Raketenexperimente von Cuxhaven (original) (raw)
Die vergessenen Raketenexperimente von Cuxhaven
Zwischen 1945 und 1964 wurden im Gro�raum Cuxhaven zahlreiche Raketen gestartet. Es waren dies nicht nur die drei A4 � Raketen, welche Vertretern der alliierten Besatzungsm�chten im Oktober 1945 unter der Bezeichnung Operation �Backfire� vorgef�hrt wurden, sondern auch ca. 500 zivile Flugk�rper, angefangen von kleinen Modellen zur Seerettung bis zu H�henforschungsraketen mit �ber 100 Kilometer Gipfelh�he, welche in den Jahren 1957 bis 1964 von der DAFRA, bzw. ihren Nachfolgeorganisationen der �Deutsche Raketengesellschaft e.V.� und der �Herrmann � Oberth - Gesellschaft e.V.� sowie der �Berthold � Seliger - Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH� und einigen anderen Konstrukteuren entwickelt und gebaut wurden.
Die Operation �Backfire�
Als der 2. Weltkrieg zu ging, wurde von der britischen Milit�rangeh�rigen, Kommandantin Joan Bernhard, vorgeschlagen, mit erbeuteten A4 � Raketen Demonstrationsfl�ge durchzuf�hren, bei denen die Startvorbereitung, Start und Flug der Raketen m�glichst genau dokumentiert werden sollten. Auf diese Weise , so argumentierten sie und ihre Vorgesetzten w�rde man in sehr kurzer Zeit wertvolle Erfahrungen im Umgang mit milit�rischen Gro�raketen sammeln k�nnen.
Die Idee fand Zustimmung beim Hauptquartier der alliierten Streitkr�fte und sowohl der amerikanische General Eisenhower als auch das britische Kriegsministerium stimmten den Vorhaben zu. Das Projekt erhielt den Namen �Operation Backfire�, Unternehmen Gegenschlag. Als Startgel�nde w�hlte man einen Platz in der N�he von Arensch bei Cuxhaven, auf dem schon Kurt Debus als Ersatz f�r den im Februar 1945 aufgegebenen Pr�fstand VII in Peenem�nde eine neue Abschussstelle f�r die Erprobung von A4-Raketen errichten sollte, was aber wegen der fortschreitenden Kriegsereignisse nicht mehr m�glich war.
So einfach war die Durchf�hrung des Vorhabens aber auch nicht, denn keine der erbeuteten Raketen war in flugf�higen Zustand. Es mussten viele funktionswichtige Teile erst beschafft oder gar in den Herstellungsbetrieben, sofern sie nicht zerst�rt waren, neu angefertigt werden. Auch musste eine noch funktionsf�hige Fabrik f�r Fl�ssigsauerstoff gefunden werden, was im kriegszerst�rten Deutschland keine leichte Aufgabe war: aber es konnten zwei derartige Werke ausfindig gemacht werden und zwar in Fassberg und in der N�he von Braunschweig.
Der Transport dieser �183 Grad Celsius kalten Substanz erfolgte in noch vorhandenen Eisenbahnwagons bis zum Bahnhof Altenwalde und von dort mit speziellen LKWs zur Abschussrampe. Am 1.10.1945 sollte in Arensch die erste A4 starten. Wegen eines Defekts im Z�ndsystem gelang es allerdings nicht an diesen Tag eine Rakete zu starten. Am n�chsten Tag wurde ein erneuter Startversuch durchgef�hrt, allerdings nicht mit der Rakete, welche am Vortag h�tte starten sollen, sondern mit der urspr�nglich f�r den 2. Flug vorgesehenen Rakete. Der Flug gelang. Die Rakete erreichte bei ihren Start, der an jenen Tag um 14.41 Uhr erfolgte eine H�he von 69,4 km und eine Flugweite von 249,4 Kilometern.
