Die Kreuzotter (Vipera berus) (original) (raw)
Die Kreuzotter
(Vipera berus)
Ihren deutschen Namen verdankt die Kreuzotter wohl dem breiten Zickzackband auf ihrem Rücken bzw. auf ihrem "Kreuz". Der lateinische Gattungsname _Vipera_weist (als Verkürzung von vivipara) auf die Fortpflanzungsweise der lebendgebärenden Kreuzotter hin. Möglicherweise deutet hierauf auch der Artname berus, der dem germanischen „baere“ (gebären) entlehnt sein könnte.
Kennzeichen der Kreuzotter
Häutungsrest einer Kreuzotter.
Foto: Ina Blanke
Der Kopf ist deutlich vom kräftigen Körper abgesetzt und mit nur kleinen Schildern bedeckt. Die Kopfoberseite trägt häufig X- oder V-förmige Zeichnungen.
Typisch ist ein brauner oder grauer (etliche Männchen, zumindest zeitweise) Rücken, auf dem ein dunkles und zusammenhängendes Zickzackband verläuft. Gelegentlich treten zeichnungslose, einfarbig rötliche oder schwarze Tiere auf. Die vorgewölbten Schilder über den Augen und die schlitzförmige Pupille verleihen der Kreuzotter ein grimmiges Aussehen. Die Rückenschuppen sind gekielt.
Erwachsene Kreuzottern erreichen Längen zwischen 35 und 90 cm.
Verbreitung:Die Kreuzotter besiedelt ein riesiges Areal, das sich über rund 150 Längen- und 28 Breitengrade erstreckt ( Verbreitungskarte der IUCN ). Es reicht von der Westküste Großbritanniens und Frankreich über Europa und das gemäßigte Asien bis zur Insel Sachalin im Ochotskischen Meer (nördlich von Japan). Die südlichsten Vorkommen liegen in Griechenland, die nördlichsten in Lappland und Nordkarelien. In Finnland und Norwegen wird der Polarkreis überschritten.
Das europäische Verbreitungsgebiet entspricht im Wesentlichen dem der ebenfalls lebendgebärenden Waldeidechse, im asiatischen Teil Russlands ist das Areal der Kreuzotter hingegen schmaler. In nördlichen Breiten kommt die Kreuzotter auch in tieferen Lagen vor, dabei bildet das niedersächsische Tiefland einen der wenigen Verbreitungsschwerpunkte der Art in Deutschland. Lebensräume:
Im norddeutschen Tiefland liegen die wichtigsten Lebensräume der Kreuzotter in den verbliebenen Moorgebieten und ihren Randbereichen. Auch verbuschte Heiden, Waldränder und -lichtungen stellen wichtige Habitate dar. In den Mittelgebirgen werden ebenfalls Moore und ihre Randbereiche, Waldränder und Waldlichtungen besiedelt. In Süddeutschland werden zudem dealpine Flussauen, Blockschutthalden und Wacholderheiden bewohnt. In den Alpen ist die Kreuzotter in Fels- und Geröllfluren oberhalb der Waldgrenze, auf alpinen Wiesen, in Zwergstrauchheiden, der Krummholzzone sowie and Waldrändern zu finden.
Folgende Merkmale zeichnen gute geeignete Lebensräume der Kreuzotter aus:
- Viele Rand- und Übergangsstrukturen (Gebüsche etc.), die gut erwärmbar sind und gleichzeitig Schutz vor zu hohen Temperaturen bieten. Ideal sind bis zum Boden beastete Nadelbäume (z. B. junge Kiefern)
- Ein Mosaik aus niedrigen und höherwüchsigen Pflanzen und offenen Flächen mit vielen Verstecken
- Ein gut erwärmbarer Untergrund (Rohhumus, Torf, Altgras, trockene Moospolster)
- Liegendes Totholz oder Baumstubben dienen als Sonnenplatz und Tagesversteck
- Hohlräume unter Steinen, in Moospolstern oder Mauselöchern dienen ebenfalls als Tagesversteck
Lebensweise:
Im zeitigen Frühjahr verlassen die Männchen die Winterquartiere. Dies ist oft bereits Ende Februar oder Anfang März der Fall. In den folgenden Wochen sonnen sie sich an windgeschützten und wärmebegünstigten Plätzen in unmittelbarer Nähe der Winterquartiere, dabei reifen ihre Spermien. Dieser Prozess ist mit der Frühjahrs- oder Hochzeitshäutung abgeschlossen. Die Männchen machen sich nun auf die Suche nach paarungsbereiten Weibchen, die zwischenzeitig ebenfalls die Überwinterung beendet haben. Mit ihnen verlassen auch die Jungtiere und die nicht paarungsbereiten Weibchen die Winterverstecke.
Die Paarungen beginnen oftmals Ende April oder Anfang Mai und erfolgen an traditionellen Paarungsplätzen, zu denen die Tiere zielgerichtet wandern. Die Männchen suchen dort aktiv nach Weibchen und folgen deren Duftspuren.
