Bürgerkriegsland: Warlords treiben Südsudan in Hungersnot (original) (raw)

Im Südsudan tobt ein brutaler Bürgerkrieg - und der verursacht eine Hungersnot, durch die täglich Menschen sterben. Statt für Frieden zu sorgen, kümmern sich die Regierenden um ihre Geschäfte.

21.02.2017, 19.01 Uhr

Einheit, Unity, heißt der zentral gelegene Bundesstaat im zerrütteten Bürgerkriegsland Südsudan, und der Name klingt wie Hohn. Denn unter der Erde Unitys liegen die wichtigsten Ölvorkommen des Landes. 2013 entbrannte um sie und weitere Öllagerstätten ein Bürgerkrieg, seitdem ist Unity ein fürchterliche Region.

Wer sie kontrolliert, hofft nach Kriegsende darauf, an seinem Öl reich zu werden. Die rund 1,4 Millionen Menschen in Unity haben davon nichts, außer: Hunger, Angst vor immer neuen Angriffen bewaffneter Milizen sowie totes Vieh. Ausgelöst durch Gifte im Grundwasser, verursacht durch Öllecks, kommen vermehrt Kinder mit Missbildungen zur Welt.

Nun bringt der Krieg um Rohstoffe und Macht im Südsudan dem afrikanischen Kontinent seine erste Hungersnot seit fünf Jahren. Laut drei Uno-Organisationen stehen in dem Bundesstaat 100.000 Menschen unmittelbar vor dem Hungertod, erste Menschen sind bereits an Unterernährung gestorben.

Erste Hungernot in Afrika seit 2011

Zuletzt erlebte Afrika eine solche Katastrophe 2011. Damals starben in Somalia eine Viertelmillion Menschen binnen 18 Monaten. Die Lage ist vergleichbar: Wie damals in Somalia kann heute im Südsudan wegen des andauernden Kriegszustandes von Staat keine Rede sein. Es gibt zwar eine Regierung - aber Regierungshandeln und funktionierende Strukturen sucht man meist vergebens.

Laut Uno herrscht eine Hungersnot, wenn......mindestens 30 Prozent der Bevölkerung akut unterernährt sind
...pro Person täglich weniger als vier Liter Wasser zur Verfügung stehen
...die Menschen kaum Zugang zu Nahrungsmitteln haben und sehr viel weniger als die benötigten 2100 Kilokalorien täglich zu sich nehmen
...ein großer Teil der Bevölkerung die gesamte Lebensgrundlage verloren hat und keine Möglichkeit sieht, ein Einkommen zu erwirtschaften
...mindestens zwei von 10.000 Menschen täglich an Nahrungsmittelmangel sterben
Quelle: Uno

Hungersnot in Unity/Western Upper Nile im Südsudan

Hungersnot in Unity/Western Upper Nile im Südsudan

Foto: SPIEGEL ONLINE

Eine ernste Dürreperiode, mitverursacht durch das Klimaphänomen El Niño, plagt Ostafrika schon länger. In Südsudan Nachbarland Kenia und in Somalia blieben die Regenfälle Ende 2016 hinter den Erwartungen zurück, Äthiopien leidet noch unter den Folgen einer katastrophalen Dürre.

Doch im Südsudan zeigt sich, dass der Katastrophenfall erst eintritt, wenn die Regierung versagt und ein Krieg das Helfen erschwert: Laut World Food Programme waren Getreideproduktion und Landwirtschaft im eigentlich fruchtbaren Südsudan bereits durch drei Jahre Bürgerkrieg erheblich geschwächt. Die "zunehmende Gewalt seit Juli 2016 ließ die Nahrungsmittelproduktion auch in zuvor noch stabilen Regionen einbrechen" heißt es in dem gemeinsamen Bericht der Organisationen WFP, FAO und Unicef.

Die Truppen des Präsidenten Salva Kiir und Truppen des im Exil befindlichen früheren Vize-Präsidenten Riek Machar ringen seit der Staatsgründung um die Vormacht in dem erst fünf Jahre jungen Staat. Zum Staatgründungstag im Juli brachen in der Hauptstadt Juba neue Kämpfe aus. Nach einem nie wirklich umgesetzten Friedensschluss von 2015 war Machar erst wenige Tage vor dem Jubiläum nach Juba zurückgekehrt. Dann floh er wieder.

Seither häufen sich Meldungen über ethnische Vertreibungen, Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen. Sexuelle Gewalt und militärische Angriffe auf Flüchtlingslager, die gezielt gegen bestimmte Ethnien gerichtet sind, hat es mehrfach gegeben.

Ein Uno-Bericht warnte gar vor Völkermord. An Frieden scheinen der Präsident und seine Getreuen nicht interessiert, offenbar auch deshalb, weil sie aus dem Chaos im Land Profit schlagen. Im September warf der Sentry-Report Mächtigen und Militärs vor, beachtliche Vermögen ins Ausland geschafft und unter anderem in Immobilien in Kenia investiert zu haben.

Hungernot ist "menschengemacht"

Darum betont Joyce Juma, Landesdirektorin des WFP, die Hungersnot sei "menschengemacht". Man habe "mit aller Macht versucht, die Katastrophe zu vermeiden", so Juma. Mehr konnte aber "mangels echten Friedens und Sicherheit" einfach nicht erreicht werden. Man werde weiter alles tun, die Ausbreitung der Hungersnot zu stoppen und umzukehren.

Bis zum Juli, dem Höhepunkt der Trockenzeit, rechnen die Helfer mit 5,5 Millionen ernstlich unterernährten Menschen, das ist die halbe Bevölkerung des Landes. Zwar räumte auch der südsudanesische Vorsitzenderde der nationalen Statistikbehörde am Montag die akute Hungersnot ein. Präsident Kiir erklärte zudem, man wolle internationalen Hilfsorganisationen künftig ungehinderten Zugang zu den Krisengebieten gewähren. Die Uno hatte zuvor mehrfach über Behinderungen durch die Armee geklagt. Die Regierung versprach auch, deutlich mehr Nahrungsmittel in die betroffenen Gegenden zu liefern und wegen der 800-Prozent-Inflation im vergangenen Jahr die Lebensmittelpreise zu senken.

Doch dass die Regierung sich angesichts der Katastrophe bemüht, den Konflikt beizulegen, ist nicht zu erwarten. Die Chance, internationalen Druck aufzubauen, wurde mit dem knappen Scheitern eines Uno-Waffenembargos im Sicherheitsrat im Dezember vergeben. Am Tag nach der Meldung über die Hungernot kümmerte sich Präsident Kiir neben seinen wohlfeilen Ankündigungen um das für ihn Wesentliche: Der Chef der staatlichen Ölfirma Nile Petroleum Company musste gehen, Kiir feuerte ihn persönlich. Einen Grund nannte das staatliche Radio SSBC nicht.