneuburg kennengelernt, zu dessen Besuch sie von ihrer turnbegeisterten Freundin Emma animiert wurde. Diese Ehe sollte alle Schwierigkeiten �berstehen und war trotz des Altersunterschieds sehr gl�cklich. Da die Arbeitssituation immer prek�rer wurde, �bersiedelte das K�nstlerehepaar Mehl-Alberdingk 1930 nach Holland, wo beide in Roermond in dem Atelier f�r christliche Kunst Kunstwerkplaatsen Cuypers & Co Arbeit fanden. Dass die Wahl gerade auf diese Kunstwerkstatt fiel, ist vielleicht auf die Verbindung der Familien Alberdingk (Alberdingk Thijm) und Cuypers im 19. Jh. zur�ckzuf�hren. 1859 heiratete Antoinette Alberdingk (Alberdingk Thijm) (1829�1998) den Architekten Pierre (Petrus) Cuypers (1827�1921). Nenny, wie sie auch geannt wurde, war seine zweite Frau, eine polyglotte vielseitig begabte S�ngerin und Malerin, die auch bei den Entw�rfen im B�ro ihres Gatten in Roermond mitarbeitete. Das 1852 von ihrem Gatten mit Francois Charles Stoltzenberg sen. gegr�ndete Unternehmen, Cuypers und Stoltzenberg, wurde 1892 aufgel�st und die Firma Cuypers & Co gegr�ndet, in der der gemeinsame Sohn, Joseph Cuypers (1861-1949), Partner seines Vaters wurde und 1898 die Gesch�fte �bernahm. Der Einfluss des Bruders von Nenny, des ber�hmten Schriftstellers Joseph Albert Alberdingk (Alberdingk Thijm), in Bezug auf christliche Kunst, war bestimmend f�r das Werk ihres Gatten und die Ausrichtung des Kunstateliers.

In diesem Atelier f�r christliche Kunst Cuypers & Co fanden Clementine und Otto Arbeit. Hier entstanden die farbigen Glasfenster (Abb. 15), in Zusammenarbeit des K�nstlerehepaares, f�r Kirchen und Kl�ster, z. B. in Rolduc, Harlem, Heerlen, Abdissenbosch, Ysselsteyn, Zevenar, Raalte, Rosenberg und Breda, sowie Entw�rfe f�r Wandmalereien und zwei Kreuzwege in Heerlen und Maastricht, sowie zahlreiche Arbeiten f�r private Auftraggeber. Leider gingen in den Kriegswirren viele der Kunstwerke verloren oder wurden zerst�rt. Auf Grund der politischen Ereignisse kehrten beide im November 1937 nach Klosterneuburg zur�ck und waren anfangs begeisterte Anh�nger der neuen politischen Str�mung. Beide waren nun offiziell Parteimitglieder. Otto Mehl ging kurzzeitig an die Staatliche Kunstgewerbeschule, um sich in den Emailletechniken zu vervollkommnen. Er wurde mit der Organistaion der SA-Reiterei in der Magdeburger Kaserne in Klosterneuburg beauftragt. Die Zeit der politischen Ern�chterung und der Kriegseinsatz folgten bald. W�hrend der Kriegszeit malte Tini sehr viele Blumenbilder, die bei Frau Eimer in der Kunsthandlung am Kohlmarkt verkauft wurden. 1945 verschlug die Flucht vor den Russen die K�nstlerin mit dem Sohn Hermann, der 1932 in Holland geboren worden war, �ber Achensee in Tirol nach Graz. Dort fand sie bei Prof. Anton Hafferl (1886-1959) am Anatomischen Institut als Anatomiezeichnerin Arbeit. Die Thorax-Illustrationen stammen laut Auskunft des Sohnes von Clementine. In Graz soll sie sich bei einem Wettbewerb f�r die neuen Glasfenster der Stadtkirche