Am 4.10.1945 wurde um 14.16 Uhr die urspr�nglich f�r den 1.10.1945 vorgesehene Rakete gestartet. Allerdings fiel kurz nach dem Start der Motor aus und so flog jene Rakete nur 17,4 Kilometer hoch und 24 Kilometer weit. Der dritte und letzte Start der Operation �Backfire� fand am 14.10.1945 um 15.06 Uhr statt. Bei diesen Flug, welcher bei schlechten Wetter vor den Augen zahlreicher prominenter alliierter Wissenschaftler und Pressevertreter stattfand, flog die Rakete 64 Kilometer hoch und 233 Kilometer weit.
�bersichtskarte mit der Schussrichtung und den Niedergangsorten der Raketen (aus dem offiziellen Abschlussreport der Operation �Backfire� von Dieter K. Huzel)
F�r den Start der Raketen wurde im Wernerwald neben dem Weg von Arensch nach Sahlenburg eine 12 Meter breite und 30 Meter lange Betonplattform gebaut.
Auf dieser Plattform wurde der Starttisch aufgestellt. Die zur Startvorbereitung n�tigen Arbeiten wurden von auf LKWs montierten, klappbaren Ger�sten durchgef�hrt. Kurz vor dem Start fuhren diese LKWs zum Rand der Startplattform und gaben so der Rakete die Flugbahn frei.
S�dlich der Startplattform wurde eine Halle errichtet, in der vom Wetter gesch�tzt Wartungsarbeiten an der stehenden Rakete durchgef�hrt werden konnten. F�r den Start wurde die Rakete mit einem LKW aus der Halle zum Startplatz transportiert. 60 Meter s�d-s�d�stlich von der Startplattform wurden zwei Bunker f�r die Startkontrolle errichtet. Weitere Beobachtungsst�nde f�r Milit�rangeh�rige und Pressevertreter befanden sich s�dlich des Wernerwaldes, ca. 340 Meter s�dwestlich der Startstelle.
�bersichtskarte des Startgel�ndes (aus dem offiziellen Abschlussreport der Operation �Backfire� von Dieter K. Huzel)
Lage der Startstelle der Operation �Backfire� in eine moderne topographische Landkarte eingetragen
Nach der Operation �Backfire� wurden die hierf�r errichteten Anlagen demontiert. Selbst die Betonplattform wurde entfernt, wobei man merkw�rdigerweise verga� die hierbei entstandene Grube zuzusch�tten. Sie wurde sp�ter mit Birken aufgeforstet.
Ansicht der Bodenmulde (Aufnahme: 2001) (Foto: Verfasser)
In dieser Grube findet man noch heute vereinzelt Betonbrocken, die von der einstigen Betonplattform stammten.
Betonbrocken in der Bodenmulde (Aufnahme: 2001) (Foto: Verfasser)
Karl Poggensee und die Neuanf�nge der Raketenentwicklung in Hespenbusch
Nach der Operation �Backfire� geschah in Deutschland zuerst einmal nichts in punkto Raketentechnik, denn zum einen hatte man in den kriegszerst�rten Land weit wichtigere Dinge zu tun, als r�cksto�betriebene Flugk�rper zu bauen und zum anderen h�tten auch die alliierter Besatzungsm�chte jedes derartige Vorhaben untersagt.
Aber trotzdem war das Interesse an der Raketentechnik in Deutschland nicht ganz verschwunden und schon 1952 begann Karl Poggensee, der im 2. Weltkrieg an der Heeresversuchsanstalt Peenem�nde gearbeitet hatte, somit also reichlich Erfahrung im Raketenbau hatte, in Hespenbusch bei Gro�enkneten wieder mit Raketenversuchen, wof�r er sogar auch die beh�rdlichen Genehmigungen bekam. Seine Flugk�rper waren sehr primitive Eigenkonstruktionen aus Milchkannen, Papprollen, oder �hnlichen, welche nur wenige hundert Meter hoch flogen.
Aber ein Neuanfang war gemacht worden. Poggensee gr�ndete auch einen Verein f�r Raketentechnik mit dem Namen DAFRA = �Deutsche Arbeitsgesellschaft f�r Raketenangelegenheiten�, welche sich von nun an um die weitere Raketenentwicklung k�mmern sollte.
