Kein Ariernachweis (original) (raw)

Dennoch ist der Archivrat Jetzinger nicht so schnell bereit, dem in Österreich »stellungsflüchtigen«, beim deutschen Heer kriegsfreiwilligen Hitler seine orthographischen Fehler nachzusehen: Jetzingers Buch hat zuweilen den besorgten Tonfall eines Lehrers, der bei einem Schüler sichere Anzeichen dafür entdeckt, daß der es nie zu etwas bringen werde.

Als leuchtendes Beispiel für den mißratenen Sohn zitiert Jetzinger ausführlich den lobenden Nachruf, den eine österreichische Zeitung zum Tode von Hitlers Vater im Jahre 1903 veröffentlichte: Vater Alois, der als Schuhmacherlehrling begann, hatte es bis zum k. u. k. Zollamtsoberoffizial und, nach seiner Pensionierung, sogar zum Besitzer eines bescheidenen Gutes gebracht.

Die Nachricht, daß Vater Alois beim Frühschoppen von einer Lungenblutung dahingerafft worden war, wurde damals in der freisinnigen Linzer Zeitung »Tagespost« kommentiert: »Wir haben einen guten Mann begraben - dies können wir mit Recht sagen.« Das Blatt schilderte den Verblichenen: »Fiel auch ab und zu ein schroffes Wort aus seinem Munde, unter einer rauhen Hülle barg sich ein gutes Herz

Ein Freund des Gesanges, fühlte er sich glücklich inmitten sangesfroher Brüder. Auf dem Gebiete der Bienenzucht war er eine Autorität.«

An Hand von zwei aufgefundenen Eingaben der Bienenzuchter-Koryphäe Alois Hitler tadelte Jetzinger: »Orthographie und Stilisierung dieser beiden Schriftstücke... sind einwandfrei, sogar die Beistriche richtig gesetzt . . . Der Vergleich mit den Schriftstücken seines Vaters ist geradezu vernichtend für den Sohn.«

Dennoch möchte Jetzinger an diesem Mann, am Vater Alois Hitler, die Möglichkeit erhärten, daß der spätere Führer des Großdeutschen Reiches wahrscheinlich Vierteljude gewesen sei. Jetzinger behauptet zwar nicht, ein solches jüdisches Erbteil definitiv nachgewiesen zu haben. Aber er hat sorgsam zusammengetragen, was nach seiner Ansicht die Wahrscheinlichkeit erhöht, daß Hitlers Großvater Jude gewesen ist. Den endgültigen Beweis möchte der vorsichtige Jetzinger aber den österreichischen Heimatforschern überlassen.

Fest steht, daß Adolf Hitler den Ariernachweis, den er den meisten Deutschen abverlangte, für seine Person kaum hätte erbringen können. Sein Großvater väterlicherseits ist unbekannt.

Adolf Hitler wurde am 20. April 1889 in Braunau am Inn geboren. Sein Vater war der damalige k. u. k. Zollamtsoffizial Alois Hitler (1837 bis 1903). Hitlers Mutter Klara, geborene Pölzl (1860 bis 1907), war die dritte und letzte Frau des Alois.

Mutter Hitler war eheliches Kind einer Bauernfamilie. Die Abkunft von Vater Hitler dagegen ist ungeklärt.

Hitlers Großmutter väterlicherseits, Maria Anna Schicklgruber, brachte 1837, 41jährig, in ihrem Heimatdorf Strones im Pfarrbezirk Döllersheim (Niederösterreich) einen unehelichen Sohn zur Welt der Alois getauft wurde. Die Maria Anna war schwanger in ihr Heimatdorf zurückgekehrt; sie kam wahrscheinlich aus Graz, wo sie bei einer Familie als Köchin gedient haben soll.

Jetzinger hält sich hier an die Aufzeichnungen, die der ehemalige Reichsminister und Generalgouverneur für Polen, Hans Frank, in der Nürnberger Haft gemacht hat. Frank berichtete, der neunzehnjährige Sohn einer jüdischen Familie Frankenberger, bei der Anna Maria Schicklgruber als Köchin arbeitete, habe von der Geburt des Alois Schicklgruber an bis zu dessen 14. Lebensjahr an die Mutter des Kindes und ehemalige Hausangestellte Alimente gezahlt. Die Zahlung von Alimenten, so behauptete Frank - und Jetzinger glaubt es ihm -, habe der Enkel Adolf Hitler nicht geleugnet. Trotzdem habe er bestritten, von dem Grazer Juden abzustammen. Die Maria Anna und ihr späterer Mann, Johann Georg Hiedler, hätten vielmehr den zahlungsfähigen Juden wider besseres Wissen als Vater angegeben.