Glasfenster Haarlem
Abb. 15 Glasfenster in Haarlem, Gemeinschaftsarbeit des
Ehepaares Clementine und Otto Mehl, Holland

beworben haben, der Auftrag erging aber an Albert Birkle, wie der Sohn berichtet. Otto Mehl fand nach der Entlassung durch die Amerikaner endlich Arbeit in Nassereith in Tirol, wo sich die kleine Familie nun niederließ. F�r Tini war das ein sehr schwerer Lebensabschnitt, denn sie f�hlte sich dort nie wohl. Die sehr gl�ckliche Ehe und das Malen halfen ihr �ber d�stere Stunden hinweg. Ob sie mit der im benachbarten Tarrenz lebenden Klosterneuburger Malerin, Grafikerin und Sgrafitti-Malerin Rosl Benesch-Hennig (1903�1986) Kontakt hatte, konnte nicht gekl�rt werden, es gibt keine Hinweise daf�r. Rosa Benesch war die Schwiegertochter von Josef Ferdinand Benesch, Mitbegr�nder und erster Schriftf�hrer des VHKK.

Die Freundschaft mit Emma Bormann aber war �ber all die Jahre sehr eng geblieben, und man stand immer in Briefkontakt. Den letzten Brief erhielt Tintje, wie Clementine von Emma in Anlehnung an das Holl�ndische immer genannt wurde, knapp vor ihrem Tod. Clementine war �ber jeden Besuch in der alten Heimat froh. Auch f�r ihre zweite Freundin, Franziska Wilfert-Horst, waren die Besuche in Klosterneuburg Lichtblicke in ihrem ungeliebten Dasein in S�damerika. So trafen sich die ehemaligen Freundinnen Tini und Franzi in ihrer Heimatstadt und malten auch gemeinsam. Bei einem Heimatbesuch 1964 in Klosterneuburg, der wegen einer geplanten Operation des Gatten erfolgte, verstarb dieser unerwartet. Tini erlitt in der Folge zwei Schlaganf�lle, von denen sie sich aber wieder erholte und wieder malte. Sie blieb in Klosterneuburg und lebte noch zwei Jahre im Familienverband ihres Sohnes, Dipl. Ing. Hermann Mehl, wo sie am 27. November 1966 verstarb. Ihr letztes Bild aus einer langen Reihe von Blumenbildern, ist ein �ppiges, �berquellendes und farbenintensives Pfingstrosenbild. Werke der K�nstlerin befinden sich im Besitz des Stiftes Klosterneuburg, des Klosterneuburger Stadtmuseums, in der Erzdi�zese Wien und in Privatbesitz. Die herrlichen Glasfenster findet man in zahlreichen Kl�stern und Kirchen und Privath�usern in Holland. Neben der �berwiegenden Zahl an Portr�ts finden sich in dem malerischen Werk der K�nstlerin haupts�chlich Blumendarstellungen. Von besonderer Qualit�t sind die vielen Zeichnungen (Abb. 16), Portr�t-Studien zu ihren Auftragswerken, und die Darstellungen des Alberdingk-Quartetts in verschiedenen Formationen. Ihr grafisches Talent bewies sie neben diesen zahlreichen Skizzen und Zeichnungen (Abb. 14) auch im Bereich der Druckgrafik wie Radierungen, Linol- und Holzschnitten in Form von Exlibris, Portr�ts und Klosterneuburger Motiven. Neben ihrer Mitgliedschaft im VHKK seit 1911 mit sieben Ausstellungsteilnahmen war sie auch noch Mitglied in der Vereinigung schaffender K�nstler Weiße Insel, in der �sterreichischen Exlibris-Gesellschaft und im K�nstlerbund Klosterneuburg.

Maria K�nigin der Engel

Abb. 16 Clementine Alberdingk: Maria mit den Engeln, Tuschzeichnung
aus der Jubil�umsmappe 1936 im Stift Klosterneuburg