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Louise Labé - Biografie
* um 1524/25 in Lyon, Frankreich
† 25.04.1566 in Parcieux-en-Dombes/Lyon
Ne reprenez, Dames, si j'ai aimé,
Si j'ai senti mille torches ardentes,
Mille travaux, mille douleurs mordantes.
Si, en pleurant, j'ai mon temps consumé,
Ach, meine Liebe, werft sie mir nicht vor,
ihr Damen: daß mich tausend Brände brannten
und tausend Schmerzen mich ihr eigen nannten
und daß ich weinend meine Zeit verlor.
Louise Labé: Sonett XXIV
(Aus: Die Vierundzwanzig Sonette der Louïze Labé Lyoneserin. 1555.
Übertr.: Rainer Maria Rilke, Leipzig 1917)
Louise Labé, eigentlich Louise Charly bzw. Charlieu, genannt La Belle Cordière, wurde um 1524/25, nach anderen Quellen zwischen 1516 und 1523 in Lyon geboren. Sie stammt aus einer wohlhabenden Seilerfamilie italienischen Ursprungs (aus zweiter Ehe des Seilfabrikanten Pierre Charly, genannt L’abbé oder Labé [der Name seiner ersten Frau, dt. Raubmöwe]), die zur Bourgeoisie von Lyon gehörte. Sie wuchs auf im damals wirtschaftlich und intellektuell prosperierenden Lyon. Sie war eine sehr attraktive und intelligente Frau.
Ihre Mutter starb, als sie noch ein Kind war. Sie wuchs mit ihrem Bruder / ihren Brüdern (?) auf.
Die Kindheit verbrachte Louise Labé im Zentrum Lyons, einer Stadt, die damals ein kosmopolitisches Zentrum Europas war, noch wichtiger als Paris. Hier zeigte sich die Renaissance in ihrer vollen Pracht, ihre Eleganz, Philosophie, Literatur, Musik und Kunst und vor allem alles, was Italienisch war. Es ist die Zeit der Geburt des Buchdruckes und von Ideen für die Zukunft, wobei die Wurzeln in der Antike liegen.
Sie erhielt als eine junge Bürgerliche dieser Zeit eine vorzügliche und vielseitige Bildung. Sie lernte nicht nur das kunstvolle Sticken, sondern auch im Garten in der Nähe des Place Bellecour das Reiten ("Le capitaine Loy" - "Hauptmann Loy"; sie kleidet sich wie ein Schildknappe) und mehrere Sprachen (z. B. Latein und Italienisch). Eine gediegene literarische, musikalische ("La dame au luth" - "Die Dame mit der Laute") und sportliche (z. B. Fechten) Erziehung sowie eine umfassende humanistische Ausbildung ermöglichten ihr die Teilnahme am kulturellen Lyoner Leben.
Zwischen 1543 und 1545 heiratete sie mit 20 Jahren den deutlich älteren (um die 20-30 Jahre) reichen Seilfabrikanten Ermanuel Perrin (ihre Ehe mit ihm verdankt sie ihren Namen »La Belle Cordière« - Die schöne Seilerin).
Durch den Reichtum ihres Mannes (er basaß mehrere Häuser in Lyon) konnte sie sich ihrer Leidenschaft, dem Lesen, voll hingeben. In einer Zeit, in der Bücher etwas seltenes und wertvolles waren, besaß sie eine Bibliothek mit den besten Werken in Griechisch, Latein, Italienisch, Spanisch und Französisch.
Sie war Mitglied der Gruppe der "Lyoner Schule" (diese Schule war keine im Sinne der "Pléiade"). In ihrem Haus traf sich die gebildete Gesellschaft Lyons. In ihrem Salon versammelte sie die Lyoneser Schöngeister und Literaten (z. B. die Lyriker Maurice Scève, Pernette du Guillet, Olivier de Magny, Jacques Pelletier Le Mans, Pontus de Tyard, Jean-Antoine de Baïif, Claude de Taillemont) und pflegte überdies engen Kontakt mit den Dichtern aus dem Umkreis der La Pléiade. Sie ließ sich von ihnen bewundern und animierte sie, über alle Aspekte der Liebe und nicht zuletzt auch über die Stellung und Rolle der Frau in Dichtung und Gesellschaft zu diskutieren und zu schreiben.
