EMIL AUGUST, der war, was kein deutscher Mann je sein wollte (original) (raw)

EMIL AUGUST LEOPOLD VON SACHSEN-GOTHA-UND-ALTENBURG wurde am 23. November 1772 geboren und folgte seinem heute bekannteren Vater ERNST II. 1804 auf den Thron. Er nannte sich als Herzog: AUGUST, privat aber konsequent nur EMILE - f�r seine Vertrauten sogar: �EMILIE�! - Zweifellos z�hlt er zu den ungew�hnlichsten F�rstenpers�nlichkeiten in Deutschlands Geschichte. Einst ber�hmt, hat die deutsche (exklusiv m�nnliche) Geschichtsschreibung erreicht, diesen Mann vergessen oder zumindest l�cherlich zu machen. - EMIL AUGUST geh�rt durchaus jener tragikumwitterten Generation der um 1800 Jungen an, die, im Aufschwung von Aufkl�rung, Revolution und Klassik geboren, mit Elan in ein Leben st�rzten, das sie jedoch durch Restauration, Biedermeier und Nationalismus in die Kniee zwang.

EMIL AUGUST wuchs im geradezu jakobinerfreundlichen Fluidum des Gothaer Hofes auf und genoss die pflichtorientierte Ausbildung zum Regenten, wie sie in den Th�ringer Kleinstaaten �blich und bew�hrt war. Es verwundert nicht, in ihm einem leidenschaftlichen Verehrer NAPOL�ONS zu begegnen : er sah in dem Gleichaltrigen die Verk�rperung der idealen Befreiung Europas und war ganz folgerichtig bereit, auch selber von diesem abgeschafft zu werden (Rheinbund: 15. Dez. 1806). Wie GOETHE war er fasziniert von NAPOL�ONS Energie, Intelligenz und fortschrittlicher Gesetzgebung - die EMIL AUGUST aber nicht �bernahm.

In Gotha empfing er den Kaiser �fters. Eine originelle Kutsche, die er ihm schenkte (jetzt im Weimarer Schlo� Belvedere) k�ndet davon, wie auch das klassizistische Napoleonzimmer auf dem Gothaer Schlo� Friedenstein, das EMIL AUGUST ebenfalls selbst entworfen hatte.

Der Herzog als Luna (Mond), die vor der (m�nnl.: Sol) Sonne Napol�ons abnimmt ...:

- Foto: © O.Br�hl, 1997 -

- Deckenrelief im �Napoleonzimmer� des Schlosses Friedenstein, Gotha -

Er gab sich den Beinamen "Der Gl�ckliche". - So gl�hend der �pazifistische� Herzog und ungew�hnlich bewusste M�nnlichkeitskritiker seinen franz�sischen Helden bewunderte, so beweinte er doch NAPOL�ONS blutigen Weg. Alles Kriegerische und �M�nnische� (wie auch die Jagd) war diesem �Feministen� zutiefst verhasst; �berraschend f�r seine Zeit, liebte er: das Weibliche als erstrebenswertes Ideal und z�gerte durchaus nicht, sich mit Frauennamen zu schm�cken oder - in Damengarderobe zu erscheinen und seine Umgebung zu provozieren ... Er war zweimal gl�cklich verheiratet: mit LUISE VON MECKLENBURG und nach deren fr�hem Tod im Kindbett, mit KAROLINE VON HESSEN-KASSEL, die ihn 26 Jahre �berlebte.

Ebenso einmalig steht Gothas Herzog folglich als Verweigerer der HERRscher-Rolle da (PAUL DERKS, 1985), die ehrgeizig nichts als Gebietserweiterung und Rangerh�hung um jeden Preis verfolgt: in offenem Widerspruch zu den meisten seiner Duodez-Standesgenossen, m�hte er sich nie um dergleichen, weder als Proteg� NAPOL�ONs, noch auf dem Wiener Kongress. - Als Gotha 1806 direkt kriegerisch bedroht war, trotzte der Herzog seinen R�ten und den Bitten seiner zweiten Frau, KAROLINE, und: floh nicht. So ersparte er der Stadt Bombardement und Pl�nderung. Dies erkl�rt die treue Liebe der Bev�lkerung zu EMIL AUGUST, die auch gern bereit war, seine Extravaganzen zu entschuldigen. (GOETHE, in der benachbarten Residenz, harrte mit CHRISTIANE am Frauenplan w�hrend der Angriffe auf das im Stich gelassene Weimar aus. Nach den gemeinsam �berstandenen Todesgefahren entschloss sich GOETHE zur Heirat).

Bedeutung gewann EMIL AUGUST au�erdem als Dichter. 1805 publizierte er das Roman-Idyll KYLLENION - EIN JAHR IN ARKADIEN, mit dem er der Modeliteratur seiner Epoche einen poetischen Text entgegenwarf, der Aufkl�rung und �Griechentum� radikal beim Wort nahm. Innerhalb eines Liebes-Reigens wird die gl�ckliche Werbung eines J�nglings um dessen Freund ebenso geschildert, wie die selbstbewussten Eroberungen von jungen M�nnern durch M�dchen. (Einige der Gedichte daraus vertonte CARL MARIA VON WEBER). Eine autonome kulturelle Leistung, die v�llig einzig dasteht (1985 von PAUL DERKS im Berliner Verlag rosa Winkel als Reprint wieder publiziert, und mit einem pr�zisen Essay neubewertet), sie greift der Entwicklung �ber 150 Jahre voraus. Auch - oder gerade - f�r einen Thronfolger gewagt.