Trotz der schlechten wirtschaftlichen Verh�ltnisse gelang es Poggensee und den Mitgliedern der DAFRA schon bald Raketen zu bauen, die bis zu 6 km hoch fliegen konnten. Da man allerdings plante, Raketen f�r noch gr��ere Flugh�hen zu bauen, musste ein neues Versuchsgel�nde her, denn f�r den Start st�rkerer Raketen war das in Hespenbusch zur Verf�gung stehende Areal viel zu klein
Die Neuanf�nge der Raketenstarts im Gro�raum Cuxhaven
Der in Cuxhaven lebende Schiffbauingenieurs Herrmann Geveke, der ebenfalls auf dem Gebiet der Raketenforschung t�tig war, vertrat schon ab 1951 die These, dass Cuxhaven ein idealer Standort f�r einen Raketenstartplatz sei: er f�hrte hierbei als Argumente an, dass man von diesen Ort in n�rdliche und westliche Richtung freies Schussfeld habe, ein Umstand, von dem man schon im 2. Weltkrieg zur Erprobung der V1 (wenn dies auch keine Rakete war) und sp�ter bei der Operation �Backfire� Gebrauch gemacht hatte.
Auf einer Tagung der DAFRA in Bremen schlug er Cuxhaven als Startplatz f�r den Start gr��erer Raketen vor. Nat�rlich war man auf dieser Tagung Gevekes Vorschl�gen sehr zugeneigt, doch musste er noch den Stadtrat von Cuxhaven, wo er selbst Mitglied war, von diesen Vorhaben mit geschickten Argumenten �berzeugen, was nat�rlich alles andere als einfach war.
1957 schlie�lich war es soweit: die DAFRA erhielt die Genehmigung, zu bestimmten Zeiten, welche in Kooperation mit dem Wasser- und Schiffahrtsamt und der Flugsicherungsbeh�rde festgelegt wurden, im Wattengebiet zwischen Berensch und Sahlenburg Raketen starten zu d�rfen. In einen halbverfallenen Beobachtungsbunker der Marine aus dem 2. Weltkrieg, der sich unmittelbar an der Nordseek�ste zwischen Arensch und Sahlenburg befand, richtete man ein �Vereinsheim� mit Startkontrollstand, Treibsatzlager und einer Werkstatt ein.
Von diesen Bunker wurden die meisten Starts der DAFRA und ihrer Nachfolgeorganisationen, welche alle von transportablen Abschussrampen aus durchgef�hrt wurden, �berwacht (Im Unterschied zur Operation �Backfire� wurden f�r die ab 1957 folgenden Raketenstarts keine ortsfesten Anlagen errichtet).
Der erste Starttag sollte am 23.8.1957 stattfinden. An diesen Tag wurde eine sogenannte �lspr�hrakete, welche im Seenotfall durch das Verspr�hen eines �lfilms das Meer beruhigen sollte und einige Versuchsraketen mit einen Startschub von bis zu 15 kN, welche H�hen von bis zu 4000 Metern erreichten, in der N�he des Bauhofs von Arensch gestartet.
Doch schon bald sollten weitaus st�rkere Raketen folgen: 1958 starteten mehrere Raketen des Wuppertaler Konstrukteurs Ernst Mohr. Diese Flugk�rper entwickelten einen Startschub von 76500 Newton und beschleunigten eine Nutzlastspitze binnen zwei Sekunden auf dreifache Schallgeschwindigkeit. In einer H�he von 1200 Metern wurde diese vom Raketenk�rper abgetrennt und flog, da sie aerodynamisch sehr gut geformt war, bis in eine Gipfelh�he von 50 Kilometern!
Die ersten drei Versuchen am 13.6.1958 mit dieser Raketen waren Fehlschl�ge: zwei Raketen explodierten kurz nach dem Start, weil die Brennkammer beim Verlassen des Startgestells aufgerissen wurde, die dritte Rakete geriet in Folge aerodynamischer Instabilit�ten au�er Kontrolle und wurde durch die enormen Kr�fte, die im �berschallflug auf den Flugk�rper einwirkten, zerrissen. Am 14.9.1958 hingegen gelang es zwei Raketen von Ernst Mohr erfolgreich zu starten.