Kommentkampf.
Foto: Thomas Duncan Bradley
Die Weibchen lassen während der Paarungszeit ihre Eier reifen und verbringen hierfür viel Zeit mit Sonnen; sie halten sich oft auf nur wenigen Quadratmetern großen Plätzen auf. Werden sie von Männchen gefunden, so erfolgt eine Balz nach festen Spielregeln. Dabei kann es stunden- oder gar tagelang dauern, bis ein Weibchen die Paarung zulässt.
Oftmals wird die Balz durch andere Männchen gestört, die rivalisierenden Männchen führen dann ritualisierte und unblutige Kommentkämpfe aus. Bei diesem Kräftemessen umschlingen sich die Gegner mit ihren (meist aufgerichteten) Oberkörpern und versuchen sich gegenseitig wegzustoßen. Normalerweise gewinnt hierbei das schwerere Männchen, welches den fliehenden Unterlegenen noch einige Meter weit verfolgt.
Nach dem Ende der Paarungszeit suchen die Männchen oft spezielle Sommerlebensräume auf, in denen auch die sich nicht fortpflanzenden Tiere anzutreffen sind.
Der Sommer steht für die Männchen und die sich nicht fortpflanzenden Weibchen und Jungtiere ganz im Zeichen der Nahrungsaufnahme.
Wichtige Posten auf dem Speiseplan von Kreuzottern stellen Frösche, Kleinsäuger wie Mäuse und Eidechsen dar.
Die trächtigen Weibchen bleiben dagegen am oder in der Nähe des Paarungsplatzes, der so zum Brutplatz wird. Sie sind wenig aktiv, sehr ortstreu und oft zu mehreren anzutreffen. Nahrung nehmen die trächtigen Weibchen nur auf, wenn Beutetiere zufällig in ihre Nähe kommen.
Die Brutplätze sind mikroklimatisch begünstig, die trächtigen Weibchen versuchen, möglichst viel Strahlungswärme aufzunehmen. Je besser dies ihnen gelingt, umso kürzer ist die Tragzeit.
Kreuzotter-Weibchen am Brutplatz
Foto: Ina Blanke
Die Geburten erfolgen meist ab Mitte August, ausnahmsweise auch schon ab Juli. Sie erstrecken sich oftmals bis in den Oktober, bei späten Geburten ist der Anteil totgeborenen Schlangen deutlich erhöht; in sehr ungünstigen Jahren können die Jungtiere ausnahmsweise auch erst im folgenden Frühjahr geboren werden. Die Jungschlangen werden in der Regel in durchsichtiger Eihüllen geboren, die sie anschließend durch kräftige Bewegungen sprengen.
Die Wurfgrößen schwanken zwischen 4 und bis zu etwa 20 Tieren, die Mittelwerte zwischen 6,5 und 10,6 Schlangen pro Wurf. Mit steigender Größe des Weibchens steigt auch die des Wurfes; wichtig ist auch der Ernährungszustand im Jahr vor der Trächtigkeit.
Beim Erreichen der Geschlechtsreife mit 4 oder 5 Jahren kehren Kreuzottern oft an ihre Geburtsorte zurück; was zu einer traditionellen Nutzung der Paarungsplätze als Treffpunkt der paarungsbereiten Tiere einer Population führt.
Typischerweise pflanzen sich Weibchen der Kreuzotter nur in jedem zweiten Jahr fort, das oder die dazwischenliegenden Jahre benötigen sie, um sich ausreichende Energiereserven anzufressen.
Das Jahr der Kreuzotter endet mit dem Aufsuchen der Winterquartiere. Sind die Schlangen in deren Nähe angekommen, verbringen sie nochmals einige Tage oder Wochen mit intensivem Sonnen. Im September oder Oktober ziehen sie sich dann meist endgültig zurück.
Das Gift und Kreuzotter-Bisse
Bekanntlich ist die Kreuzotter eine Giftschlange. Ihre Giftzähne funktionieren ähnlich Injektionsnadeln. Sie werden für den Biss aufgerichtet, in Ruhe sind sie nach hinten gerichtet in Schleimhautfalten abgelegt. Das Gift dient zum Töten und Vorverdauen der Beutetiere, bei Gefahr wird es auch zur Verteidigung eingesetzt.
Kreuzottern greifen niemals von sich aus Menschen oder größere Tiere an, sondern beißen nur, wenn sie ergriffen oder getreten werden. Entsprechend erfolgen die Bisse meist in die Hand, den Fuß oder Knöchel; sie sind also bei entsprechender Vorsicht (festes Schuhwerk und lange Hosen, Schlangen nicht anfassen) gut zu vermeiden. Beim ersten Abwehrbiss oder Scheinbiss wird in mehr als der Hälfte der Fälle gar kein Gift eingesetzt.
Kreuzotter mit aufgestellten Giftzähnen.