Mit MADAME DE STA�L (immerhin einer Feindin NAPOL�ONS) stand EMIL AUGUST im Briefwechsel, die ihn in Gotha besuchte und aufforderte, auf Weimar mit einem �Ein-Mann-Musenhof� zu reagieren. Er war mit JEAN PAUL befreundet, dieser widmete ihm das FREIHEITSB�CHLEIN : was absurderweise die Zensur der Jenaischen Universit�t auf den Plan rief und dies den Hohn der beiden M�nner. - EMIL AUGUST brillierte auf �hnlich �ppige Weise selbst in Rede und Briefen mit scharfem Wortwitz. BETTINA VON ARNIM (Frauen spielen eine zentrale Rolle in seinem Leben) schilderte des jungen Herzogs sarkastische Freigeisterei im FR�HLINGSKRANZ. Von ihr stammt das vielleicht lebendigste Portrait EMIL AUGUSTS: in ihrem G�NDERODE-Buch.

EMIL AUGUST berief LOUIS SPOHR zum Prinzipal des ber�hmten Gothaer Orchesters und den Maler GRASSI, er besch�ftigte TISCHBEIN, D�LL und HOUDON, empfing durchreisende K�nstler. Alle wurden reich belohnt: wie CARL MARIA v.WEBER, dessen Schulden er beglich. Dieser war vom Herzog �u�erst begeistert (Biografie von MAX v.WEBER) und widmete ihm sein 2. Klavierkonzert (Urauff�hrung am 17. 12. 1812 auf Schloss Friedenstein). - Vor allem: Gotha blieb ein Ort der Wissenschaftspublizistik und des vorbildlichen Schulwesens (SALZMANN). Ein Refugium f�r Denk- und Redefreiheit, ein Staat, von erstklassigen Ministern vern�nftig verwaltet (v.FRANKENBERG, v.LINDENAU).

F�r den liberalen Gothaer Journalisten ZACHARIAS BECKER trat der Herzog pers�nlich bei seinem Idol NAPOL�ON ein (was f�r einen deutschen F�rsten durchaus nicht ungef�hrlich war), als BECKER, der NAPOL�ON angegriffen hatte, infolge der franz�sischen Zensur entf�hrt und inhaftiert worden war.

Im Grunde mehr geistig als politisch interessiert, letztlich schweifend und egomanisch, verbl�fft dieses Herzogs gerade heute brisante Steuerpolitik: prozentual zum Einkommen! Und er beteiligte sich selbst mit dem ihm entsprechenden Anteil, etwas, was z.B. seinen unmittelbaren Nachkommen, der britischen K�nigsfamilie, immerhin erst jetzt vor einigen Jahren vom Parlament abgetrotzt werden konnte!

Nach der V�lkerschlacht bei Leipzig und im Zuge des Wiener Kongresses muss ihn die Resignation mit niederschmetternder Wucht ergriffen haben: manisch-depressives Verhalten nahmen bei EMIL AUGUST zu, in wachsender Realit�tsferne verschuldete er sich privat aufgrund seiner Sammelleidenschaft enorm (der Fiskus blieb, wie die Akten belegen, stets unber�hrt) und zog sich, nach der Heirat seiner aus erster Ehe stammenden Tochter LOUISE vereinsamt, fast v�llig zur�ck.

Als Napoleonide stand EMIL AUGUST fremd zwischen den F�rstenh�usern Deutschlands, war aber auch den freiheitlich-b�rgerlichen Kr�ften verp�nt. Deutscht�melei war ihm, wie GOETHE, fremd und unangenehm, so verbat er der Deutschen Burschenschaft 1817 sein Hoheitsgebiet f�r ihr Fest (das daraufhin auf der Wartburg stattfand, die Weimar geh�rte). Der junge m�nnlichkeitsprotzende Nationalismus und dessen pr�de Gelehrten verziehen dem Gothaer seine Neigungen nie und nur zu bequem konnten sie wiedereinmal Frankophilie und �Weibischkeit� zusammenrechnen, um die Karikatur des �unm�nnlichen� (d.h. �undeutschen� !) F�rstensonderlings zu pr�sentieren. Und sich damit eine tiefere Auseinandersetzung sparen.

Noch keine 50, starb EMIL AUGUST pl�tzlich aus nie gekl�rten Ursachen am 17. Mai 1822. Sein Schwiegersohn, der autorit�re METTERNICH-Freund ERNST VON SACHSEN-COBURG, riss sp�ter das Gothaer Herzogtum keineswegs rechtm��ig an sich. Tochter LOUISE wurde anschlie�end versto�en und starb verarmt 1830 in Paris, ihr Sohn ALBERT heiratete 1840 in London Queen VICTORIA (deren Mutter aus der Linie Sachsen-Coburg-Saalfeld stammte) und machte EMIL AUGUST so zu einem Urahn der heutigen Windsors. - EMIL AUGUST liegt, nach Art der Freimaurer, auf der Parkteichinsel des Gothaer Parks neben seinem Vater ERNST II. bestattet. Die Gr�ber sind ver�det. - In Gotha erinnert heute nichts mehr an seinen einstigen Besch�tzer.

Alle Rechte vorbehalten! © Olaf Br�hl, 1997


zuerst publiziert unter: Emil August - der "peinliche" Herzog in: TH�RINGISCHE ALLGEMEINE,
Sonnabend, 22. November 1997


Ein Filmprojekt �ber den
Herzog Emil August von Sachsen-Gotha-und-Altenburg
ist f�r 2015 in Vorbereitung

Am Dienstag, 25. September 2007 fand im B�rgersaal des Gothaer Rathauses eine Pr�sentation f�r das Kulturforum "Die Loge" statt Die Moderation hatte der Gothaer OB Knut Kreuch

Portrait von Joseph Grassi (Schlossmuseum Gotha) / Foto: © O. Br�hl, 1997

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Kammer auf Schloss Friedenstein / Foto: © Monika Wilde, Gotha 2001