Die Rakete des Konstrukteurs Ernst Mohr (Quelle: Gedenkschrift zur 10. Jahrestagung der Deutschen Raketengesellschaft, in fotokopierter Form erhalten vom Deutschen Museum in M�nchen)
Technische Daten:
Durchmesser der Startrakete: 30 cm
L�nge der Startrakete: 1,7 m
Startschub: 76,5 kN
Brennzeit: 2 s
Gipfelh�he: 50 km
Nutzlast: 5 kg (f�r 50 km Gipfelh�he)
Startmasse: 150 kg
Masse des Treibstoffs: 75 kg
Masse der Startrakete einschlie�lich Leitwerk: 60 kg
Masse des Freiflugk�rpers: 15 kg
Maximaler Durchmesser des Freiflugk�rpers: 5,6 cm
L�nge des Freiflugk�rpers: 125 cm
Zwischen 1958 und 1960 wurden von der �Deutschen Raketengesellschaft e.V.�, so hie� jetzt die DAFRA zahlreiche Versuche mit Post- und Versorgungsraketen durchgef�hrt. Die Oberpostdirektion Hamburg hat an Tagen, an denen Postraketen gestartet wurden, ein mobiles Postamt in Sahlenburg eingerichtet. Dort konnte man Briefe f�r den Raketentransport aufgeben. Nach ihren Raketenflug im Wattengebiet wurden sie wieder zum mobilen Postamt zur�ckgebracht, wo sie einen besonderen Stempel erhielten. Heute sind diese Postsendungen begehrte Sammlerobjekte.
Doch verschwand keineswegs bei der Deutschen Raketengesellschaft das Interesse an der Entwicklung von Forschungsraketen: am 12.12.1960 erfolgte der Erststart der �Kumulus�. Diese 60 kg schwere Rakete hat eine maximale Flugh�he von 20 km. Sie landet nach vollbrachten Flug an einem Fallschirm und stand nach erneuter Bef�llung mit Feststofftreibsatz f�r einen weiteren Einsatz zur Verf�gung.
Bei diesen Flug sollte zum ersten Mal der Flug einer Rakete der �Deutschen Raketengesellschaft e.V.� per Funk vermessen werden. Allerdings gelang dies nicht, weil die Batterien f�r die Stromversorgung des Senders in der Rakete durch die K�lte ausgefallen waren. Erst am 12.2.1961 gelang es die Flugbahn einer �Kumulus� mit funktechnischen Mitteln zu vermessen.
Startvorbereitung einer �Kumulus� - Rakete (Quelle: Gedenkschrift zur 10. Jahrestagung der Deutschen Raketengesellschaft, in fotokopierter Form erhalten vom Deutschen Museum in M�nchen)
�Kumulus� - Rakete im Herrmann - Oberth - Museum in Feucht (Foto: Verfasser)
Technische Daten:
Durchmesser : 15 cm
L�nge: 3 m
Startschub: 5 kN
Gipfelh�he: 20 km
Nutzlast: 5 kg (f�r 20 km Gipfelh�he)
Startmasse: 28 kg
Am 16.9.1961 wurden mit �Kumulus� - Raketen erstmals zwei Tiere bef�rdert und zwar ein Molch und eine Flunder. Beide Tiere wurden w�hrend des Fluges gefilmt. Sie �berlebten auch ihren Flug, wenn auch der Fisch schwer angeschlagen, da er sich in einen Plexiglasbeh�lter und nicht in einer Druckkabine befand. Am gleichen Tag erfolgte auch der Erststart der Zweistufenraketen �Cirrus1� und �Cirrus 2�. Die �Cirrus 1� war eine 4,155 Meter lange Zweistufenrakete mit einen Startgewicht von 60 kg. Ihre beiden Stufen entwickelten je 5700 N Schub. Sie konnte eine Gipfelh�he von 35 Kilometern erreichen.
