The Troubles - Geschichte des Nordirland-Konflikts (original) (raw)
Es ist schwierig festzustellen, ab wann die Geschichte Irlands zur Vorgeschichte des Konflikts (The Troubles) wurde. Er begann im Prinzip bereits im Mittelalter. Der entscheidende Faktor der Troubles ist die britische Pr�senz in Nordirland, die mit der normannischen Invasion im Jahre 1169 ihren Anfang nahm, mit der Ernennung Heinrichs VIII. zum K�nig von Irland (1541) konsolidiert wurde, und die mit dem Act of Union 1800 ihren H�hepunkt fand.
In allen Jahrhunderten, vor allem im 19. und 20. Jahrhundert, gab es zahlreiche Befreiungsversuche, die alle, abgesehen vom englisch-irischen Krieg 1919-1921, scheiterten. Neben der britischen Herrschaft �ber Irland war ein weiterer entscheidender Faktor die Besiedelung Irlands, vor allem des nord�stlichen Teils der Insel, durch britische und schottische Siedler. Die N�he zu Schottland (Meerenge des North Channel) beg�nstigte die Ansiedlung im Nordosten.
Die Iren waren gegen�ber der britischen Bev�lkerung stets benachteiligt. Zahlreiche Gesetze wurden erlassen, welche die wirtschaftliche Entwicklung der Iren hemmten und zur Verarmung eines Gro�teils der Bev�lkerung f�hrte. Beispielsweise gab es ein Handelsverbot mit britischen Kolonien und ein Exportverbot f�r Vieh. Hinzu kamen zahlreiche religi�se Konflikte, denn die Iren bekannten sich zum katholischen Glauben, die Briten dagegen geh�rten gr��tenteils der Anglikanischen Kirche an, bzw. sp�ter der Protestantischen Kirche. Wie sehr private Interessen die Geschicke eines Landes beeinflussten, beweist die Gr�ndung der Anglikanischen Kirche. Heinrichs VIII. schied sich vonKatharina von Aragon und heiratete Anna Boleyn. Da dies unter katholischem Kirchenrecht nicht m�glich war, verf�gte Heinrich VIII. einfach die Trennung von Rom und gr�ndete eine unabh�ngige Staatskirche (Church of England), deren Oberhaupt er selbst wurde (Supreme Act 1542) und aus der die bis heute in Gro�britannien vorherrschende Anglikanische Kirche hervorging.
1649 starben 11.000 britische Siedler w�hrend eines irischen Aufstandes. 1689, w�hrend eines erneuten Aufstandes, wurde die Stadt Derry von den Iren belagert. Diese Belagerung gilt noch heute bei den Briten als der Inbegriff der Bedrohung der britischen Protestanten durch die irischen Katholiken. Die �berwindung der Belagerung und die R�ckgewinnung des abtr�nnigen Irland durch Wilhelm von Oranien in der Battle of the Boyne (1. Juli 1690) wird bis zum heutigen Tag allj�hrlich mit gro�em Aufwand von den Unionisten, der Oranier-Orden ist dabei die aktivste Vereinigung, gefeiert. Jedes Jahr finden in den Sommermonaten in einigen Ortschaften Nordirlands Paraden der Oranier statt, die bisher auch durch katholische Stadtviertel verliefen. Diese M�rsche durch die katholischen Viertel, in Portadown Anfang Juli, inDerry (bzw. Londonderry f�r die Briten) am 12. August, waren in Vergangenheit und Gegenwart oft Anlass zu teils blutigen Ausschreitungen.
Die nach der Niederschlagung des Aufstandes von 1689 folgenden Strafma�nahmen gegen die Katholiken (enthalten in den Penal Laws) f�hrten im 17./18. Jahrhundert zu einer weitgehenden Entrechtung der Iren. Der Zugang zu �ffentlichen �mtern war auf Anh�nger der Anglikanischen Kirche beschr�nkt. Der Grundbesitz wanderte kontinuierlich in protestantische H�nde (um 1600: irischer Grundbesitz 90 %, um 1700: nur noch 10 %). Am Ende des 18. Jahrhundert wurden zahlreiche Unabh�ngigkeits- und loyalistische Bewegungen gegr�ndet. Nach einer erneuten Rebellion im Jahre 1798 schaffte der Act of Union (1800) die noch verbliebenen begrenzten Mitspracherechte der Iren ab. Das Dubliner Parlament wurde aufgel�st, so dass von nun an die Gewalt �ber Irland in London lag.
