Wilhelm Pieck - erster Ehrenbürger nach 1945 (original) (raw)

Es gab eine Suppe und einen Gang und damit Schluss und einen einfachen Wein. Für mich bot der Abend willkommene Gelegenheit, einige persönliche Bekanntschaften zu machen, die mir noch fehlten. ...
Die Presse nahm in großer Aufmachung vom Geburtstag und von den festlichen Feiern Notiz. Ich habe im >Morgen<4) absichtlich nur in bescheidenem Umfange von der Sache gesprochen.«5)
Im weiteren Verlauf der Zwangsvereinigung wie auch der Entwicklung in der SBZ zeigte sich, dass Wilhelm Pieck voll hinter dem Kurs der Stalinisierung stand. Er büßte daher viel an dem Respekt und an den Erwartungen, die ihm nicht nur die Sozialdemokraten anfangs entgegengebracht hatten, ein. Am 11. Oktober 1949 wurde Pieck von der Provisorischen Volkskammer der DDR zum Staatspräsidenten gewählt. Aufgrund seines angegriffenen Gesundheitszustandes nahm er bald nur noch protokollarische Anlässe wahr. Die Führung von Partei und Staat geriet immer mehr in die Hände Walter Ulbrichts. Am 7. September 1960 verstarb Wilhelm Pieck nach langer Krankheit in seinem Wohnhaus in Berlin- Niederschönhausen, Majakowskiring 29. Die Urne mit den sterblichen Überresten wurde in der Gedenkstätte der Sozialisten in Berlin- Friedrichsfelde beigesetzt.
Am 16. Dezember 1948 beschloss die Stadtverordnetenversammlung von Groß-Berlin, die seit September 1948 in West-Berlin tagte, auf Antrag der SPD- und LDP- Fraktion die Streichung Wilhelm Piecks aus der Liste der Ehrenbürger, übrigens in einem Zuge mit Adolf Hitler, Hermann Göring, Joseph Goebbels und Wilhelm Frick.

In Ost-Berlin führte Wilhelm Pieck die dortige Ehrenbürgerliste weiterhin an. Nach der Wiederherstellung der Einheit Berlins wurde er in die neue Ehrenbürgerliste, die Senat und Abgeordnetenhaus im Herbst 1992 beschlossen, nicht aufgenommen.

Anmerkungen

1 Zitiert in: Die Sitzungsprotokolle des Magistrats der Stadt Berlin 1945 (46, T. I 1945, Berlin 1995, S. 752
2 Mit »Zentrum« war die am 26. Juni 1945 in Berlin gegründete CDU gemeint
3 Schloss Niederschönhausen war von 1949 bis 1990 Amtssitz des Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck, und bis 1989 Gästehaus der Regierung der DDR
4 »Der Morgen« war das Parteiorgan der LDPD
5 Archiv des Deutschen Liberalismus in der Friedrich-Naumann- Stiftung, Gummersbach, Dr. Külz, Tagebuch, Eintrag zum 3. 1. 1946Bildquelle: Repro LBV