Literatur: Köhler würdigt Kempowski als Volksdichter (original) (raw)

Berlin - Kempowski sei ein Volksdichter, weil sehr viele Menschen seine Werke läsen und weil "er wie kein anderer das Volk selbst zum Sprechen gebracht hat", erklärte Köhler in Berlin. Der schwerkranke Kempowski hatte seine Teilnahme abgesagt, die Eröffnung aber als schönsten Augenblick seines Lebens bezeichnet. Seine Frau Hildegard und sein Sohn wollten ihn in Berlin vertreten.

Kempowski ist vor allem für sein zehnbändiges Werk "Das Echolot" mit Dokumenten aus den Jahren 1941 bis 1945 berühmt. Dem breiten Publikum in Deutschland bekannt wurde er mit seinem - später verfilmten - autobiografischen Roman "Tadellöser & Wolff".

Köhler zeigte sich beeindruckt von der Ausstellung mit dem Titel "Kempowskis Lebensläufe". "Hier ist eine Welt, ein ganzer Kosmos zu besichtigen", erklärte der Präsident laut seinem vorab verbreiteten Redetext. Unter anderem werden Manuskripte und Erinnerungsstücke wie die erste Schreibmaschine des Autors ausgestellt.

Kempowskis Botschaft laute, dass nichts zu klein oder zu banal wäre, um nicht Bedeutung zu haben, sagte Köhler. "Am vermeintlich Kleinen und Unscheinbaren wird uns möglicherweise im Nachhinein viel deutlicher klar, was unser Leben ausmacht, als in den vermeintlich großen Ereignissen, von denen die Medien berichten." Kempowski habe daraus ein "Panorama des Bedeutsamen" gemacht.

Der Präsident erinnerte an die umfangreiche Arbeit, die in monumentalen Jahrhundertwerken wie "Das Echolot" stecke. Kempowski habe sie weitgehend im Alleingang bewältigt. Er sei ein "Ein-Mann-Geschichts-und Erinnerungskultur-Unternehmen" ohne gleichen. Gewaltige Widerstände habe er überwunden und auch beträchtliche Summen selbst investiert.

Kempowski, der schwerkrank im Krankenhaus liegt, betonte in Interviews, wie froh ihn die Ausstellung mache. "Das sind jetzt die glücklichsten Tage meines Lebens", sagte der 78-Jährige der "Bild am Sonntag". "Diese Ausstellung ist die Endvorstellung, darüber geht nichts hinaus."

Der krebskranke Dichter sagte, er fühle sich nicht so, "dass ich morgen umkippe". Er werde wegen Fieberschüben stationär behandelt. Die Ärzte hätten ihm allerdings nur wenige Monate Lebenserwartung gegeben. "Doch ich hadere nicht mit dem lieben Gott", sagte Kempowski. "Die Krankheit läuft irgendwie ab, da kann man nichts machen. Ich bin 78, was wollen Sie mehr?"

Er hoffe aber, im Juni wieder nach Hause zu kommen, sagte Kempowski in dem Interview, das im Diakoniekrankenhaus in Rotenburg an der Wümme geführt wurde. Dann wolle er die Ausstellung in der Berliner Akademie der Künste besuchen.

wal/AP/ddp