Die wirtschaftliche Lage der Iren wurde Mitte des 19. Jahrhunderts immer unertr�glicher. Der Keim f�r die nationalistischen Organisationen waren die Hungerjahre der Great Famine (1845-1852), ausgel�st durch eine Kartoffelkrankheit, die alle Kartoffeln verfaulen lie� und die sich �ber die ganze Insel ausbreitete. In Folge der Hungerjahre wanderten viele Iren nach Nordamerika aus. Die Bev�lkerung nahm um die H�lfte ab. Noch heute hat sich Irland nicht von diesem Schlag erholt; zahlreiche Ruinen verlassener H�user aus dieser Zeit pr�gen vor allem im Westen noch die Landschaft der Insel.
Anfang des 20.Jahrhundert sahen die Briten ein, dass den Iren die Unabh�ngigkeit nicht l�nger vorenthalten werden konnte. Es gab drei M�glichkeiten:
- Irland bleibt bei Gro�britannien, was B�rgerkrieg bedeutet h�tte; dies schied also aus.
- Ganz Irland wird unabh�ngig, dagegen waren die protestantischen Unionisten; dies schied also ebenfalls aus.
- Irland wird geteilt, was den Weg des geringsten Widerstandes entsprach.
Die Unabh�ngigkeit musste allerdings erk�mpft werden; es kam zum Krieg mit England. Der Ausl�ser des Krieges war die Unabh�ngigkeitserkl�rung (21.01.1919) durch die irischen Unterhausabgeordneten, die sich in Dublin als irisches Parlament konstituierten (am 1. Januar 1919). Er w�tete bis 1921.
Am 7.12.1922 wurde einem Friedenvertrag mit Gro�britannien im D�il Eireann, demirischen Parlament, mit knapper Mehrheit zugestimmt. Seit Juli 1921 bestand ein nordirisches Parlament in Belfast, dass sich am 7. Dezember 1922 f�r den Verbleib bei Gro�britannien aussprach. Am 16.01.1923 wurde dem Freistaat Irland die (eingeschr�nkte) Souver�nit�t �bergeben. Die vorl�ufige Grenze zu Nordirland wurde 1925 von den drei beteiligten Parteien anerkannt. Versuche der Iren, den Grenzverlauf zu korrigieren, scheiterten im Vorfeld.
Die Teilung des Landes hat Irland bis vor kurzem als vorr�bergehend betrachtet. 1936 wurde beispielsweise die formal-theoretische Zust�ndigkeit von irischer Regierung und Parlament auf Nordirland ausgedehnt. Im Art. 2 der irischen Verfassung hei�t es: "The national territory consists of the whole island of Ireland, its islands and seas." Die Bev�lkerung der Republik Irland hatte erst k�rzlich in einem Referendum, das Teil der Karfreitags�bereinkunft von 1998 war, ihre Verfassung dahingehend ge�ndert, dass vom S�den nun kein direkter Anspruch mehr auf die sechs Grafschaften im Norden geltend gemacht wird (FAZ vom 30.06.2001).
1948 trat Irland aus den Commonwealth aus und wurde zur Republik. Nordirland bekam 1921 schlie�lich ein eigenes Parlament, das Stormont, und weitgehende Selbstverwaltungsrechte, selbstverst�ndlich mit protestantischer Mehrheit. Nordirland war also in gewisser Weise autonom. Binnen weniger Jahre verebbte der bewaffnete Widerstand der Iren (vor allem der der IRA - Irish Republican Army) und es begann eine 40 Jahre w�hrende Zeit - vermeidlicher - Ruhe und Stabilit�t, welche mit den B�rgerrechtsbewegungen Ende der 60er Jahre endete.
Die katholische Minderheit wurde passiv ignoriert und aktiv ausgegrenzt. Das beweist z.B. das Kommunalwahlrecht, welches eine Art Zensurwahlrecht war. Die Wahlberechtigung war an Hausbesitz und Steueraufkommen gekn�pft. Ein Unternehmer - i.d.R. ein Protestant - konnte beispielsweise bis zu sechs Stimmen bekommen. Sozialschwache Personen - gr��tenteils Katholiken - bekamen im ung�nstigen Fall gar keine Stimme. Au�erdem wurden die Wahlkreise manipuliert, d.h. die Wahlkreise wurden so zugeschnitten, dass eine m�glichst gro�e Zahl von Katholiken in einem Wahlkreis zusammengefasst wurde, w�hrend in protestantisch dominierenden Gebieten Wahlkreise mit m�glichst geringer Einwohnerzahl eingerichtet wurden.
