»Mit Feuer und Schwert durchfahren« (original) (raw)
SPIEGEL: Herr Minister, Ihnen unterstellte Vollzugsbeamte im Mannheimer Landesgefängnis schlugen einen Häftling tot und ließen einen anderen gegen Bestechungsgelder laufen. Beamte, die Ihnen unterstellt sind, bildeten Rollkommandos und mißhandelten Gefangene -- monatelang. Haben Sie Ihre Dienstaufsichtspflicht vernachlässigt, oder hat Ihr Behördenapparat Sie nicht hinreichend informiert? Politisch gradestehen müssen Sie für beides.
BENDER: Alle diese Fälle sind von der Staatsanwaltschaft sofort aufgegriffen worden. In dem einen Mißhandlungsfall haben wir sofort drei Beamte abgezogen. Heute wünschte ich mir allerdings, ich wäre persönlich manchmal schneller informiert worden -- keine Frage.
SPIEGEL: Im Begriff der Dienstaufsicht steckt das »Sehen«; wie oft besuchen Sie die Gefängnisse Ihres Landes und verschaffen sich dort ein eigenes Bild?
BENDER: Bestimmt viel häufiger, als Sie denken mögen. Ich gehe oft ins Gefängnis, auch unangemeldet, spät abends, auch samstags oder sonntags.
SPIEGEL: Wie läuft das denn praktisch ab: Der Anstaltsleiter meldet auf Befragen »keine besonderen Vorkommnisse«, und die Visite ist erledigt? Oder reden Sie auch mit Gefangenen, und wer sucht die für Sie aus?
BENDER: Ich suche mir die Gesprächspartner selber aus, frage zunächst mal die Beamten, was sie auf dem Herzen haben. Dann gehe ich durch die Anstalt und rede gar nicht selten mit Gefangenen, die mir gerade begegnen. Ich sage auch mal, machen Sie doch bitte diese oder jene Zelle auf.
SPIEGEL: Wann waren Sie das letztemal in Mannheim?
BENDER: Etwa vor einem Jahr.
SPIEGEL: Warum lassen Sie die Mannheimer Gefangenen jetzt nicht ein paar Vertrauensleute wählen und hören sich -- in Abwesenheit der Anstaltsbeamten -- einfach mal an, was die Ihnen zu erzählen haben?
BENDER: Im Prinzip spricht nichts dagegen. In Ulm zum Beispiel, wo so etwas besteht, habe ich vor einiger Zeit mit dem Gefangenenrat diskutiert. In Mannheim ist das zum jetzigen Zeitpunkt wahrscheinlich nicht sinnvoll.
SPIEGEL: Haben solche Gespräche oft nicht nur Alibi-Funktion: Gefangene führen Klage über die Zustände in der Anstalt. Die Beamten erklären, dazu bestände überhaupt kein Grund. Glaubt man dann schließlich nicht viel eher den Beamten?
BENDER: Ein Problem, wie man die Angaben bewertet. Wo sich solche Klagen häufen, ist das ein Indiz, sich mit dieser Anstalt genauer zu befassen. Wo der Eindruck entsteht, daß Cliquen oder Rollkommandos am Werk sind, daß sozusagen systematisch gequält wird -- dort muß mit Feuer und Schwert durchgefahren werden.
SPIEGEL: Für Ihre Mannheimer Staatsanwälte war das offenbar nicht immer Richtschnur. Da liegt ein Häftling totgeprügelt in der Zelle, der Gerichtsmediziner konstatiert Verletzungen durch Fremdeinwirkung, Mithäftlinge bezeugen Mißhandlungen, und die Beamten geben natürlich Nichtwissen zu Protokoll. Und das Ermittlungsverfahren wird ganz schnell eingestellt. Können Sie solche Ermittlertätigkeit noch als schlampig abtun, oder müssen Sie nicht darauf bestehen, daß gegen die Staatsanwälte selber ermittelt wird -- wegen Begünstigung im Amt?
BENDER: Dazu möchte ich jetzt keine Erklärung abgeben. Nur soviel: Wir waren ja damals gleich der Ansicht, daß diese Einstellungsverfügung nicht umfassend und überzeugend war. Deshalb haben wir ja auf weiteren Ermittlungen bestanden.
SPIEGEL: Gleich nach dem Tode des Häftlings Vast ist nicht gründlich genug ermittelt worden?
BENDER: Ich will hier kein Verdikt über einen Staatsanwalt fällen, der ein Verfahren geführt hat, das wir so nicht billigten. Wir prüfen jetzt, weshalb es schon bis zur ersten Entscheidung so lange gedauert hat und welche Oberlegungen ihn zur Einstellung der Ermittlungen veranlaßt haben.
SPIEGEL: Wie viele Häftlinge sind damals gleich nach dem Tod von Vast vernommen worden, und wie viele haben belastende Aussagen gemacht?
BENDER: Mehrere Gefangene sind gehört worden, von denen zwei Angaben gemacht haben, die jedoch nicht weiterführten.
SPIEGEL: Die jetzt endlich ein· gesetzte Sonderkommission zur Aufklärung des Vollzugsskandals hat verlauten lassen, neben den schon festgenommenen Beamten sei Haftbefehl noch gegen einen weiteren Justizwachtmeister ergangen, der gerade im Ausland Urlaub macht. Gehört es zum Gesamtbild der Affäre, daß Ihre Beamten vorher bekanntgeben, wenn sie einen Kollegen im Urlaub verhaften wollen, damit er sich darauf einrichtet?
BENDER: Wenn eine solche Äußerung tatsächlich aus der Kommission stammen sollte, hielte ich das im Interesse der Ermittlungen für außerordentlich unglücklich.
SPIEGEL: Sie haben erklärt, die vollständige Aufklärung aller Vorfälle solle nun ohne Rücksicht auf Rang und Namen betrieben werden. Haben Sie auch an sich selber gedacht? Wie groß sind Ihre Chancen, am Rücktritt vorbeizukommen?
BENDER: Ich reflektiere nicht über einen Rücktritt. Ich versuche, Klarheit in die Affäre zu bringen. Dann sollen die verantwortlichen Politiker beurteilen, ob ich meine Verantwortung richtig wahrgenommen habe.