Aus BAIL 1896
Der Biss wird als schmerzhaft, ähnlich einem Wespenstich, empfunden. Es gibt aber auch Fälle, in denen er kaum wahrgenommen wird. Typische Symptome sind Schwellungen und Rötungen im Bereich der Bissstelle. Auch Übelkeit, Erbrechen, Krämpfe, Atemnot, Blutungen und weitere Beschwerden können auftreten. Gefährliche Komplikationen treten oft infolge von Schockzuständen und allergische Reaktionen auf, diese sind teilweise weniger auf das Gift selbst und vielmehr auf die verabreichten Antiseren zurückzuführen.
Beim Giftbiss werden meist nicht mehr als 10 mg Gift eingesetzt, die tödliche Dosis für durchschnittlich schwere Erwachsene liegt bei etwa 75 mg. Entsprechend treten Todesfälle überaus selten auf.
Im Falle eines Bisses sollte man :
- Ruhe bewahren
- Versuchen, die Schlange zu identifizieren - auch ungiftige Schlangen beißen
- Die Bissstelle nicht aussaugen, aufschneiden, ausbrennen. Auch auf andere Hausmittel wie dem Konsum von Alkohol sollte unbedingt verzichtet werden
- Körperliche Anstrengungen vermeiden
- Einen Arzt aufsuchen
- Ein Gegengift (Antivenom) sollte nur bei schweren Fällen eingesetzt werden.
- Und die wichtigste Regel noch mal: Ruhe bewahren
Da Schlangen normalerweise schon bei Erschütterungen, wie sie durch kräftiges Auftreten erzeugt werden, fliehen und sich Bisse durch entsprechende Kleidung und Vorsicht (insbesondere beim Sammeln von Pilzen und Beeren) vermeiden lassen, ist die Furcht vor Schlangenbissen meist unbegründet.
Aufgrund der schlechten Bestandssituation ist vielmehr eine Sorge UM Kreuzottern angebracht.
Vorsicht Kreuzotter! Foto: Mathias Fischer
Gefährdung:
Die Kreuzotter wird bundesweit sowie in allen Bundesländern, in denen sie vorkommt, auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten geführt. In Niedersachsen und auf Bundesebene gilt sie als "stark gefährdet", in anderen Bundesländern ist die Kreuzotter sogar vom Aussterben bedroht.
Wie andere (Reptilien-) Arten werden Kreuzottern durch die Vernichtung oder die Zerschneidung ihrer Lebensräume gefährdet. Hier wären beispielsweise der Verlust von Freiflächen in Wäldern oder der industriellen Torfabbau als Ursachen zu nennen. Zudem kann schon der Verlust von Schlüsselhabitaten wie den Brutplätzen (z. B. durch Aufforstungen von Waldlichtungen) zum Erlöschen der Bestände führen.
Typische Lebensräume von Kreuzottern sind Moore und Heiden. Solche Lebensräume werden in Schutzgebiete zunehmend beweidet. Beweidung wurde auf der jüngsten Kreuzotter-Tagung in Wales (The Vanishing Viper: themes from a meeting to consider better conservation of Vipera berus) von zahlreichen Referenten als sehr nachteilig eingeschätzt. Schon zuvor waren nachteilige Effekte insbesondere durch Beweidung von Pfeifengras und höherwüchsiger Besenheide bekannt (Zusammenstellung bei BLANKE 2019).
Beeinträchtigungen in eher offenen Lebensräumen sind umso gravierender, als dass (Teil-) Habitate von Reptilien in vielen Wälder schon verschwunden sind (z. B. durch Beschattung oder Aufforstung von Waldlichtungen). Noch immer werden Kreuzottern, andere Schlangen und auch Blindschleichen mutwillig getötet und insbesondere ihre Lebensräume kontinuierlich vernichtet.
Weitere Informationen zur Gefährdungund zum Schutzvon Reptilien.
Verwendete und weiterführende Literatur
BAIL, T. (1896): Neuer methodischer Leitfaden für den Unterricht in der Zoologie. – Leipzig (Reisland).
BLANKE, I. (2019): Pflege und Entwicklung von Reptilienhabitaten – Empfehlungen für Niedersachsen. – Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen 38 (1/19): 1-80.
JULIAN, A. & R. HODGES (2019): The Vanishing Viper: themes from a meeting to consider better conservation of Vipera berus. - The Herpetological Bulletin 149, 2019: 1-10.
MILTON, N. (2022): The secret life of the adder: The vanishing viper. - Barnsley (White Owl).
PRESTT, I. (1971): An ecological study of the viper Vipera berus in southern Britain. - Journal of Zoology 164: 373-418.
SCHIEMENZ, H. (1995): Die Kreuzotter: Vipera berus. - Magdeburg (Westarp Wissenschaften).
VÖLKL, W. & B. THIESMEIER (2002): Die Kreuzotter. - Bielefeld (Laurenti).