1968 wurden weitere friedliche B�rgerrechtsbewegungen der Katholiken von den Protestanten im Keim erstickt. Am 14. August 1969 intervenierte Gro�britannien mit Truppen in Nordirland. Sie �bernahmen von nun an die Aufgabe der Terrorismusbek�mpfung, da die Lage von der Polizei allein nicht mehr beherrschbar war. Anfangs waren in Nordirland nur 2.000 Soldaten stationiert, welche bis 1972 auf 21.000 erh�ht wurden. Erst Ende der 70er Jahre wurde die Zahl der Soldaten wieder abgebaut.
In Derry, jener nordirischen Stadt, die die protestantischen Bev�lkerung Londonderry nennt, kam es am 5. Oktober 1969 zu entg�ltigen Ausbruch des B�rgerkrieges: Die Bewohner des Katholikenviertels Bogside riegelten ihr Stadtteil ab, nachdem die Polizei eine verbotene Demonstration der B�rgerrechtsbewegung auseinandergekn�ppelt hatte. Sie lieferten sich tagelang eine Schlacht gegen die - protestantische - Polizei (RUC - Royal Ulster Constabulary) und die British Army (CNN - Explosions rock British Army headquarters in N. Ireland - 7. Oktober 1996). Diese blutige Schlacht ging als "Battle of the Bogside" in die Geschichte ein. In 25 Jahren B�rgerkrieg hat sich Derry in fast ausschlie�lich katholische und protestantische Ghettos geteilt, die der Flu� Foyle voneinander trennt - die protestantische Waterside und katholische Viertel wie die Bogside oder Greggan.
Am 30. April 1970 wurden die sogenannten B-Specials, eine Sondereinheit der RUC, aufgel�st. Diese rein protestantischen Polizeitruppen hatten das "Recht", ohne Durchsuchungsbefehl Wohnungen zu durchsuchen und ohne Haftbefehl Menschen festzunehmen. Damit wurde zum ersten Mal eine Forderung der katholischen Minderheit erf�llt. Im M�rz 1972 wurde von London das Parlament in Belfast aufgel�st (Northern Ireland Temporary Provisions Act) und die nordirischen Angelegenheiten wurden einem Nordirland-Minister �bertragen.
Der Terror aber nahm kein Ende: Am 30. Januar 1972 erschossen britische Soldaten 14 unbewaffnete B�rgerrechtler, am sogenannten Blutsonntag von Derry (Bloody Sunday).
Seit dem starben viele Menschen durch Bomben der IRA und militanter Protestanten oder erschossen durch die British Army und die RUC, bis im September 1994 der politische Arm der IRA, Sinn F�in (wir selbst), einen einseitigen Waffenstillstand ausrief und somit den Weg f�r Allparteiengespr�che ebnete. Dieser Waffenstillstand endete Anfang 1995, als in London wieder einmal Menschen durch IRA-Bomben umkamen. Dass die IRA nicht nur in Gro�britannien aktiv ist, sondern auch in der Bundesrepublik, beweisen Anschl�ge auf britische Milit�reinrichtungen in Deutschland. Zur Fu�balleuropameisterschaft 1996 explodierte im Stadtzentrum von Manchester eine Bombe, was zeigt, dass die IRA vor nichts zur�ckschreckt, um ihre Forderungen durchzusetzen und um auf sich aufmerksam machen. Erkl�rtes "Kriegsziel" der IRA, welches als politisches Ziel von_Sinn F�in_ geteilt wird, ist es, die als Besatzung empfundene britische Pr�senz in den sechs Grafschaften Nordirlands abzusch�tteln und eine Vereinigte Irische Republik zu schaffen. Den Unionisten gilt die Zugeh�rigkeit zum Vereinigten K�nigreich dagegen als unantastbar (FAZ vom 30.06.2001).