Maria Anna Schicklgruber und Johann Georg Hiedler heirateten 1842. Damals war Alois, das Kind der Braut, beinahe fünf Jahre alt. Sohn Alois behielt auch nach dieser Heirat den Namen Schicklgruber, er wurde nicht legitimiert.

Erst im Jahre 1877, als er bereits 40 Jahre alt und Zollbeamter war, überraschte Alois (oder Aloys, wie er seinen Namen zuweilen schrieb) seine Kollegen mit der Eröffnung, das er sich fortan Hiedler nennen werde.

In diesem Jahr war etwas offenbar nicht ganz Legitimes geschehen. Johann Georg Hiedler - die Schreibweise des Familiennamens wechselte ständig zwischen Hitler, Hittler und Hiedler -hatte gewissermaßen 20 Jahre nach seinem Tode, 30 Jahre nach dem Tode seiner Frau, 35 Jahre nach seiner Hochzeit, 40 Jahre nach der Geburt des Alois diesen Alois als legitimes Kind anerkannt.

Es waren nämlich 1877 im Pfarramt Döllersheim drei Zeugen aufgetreten, die bekundeten, Johann Georg Hitler hätte den vorehelichen Sohn seiner Frau schon immer als seinen Sohn anerkennen wollen, sei aber an einer Bekundung dieses Willens durch widrige Umstände stets gehindert gewesen. Die Zeugen überredeten den Pastor, nachträglich eine entsprechende Eintragung in die Taufmatrik des Alois zu machen.

Kommentiert Jetzinger: »Die drei Zeugen sind unglaubwürdig, sie konnten die Wahrheit gar nicht wissen . . . Alle Anzeichen deuten darauf hin, daß die Maria Anna fern von ihrer Heimat, als sie noch im Dienst stand, in die Hoffnung kam, vielleicht in Wien oder, wie Frank berichtet, in Graz; dann konnte der Johann Georg (Hitler), der sich damals irgendwo im Waldviertel herumtrieb, unmöglich der Kindesvater sein.«

»Der Zollbeamte Schicklgruber«, folgert der Autor, »stammte daher auch faktisch nicht von den Hitlerischen, war kein Hitler und somit (war es) auch sein Sohn Adolf nicht! Der Pfarrer wurde offensichtlich getäuscht.«

Als Motiv für die angebliche Fälschung der Taufmatrik erzählt Jetzinger eine etwas umständliche Geschichte: Er macht für die nach seiner Ansicht falsche Bekundung einen Mann namens Johann Nepomuk Hiedler verantwortlich. Johann Nepomuk Hiedler war ein jüngerer Bruder des Johann Georg und spielte für dessen Sohn oder Nicht-Sohn Alois die Rolle des Ziehvaters: Sogleich nach ihrer Hochzeit gab die Schicklgruber ihr uneheliches Kind Alois bei Johann Nepomuk Hiedler, ihrem Schwager, in Pflege.

Jetzinger: »Es kränkte ihn (Johann Nepomuk Hiedler), daß sein Ziehsohn Alois, auf den er mächtig stolz war, weil er es zu etwas gebracht hatte, den Namen einer Familie (Schicklgruber) trug, zu der er, Nepomuk, in keiner Beziehung stand, die keinerlei Ansehen mehr genoß und die auch für den Buben nichts geleistet hatte, während er es doch war, der ihn auf seine Kosten großgezogen hatte. Sein sehnlichster Wunsch war daher, daß sein Ziehsohn auch seinen Namen trage. Das konnte er nur erreichen, wenn er ihn als den Sohn seines Bruders ausgab . . . »

Jetzinger gesteht zu, daß ihm für seine Theorie, Alois Hitler sei Halbjude, zwei Beweise fehlen:

- Alimentenzahlungen eines jungen Frankenberger oder eines anderen an die Schicklgruber sind nicht nachzuweisen;

- ob die Dienstgeber der Maria Anna Juden waren, ist Jetzinger unbekannt.

