Mann der goldenen Mitte (original) (raw)
Die Kommunisten wollen ihn vor eine Spruchkammer bringen. Auch die Stimmen der Sozialdemokraten hat er nicht. Aber die Mehrheit der 43 CDU- und DVP-Abgeordneten genügte, um Rechtsanwalt Dr. Lorenz Bock aus Rottweil gegen den Willen der Linken in den Tübinger Staatspräsidenten-Sessel des französisch besetzten Landes Württemberg-Hohenzollern zu heben.
1946 war er unter den Mitbegründern der CDU, zog in die beratende Landesverbammlung ein und beteiligte- sich zum zweiten, Male an der Ausarbeitung einer Verfassung. Sein Entwurf unterschied sich nicht viel von dem, den sein sozialdemokratischer Amtsvorgänger Carlo Schmid im Auftrag der Stuttgarter Regierung für Nordwürttemberg entworfen hatte und den er auch in Südwürttemberg-Hohenzollern durchzubringen gedachte. Während CDU-Bock wie SPD-Schmid die Schaffung einer zweiten Kammer für erforderlich hielt, wiesen die sozialdemokratischen Genossen Schmids, der unter Bock Minister bleibt, ebenso wie die Demokraten und Kommunisten diesen Gedanken zurück. Die französische Militärregierung fand den Entwurf undemokratisch.
Für die südwürttembergische CDU arbeitete Professor Niethammer einen Gegenvorschlag zum Bock-Entwurf aus.
Nach allerlei politischen Kompensationsgeschäften wurde schließlich am 18. Mai eine Verfassung mit 69,8 Prozent der Wählerstimmen angenommen, die mit dem Bockschen Urentwurf nicht mehr viel Aehnlichkeit hatte.
Dr. Lorenz Bock gelobte vor Grünschmuck und einem ornamentumgebenen röhrenden Hirsch an der Wand des Schlosses Bebenhausen in die Hand des Landtagspräsidenten Gengler der Landesverfassung Treue. Reporter wollten wissen, ob er dies mit freudigem Herzen habe tun können, nachdem sein eigener Verfassungsentwurf keinen Anklang gefunden habe. Mit faltigem Lächeln in dem groben Gesicht entgegnete er: »Ich bin ein Mann der goldenen Mitte.«