Heute leben in Nordirland etwa 600.000 Katholiken und 900.000 Protestanten. Das gr��te Problem, welches vor allem den sozialen Z�ndstoff in sich birgt, ist die Massenarbeitslosigkeit. Im Schnitt sind in Derry 36 % der Katholiken arbeitslos, aber nur 14 % der Protestanten. In anderen St�dten sieht es �hnlich aus. Die schlechte wirtschaftliche Situation ist letztendlich auf die Troubles zur�ckzuf�hren. Sie verhindern die Investitionen. Der britische Nettotransfer nach Nordirland betr�gt etwa 3 Mrd. Pfund im Jahr. Das entspricht bei einer Einwohnerzahl von nur 1,5 Mio. etwa 2.000 Pfund pro Kopf und Jahr.
Quellen:
Elvert, J�rgen: Geschichte Irlands, Deutscher Taschenbuch Verlag, 3. aktualisierte Auflage, M�nchen, 1999
Morrison, Danny: Troubles - Eine politische Einf�hrung in die Geschichte Nordirlands, M�nster, 1997
Neumann, Peter: IRA - Langer Weg zum Frieden, 1999
Bittner, Jochen; Knoll, Ludwig Christian: Ein unperfekter Frieden - Die IRA auf dem Weg vom Mythos zur Mafia, 2000
Entscheidungstheorie :
Dass der Nordirland-Konflikt auch interessant ist f�r Entscheidungstheoretiker, beweist ein Aufsatz von Joyce M. Alexander: "An Analysis of Conflict in Northern Ireland", in: Golden/Wasil/Harker (Hrsg.): The Analytic Hierarchy Process, Springer-Verlag, Berlin, 1989, S. 225-241. Er enth�lt u.a. auch eine �bersicht �ber Studien zu politischen Konflikten, die modelltheoretisch aufbereitet wurden; zu Nordirland gab es in den 70er und 80er Jahren Studien.
Links:
ZDF-Archiv zum Thema "Der Nordirland-Konflikt"
History of the North of Ireland (Irish History on the Web)
The British Military Garrison in Ireland
Belfast Telegraph Online
City of Belfast
An Phoblacht/Republican News
ERRI - Counter Terrorism Archives
Northern Ireland Executive
The Northern Ireland Conflict (CAIN Web Service)
NIDEX - Northern Ireland Index (Nordirland Web-Portal)
University of Ulster
Irland-Infos (www.irland-die-gruene-insel.de)
University of Ulster
BelfastNet Melough, Camon: Protography, Gallery Elliott, Sidney; Flackes, W.D.: Northern Ireland - A Political Directory - 1968-99 Sutton, Malcom: An Index of Deaths from Conflict in Ireland, 1969 -1993
Der Nordirland-Konflikt - Friedenspolitischer Ratschlag (Kassler Friedensforum)
Friedensplan nach 300 Jahren Nordirland-Konflikt (wiesbaden-online.de)
Nordirland-Konflikt
Der Nordirland-Konflikt - Ursachen, Charakter, Verlauf des Konfliks in Nordirland (Derriere.de)
Der B�rgerkrieg in Nordirland (www.kriesen-und-konflikte.de)
Vergangenheitsbew�ltigung als Tabu (Seminararbeitarbeit, Europauniversit�t Vidrina)
Die Frage der Waffen in Nordirland (von Catriona Ruane, Centre for Research and Documentation, Belfast)
Der Nordirlandkonflikt - Ursachen, Konfliktverlauf, Folgen (Sibilla-Egen-Schule, Schw�bisch-Hall)
Nordirland in den Sechzigern (von Johannes St�ger)
Dokumente zum Nordirland-Abkommen von 1998 (Deutsche Gesellschaft f�r Ausw�rtige Politik)
ARTE-Dokumentation von 1999:Die Soldaten der IRA Text zum Nordirlandkonflikt (Historisches Institut der RWTH Aachen) Peacelines.de - Bilder zum Nordirland-Konflikt
Nationalisitische und terroristische Organisationen in Nordirland:
Provisional Irish Republican Army - PIRA Continuity Irish Republican Army - CIRA Loyalist Volunteer Force - LVF (Naval Postgraduate School)
Real IRA
New Irish Republican Army - NIRA Continuity Irish Republican Army CIRA Irish National Liberation Army - INLA People's Liberation Army - PLA People's Republican Army - PRA Catholic Reaction Force - CRF (Intelligence Ressource Program, Federation of American Scientists)
Protestant Loyalist Apprentice Boys Oranier Orden
Was ist der Oranier Orden?
www.orangenet.org