Beide Stufen landeten �wie bei der �Kumulus� an einen Fallschirm und konnten ebenfalls wiederverwendet werden. Die �Cirrus 2� besa� eine wesentlich st�rkere Startstufe, welche 17700 N Schub entwickelte. Sie erreichte auch deshalb eine Gipfelh�he von bis zu 50 Kilometern. Allerdings gelang am 16.9.1961 nur der Start einer �Cirrus 1� und einer �Cirrus 2�. Bei einer zweiten �Cirrus 2�, die auch am gleichen Tag h�tte starten sollen, z�ndete nicht die zweite Stufe, weil ein Z�ndkabel falsch angeschlossen war.
Start einer �Cirrus� - Rakete (Quelle: Informationsblatt der Deutschen Raketengesellschaft, in fotokopierter Form erhalten vom Deutschen Museum in M�nchen)
�Cirrus� - Rakete im Herrmann � Oberth - Museum in Feucht (Foto: Verfasser)
Technische Daten der �Cirrus 1�
Durchmesser : 15 cm
L�nge: 4,155 m
Startschub: 5 kN
Gipfelh�he: 50 km
Nutzlast: 5 kg (f�r 35 km Gipfelh�he)
Startmasse: 60 kg
Technische Daten der �Cirrus 2�
Durchmesser : 15 cm
L�nge: 4,155 m
Startschub: 17,7 kN
Gipfelh�he: 50 km
Nutzlast: 5 kg (f�r 50 km Gipfelh�he)
Startmasse: 60 kg
Es soll an dieser Stelle auch nicht unerw�hnt bleiben, dass alle Raketen der �Deutschen Raketengesellschaft e.V.� von den Mitgliedern der Gesellschaft in ihrer Freizeit ehrenamtlich gebaut wurden. Allerdings wurden sie von der einschl�gigen Industrie finanziell und materiell gut unterst�tzt und sie hatten �was heute in Deutschland kaum vorstellbar ist- auch den n�tigen Segen der Beh�rden!
Berthold Seliger und seine Raketen
1960 kam der Raketenbauer Berthold Seliger zur Deutschen Raketengesellschaft. Berthold Seliger wurde 1928 in Dauba im Sudetenland geboren und hat sich schon seit seiner fr�hesten Jugend f�r Physik interessiert. Mit 14 Jahren bekam er ein Stipendium in der Ingenieursschule von Mittweida in Sachsen. Nach Abschlu� seines Studiums wurde er Assistent des ber�hmten Theoretikers Professor Dr. Eugen S�nger.
1956 siedelte er nach Orsoy am Niederrhein, wo er eine Mopedwerkstatt aufmachte. Seine ersten beiden Raketen, die er als Mitglied der Deutschen Raketengesellschaft konstruierte waren zwei 3 Meter lange Postraketen vom Typ �Kumulus�, welche am 25.6.1961 von Sahlenburg zu einen 15 km entfernten Zielpunkt im Watt bei Sch�rhorn gestartet wurden.
Doch lag sein eigentliches Interesse in der Entwicklung von Raketen zur Erforschung der Hochatmosph�re: 1961 gr�ndete er eine eigene Firma, die �Berthold � Seliger - Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH� mit Sitz in Orsoy am Niederrhein, welche f�r die Entwicklung und den Bau der entsprechenden Versuchsger�te zust�ndig war. Am 19.11.1962 startete die �Berthold � Seliger - Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH� drei mit Messk�pfen ausger�stete neuentwickelte, einstufige Raketen, welche durch die Verwendung eines verbesserten Feststofftreibstoffes mehr als doppelt so hoch fliegen konnten als das Vorl�ufermodell �Kumulus�.
Diese Raketen wurden von einer mobilen Abschussrampe im Wattengebiet vor Arensch gestartet, wobei, wie bei den sp�teren Versuchen auch, die Bundeswehr wichtige Hilfsfunktionen �bernahm. Sie stellte nicht nur einen gepanzerten Wagen als Kommandostand zur Verf�gung, sondern war auch f�r die Absicherung des Luft- und Seegebietes und f�r die Bergung des wiederverwendbaren Flugk�rpers verantwortlich. Die Funksignale der Flugk�rper wurden erstmals auch von der Bochumer Sternwarte empfangen.