In der Nachfolge von Marie de France, Christine de Pisan, Marguerite de Navarre und Pernette du Guillet gibt Louise Labé die Sicht der Frauen über die Liebe wider. Der Ruhm ihres Salons drang bis nach Italien.
Die 30-jährige stellte 1555 einen Sammelband zusammen und brachte ihn unter dem Titel Œuvres de Louise Labé, Lyonnaise bei dem sehr aktiven Lyoneser Drucker Jean de Tournes heraus. Die Veröffentlichung dieser unsterblichen Sonette kam einer Sensation gleich. Ihr Spiel mit der Autobiografie ist Teil der Tradition der petrarkistischen Liebeslyrik. Wie sind ihre Sonette zu verstehen? Jedenfalls zeugen sie nicht von einem unmoralischen Lebenswandel, wie manche Kritiker äußerten (Johannes Calvin, Pierre Bayle, Ferdinand Brunetière, Friedhelm Kemp) oder davon, dass sie eine Kurtisane war.
Ihre Werke leiten innerhalb der französischen Literatur die Renaissancelyrik ein. Ursula Hennigfeld schreibt in ihrem Vorwort zur Ausgabe der EDITION SIGNAThUR, 2012 folgendes: "Etliche Zeitgenössische Dichter haben Louise Labé geradezu jubelnd als 'Zehnte Muse' bezeichnet. und ihr zu Ehren Lobgedichte auf Griechisch, Lateinisch, Italienisch und Französisch verfasst."
Der schmale Band enthält (neben 24 Gedichten befreundeter Autoren) den Prosatext Débat de folie et d'amour, ein naturgemäß unernster Disput zwischen Amor und der Torheit samt Plädoyers von Apollon und Merkur sowie dem Schiedsspruch Jupiters, weiter drei kürzere Elegien (Élégies) im Stil Clément Marots und vor allem die berühmten 24 petrarkistischen Sonette (Sonnets), deren drei oder vier schönste zu den besten Gedichten in französischer Sprache rechnen.
Insgesamt wirken die Sonette für die Epoche ungewöhnlich bekenntnishaft und handeln, wie schon die Elegien, von der Leidenschaft eines weiblichen Ichs, zweifellos der Autorin, zu einem seinerseits nur lauen Geliebten, hinter dem sich wohl der heute praktisch unbekannte Literat Olivier de Magny ("La Pléiade") verbirgt.
Louise Labé als Liebende: Eine unabhängige Frau nimmt sich nicht nur das Recht, leidenschaftlich zu lieben, sondern findet auch den Mut, Zärtlichkeit und Lust, Verlangen, Erfüllung und Scheitern ihrer Liebe in traumhaft musikalischen Sonetten zu besingen.
Zu ihren Lebzeiten vor allem als emanzipierte Frau 'avant la lettre' bekannt, gilt sie seit ihrer Wiederentdeckung gegen Ende des 18. Jahrhunderts als eine der bedeutendsten französischen Lyrikerinnen. Ihr Motto lautete (in Wissenschaft und Tugend den Männern gleichen oder sie übertreffen):
en science et vertu passer ou egaler les hommes
Durchlebte Liebe und ihr dichterischer Beruf sind Gegenstand ihres Œuvre (1555). Das Geleitwort an die Dichterfreundin Clémence de Bourges fordert die Frauen auf, ihre geistigen Anlagen zu kultivieren und gewonnene Erkenntnisse schriftlich festzuhalten. Diese Aufforderung beruht auf der humanistischen Idealvorstellung der Renaissancedichterin von der zwar mühevollen, aber lohnenden Vervollkommnung des Menschen.
Für ihr unkonventionelles Leben wurde sie von Johannes Calvin polemisch kritisiert.