Start einer einstufigen Rakete der �Berthold � Seliger - Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH� (Quelle: Brosch�re der �Berthold - Seliger - Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft� erhalten in fotokopierter Form vom Deutschen Museum in M�nchen)
Technische Daten
Startschub: 49 kN
L�nge: 3,4 m
Gipfelh�he: 52 km
Die n�chste Aktion der �Berthold - Seliger - Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH� lie� nicht lange auf sich warten: am 7.2.1963 startete Berthold Seliger wieder drei seiner Raketen, darunter auch erstmals eine von seiner Firma entwickelte Zweistufenrakete. Wie bei den Versuchen im November 1962 wurden auch diesmal die Flugbahnen der Raketen u.a. auch von der Bochumer Sternwarte mit radiotechnischen Mitteln gr�ndlich vermessen. W�hrend die beiden Einstufenraketen H�hen von bis zu 52 km erreichten, schaffte die Zweistufenrakete eine Gipfelh�he von 80 Kilometern.
Doch Berthold Seliger war damit noch nicht zufrieden. Seine Gesellschaft arbeitete schon an einer Dreistufenrakete mit einer Gipfelh�he von 150 Kilometern, welche nicht lange auf sich warten lassen sollte: Am 2.5.1963 startete er erstmals diese Rakete, wenn auch noch nicht mit voller Treibladung.
Zuerst f�hrte er einen Flug mit einer seiner Einstufenraketen durch, um unter anderen die Windverh�ltnisse in der unteren Atmosph�re, welche zur Bestimmung der Flugbahn der Dreistufenrakete unerl�sslich waren, zu sondieren. Nachdem dieser Flugk�rper aus 50 km H�he an einen Fallschirm h�ngend im Wernerwald niederging, erfolgte kurz nach 16 Uhr der Start der Dreistufenrakete. Alles verlief nach Plan, der Flugk�rper erreichte eine H�he von �ber 100 Kilometern. Auch diesmal konnten seine Signale von der Sternwarte in Bochum empfangen werden. Zumindest die dritte Stufe mit den Messger�ten konnte nach dem Flug geborgen werden.
Start einer Dreistufenrakete der �Berthold � Seliger - Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH� (Quelle: Brosch�re der �Berthold � Seliger - Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft� erhalten in fotokopierter Form vom Deutschen Museum in M�nchen))
Technische Daten
Startschub: 49 kN
L�nge: 12,8 m
Gipfelh�he: 140 km
Trotz dieses Erfolges kamen zum ersten Mal auch warnende Stimmen von Seiten des Schiffahrtsamtes auf, denn Raketen dieses Kalibers, k�nnen f�r die Schiffahrt sehr gef�hrlich werden. Zwar wurden die Seefahrer per Funk davor gewarnt, die Niedergangsgebiete der Raketen zu befahren, doch wer konnte garantieren, dass die Raketen nicht au�er Kontrolle geraten und woanders niedergehen?
Nicht desto trotz gehen die Versuche weiter. Bis jetzt waren alle Raketenexperimente im Cuxhavener Wattengebiet seit 1957 rein ziviler Natur und es gab auch noch keinen Unfall...
Das Ende
Doch leider sollte es im Cuxhavener Wattengebiet nicht nur bei zivilen Experimenten bleiben: am 5.12.1963 gab die �Luftr�stungs - AG� ein Zusammenschlu� mehrerer Firmen der deutschen R�stungsindustrie eine Vorf�hrung vor ausl�ndischen Milit�rvertretern aus Nicht-NATO Staaten im Wattengebiet vor Cuxhaven. F�r diese Veranstaltung wurden Flugh�hen von 30 Kilometern genehmigt, wenngleich die vorgef�hrten Raketensysteme durchaus H�hen von bis zu 140 Kilometern erreichen konnten.
Obwohl deutsche Regierungsvertreter die Vorf�hrungen im Cuxhavener Wattengebiet als �uninteressant� abtaten und auch deshalb viele der angek�ndigten Milit�rbeobachter absagten, waren ausl�ndische Protestaktionen, insbesondere von Seiten der damaligen Sowjetunion unvermeidbar, denn in Deutschland h�tten nach alliierten Recht nur Raketen gebaut werden d�rfen mit einer Reichweite von bis zu 30 Kilometern. Man lie� die Versuche in Cuxhaven nur deshalb zu, weil sie bis dato frei von milit�rischen Aspekten waren!
Durch diese Aktion von Berthold Seliger war man den Raketenexperimenten im Cuxhavener Wattengebiet von offizieller Seite nicht mehr so zugeneigt wie zuvor. Trotzdem gingen sie 1964 zuerst einmal weiter. So wurden am 22.3.1964 zehn kleinere Versorgungsraketen gestartet und eine Rakete mit Schwenkfl�geln, die im Gleitflug landete, erstmals erprobt. Das dicke Ende kam am 6.6.1964. Die �Herrmann � Oberth � Gesellschaft�, so hie� die �Deutsche Raketengesellschaft� jetzt, wollte wieder eine Aktion mit Postraketen durchf�hren, wie sie sie schon �fters durchgef�hrt hat. Doch erhielt sie unerwarteter weise keine der n�tigen Genehmigungen: warum nicht?
Bei einer Raketenvorf�hrung von Gerhard Zucker in Braunlage im Harz hatte es einen Unfall gegeben, bei der ein Junge get�tet wurde. Obwohl Gerhard Zucker nie Mitglied der �Herrmann � Oberth � Gesellschaft e.V.� oder einer ihrer Vorl�uferorganisationen war und auch nicht mit diesen je kooperierte und die �Herrmann � Oberth � Gesellschaft e.V.� bei ihren Versicherungen ein hohes Ansehen besa�, weil es nie einen Unfall gab, war es nicht m�glich, die Beh�rden zu �berzeugen: man untersagte �obwohl der Unfall in Braunlage auf dem Boden passiert war- mit Argumenten des Luftrechts alle Raketenversuche bei denen Flugh�hen von �ber 100 Metern erreicht werden. Versuche mit geringeren Flugh�hen waren weiterhin erlaubt, doch solche Experimente waren f�r eine Gesellschaft, welche Raketen baute, die bis in die Hochatmosph�re vorsto�en konnten, nicht mehr interessant.
Man tr�stete die Vertreter der �Herrmann � Oberth � Gesellschaft e.V.�, dass der Startbetrieb wieder aufgenommen werden k�nnte, sobald neue Sicherheitsbestimmungen ausgearbeitet worden sind. Doch dies ist bis heute nicht geschehen...
Quellen zu den Raketenversuchen in Hespenbusch und Cuxhaven:
Diverse Informationsmaterialien des Deutschen Museums in M�nchen und des Herrmann � Oberth -Museum in Feucht Aufsatz von Frau Sonja Wolff �Cuxhaven � Im Zeitalter der Raketen� und diverse Presseartikel aus der �Cuxhavener Zeitung� zugesandt vom Stadtarchiv Cuxhaven Archiv der Gemeinde Gro�enkneten
http://www.modellraketen-forum.de/board/messages/23/6387.html http://www.astronautix.com/sites/cuxhaven.htm
Quellen zur Operation �Backfire�:
Raketenspuren von Volkhard Bode und Gerhard Kaiser Geschichte der Raumfahrt von Werner Buedeler http://www.v2rocket.com/start/makeup/backfire.html http://home.t-online.de/home/m.tegge/relikte/backfire/index.htm#ab1945 http://www.modellraketen-forum.de/board/messages/23/3767.html
Weitere Informationen �insbesondere zu den Raketenversuchen der Jahre 1957 bis 1964- nimmt der Autor gerne entgegen, e-Mail: Harald_der_Grosse@gmx.de.
Text und Fotos: Harald Lutz, 25.3.03
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