Über ihre letzten Jahre ist wenig bekannt. Nach 1556 zog sich Louise Labé auf ein Landgut nahe Lyon zurück Während dieser Zeit starben viele ihrer Freunde und auch ihr Mann (frühe 1560er) und sie zerfloß in Einsamkeit. In Parcieux-en-Dombes starb sie noch jung an Jahren am 25.04.1566 vermutlich an der Pestepidemie von 1566 (?).
Ihr Testament ist eines der wenigen Dokumente, die aus ihrem Leben erhalten sind.
(Quellen: Wikipedia DE und FR; Microsoft® Encarta® Online-Enzyklopädie 2009; Helmut-Lang-Verlag; div. Websites)
Rezeption
Nachdem ihr Werkband bald nach seinem Erscheinen mehrfach (drei innerhalb eines Jahres), auch an anderen Orten, nachgedruckt worden war, geriet sie schon im späten 16. Jahrhundert in Vergessenheit. Eine Ursache war sicher der Ausbruch der Religionskriege 1562, ein anderer Grund war vielleicht, dass der Reformator Calvin, der wohl im nahen Genf von ihr gehört hatte, sie um 1560 wegen ihres unkonventionellen und selbständigen, für eine Frau leicht als unschicklich empfundenen Lebenswandels als "ordinäre Hure" ("plebeia meretrix") geschmäht hatte.
Ihre Wiederentdeckung wurde eingeleitet von einer Neuausgabe ihres Werkes um 1760. Seitdem gilt sie neben Scève als die bedeutendste Vertreterin der um 1550 blühenden sogenannten Lyoneser Dichterschule.
Ihr Werk ist in Frankreich nach wie vor sehr populär. Nicht zuletzt von Charles-Augustin Sainte-Beuve und George Sand wurde sie im 19. Jahrhundert als Vorläuferin der Frauenemanzipation angesehen.
Zur Weltausstellung 1900 in Paris schuf Lucien Bégule (Glasmaler; Atelier in Lyon) eine Glasmalerei zum Thema "Die Dichterin Louise Labbé". Dieses Werk wurde mit einer Goldmedaille ausgezeichnet (wird von einer Familie aus Lyon gekauft, seit 2000 im Museum Gadagne, Lyon).
Lucien Bégule: Vitrail de la poétesse Louise Labbé (2,20 m x 1,10 m), 1899 (© Thierry Wagner)
In Deutschland ist sie nicht unbekannt dank der recht freien Übertragungen ihrer Sonette durch Rilke (1917; "Ach, meine Liebe, werft sie mir nicht vor." Vierundzwanzig Sonette, französisch – deutsch – englisch. Übertragung von Rainer Maria Rilke und Marie Jahoda. Nachwort von Marie Jahoda.) und der noch freieren von Paul Zech (postum 1947). 2012 erschien in der Edition Signathur eine neue Übersetzung von Ingeborg Vetter: "... so viele Fackeln mir, die ich schon brenne".
Auch in andere Sprachen wurden die Sonette im 19./20./21. Jahrhundert erstaunlich oft übertragen.
2006 stellte eine Pariser Literaturhistorikerin (Murielle Huchon: Louise Labe: Kreatur de Papiere) die These auf, dass die unter Labés Namen gedruckten Werke in Wahrheit nicht von ihr selbst verfasst seien, sondern von anderen Lyoneser Autoren (z. B. der Débat von Scève und die Sonette von Magny). Die These ist jedoch angesichts des Fehlens von einschlägigen Dokumenten oder Zeugnissen ebenso schwer zu erhärten wie zu widerlegen. Zu einem angemesseneren oder gar richtigeren Verständnis der Texte führt sie nicht.
Weitere Links
Testament der Louise Labé (franz.)
Biografie (franz.)
Bibliografie (franz.)
Weitere Links zu Louise Labé (franz.)
Louise Labé est-elle «une créature de papier»? (Daniel Martin)
Encyclopedia of Erotic Literature (Gaëtan Brulotte, John Phillips; Google Buch)
Renaissance women writers (Anne R. Larsen, Colette H. Winn; Google Buch)
Louise Labé (poétesse lyonnaise de la Renaissance; franz.)
Lycée professionnel Louise Labé (Berufsoberschule in Lyon)