Der Name Frankenberger, schreibt Jetzinger, klinge nicht einmal jüdisch. Als Variante erwähnt Jetzinger, daß William Patrick Hitler, Sohn eines Halbbruders von Adolf Hitler*, 1939 im »Paris-Soir« geschrieben habe, der Grazer Dienstgeber der Großmutter Schicklgruber habe nicht Frankenberger, sondern Leopold Frankenreiter geheißen. Dieser Name, setzt Jetzinger hinzu, klinge ebenfalls nicht jüdisch.

Dennoch schließt Jetzinger, daß »einige Wahrscheinlichkeit« für einen jüdischen Großvater Hitlers spreche, und ermuntert die Grazer Heimatforscher, diese Wahrscheinlichkeit in Sicherheit umzuwandeln.

Bayrische Ahnen?

Bis dahin rechnet Jetzinger getrost damit, der Führer der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei sei Vierteljude gewesen, und erklärt aus solcher Abstammung dessen politischen Erfolg: »Und die Juden beherrschen die Gabe überzeugender Rede, sie können reden, nicht etwa bloß die Handelsjuden! Schon die ganz alten Führer und Wegweiser der Juden, die wir wenig zutreffend Propheten' nennen, verfügten über eine Sprachgewalt, über die man, wenn man sie in ihrer Ursprache liest, staunen muß und noch weit mehr, die einen sogar heute noch packt und wärmt, während Demosthenes und Cicero uns heute ziemlich kalt lassen.«

In den letzten Wochen hat sich nun der Dozent für Neue Geschichte an der Universität Graz, Dr. Nikolaus Preradovic, daran gemacht, die von Jetzinger übernommenen Angaben des ehemaligen Generalgouverneurs Frank zu überprüfen. Preradovic - er ist Neffe der Paula von Preradovic, Dichterin der österreichischen Bundeshymne - stellte fest, daß in den Büchern der jüdischen Kultusgemeinde von Graz weder ein Frankenberger noch ein Frankenreiter verzeichnet ist. Man forschte, der Sicherheit wegen, sogar nach dem Namen Frankfurter, aber auch dieser Name kam nicht vor.

Die Bücher der jüdischen Gemeinde in Graz reichen allerdings nur bis auf das Jahr 1856 zurück. Adolf Hitlers Vater Alois wurde bereits 1837 geboren. Um diese Zeit aber, so konnte Preradovic nachweisen, lebte nicht nur in Graz, sondern In der gesamten Steiermark kein einziger Jude: Die Juden waren 1496 aus der Steiermark vertrieben worden und durften sich dort erst seit 1856 wieder ansiedeln. Nur in den Jahren von 1781 bis 1790 war es ihnen erlaubt gewesen, sich jeweils zum Jahrmarkt 24 Stunden in der Steiermark aufzuhalten.

Ein Frankenberger kommt auch in den Grazer Einwohnerlisten jener Zeit nicht vor. Wohl aber entdeckten die Forscher jenen Leopold Frankenreiter, der von Hitlers Neffen William Patrick als Dienstherr von Hitlers Großmutter namhaft gemacht worden war. Dienstherr Frankenreiter, Sohn eines katholischen Schusters aus Bayern, war 1795 ebenfalls in Bayern geboren worden und nach Graz übergesiedelt, wo er den Beruf eines Fleischhauers und Flecksieders ausübte.

Sein Sohn - nach Jetzinger der mutmaßliche Großvater Hitlers - war im Jahre 1837, als die damals 41jährige Köchin Schicklgruber in die Wochen kam, zehn Jahre alt. Kommentiert Preradovic: »Ein bemerkenswert frühreifer Knabe.«

* Franz Jetzinger: »Hitlers Jugend«; Europa-Verlag, Wien und Stuttgart; 308 Seiten; 12,60 Mark.

* Hitlers Vater war dreimal verheiratet und hatte Kinder aus seiner zweiten und dritten Ehe.

Ehefrau Klara Hitler Der Ziehsohn trug ...

Zollamtsoberoffizial Alois Hitler ... den Namen Schicklgruber

Knabe Adolf Hitler

»Alleweil finster dreingeschaut«

Historiker von Preradovic Wer war Hitlers Großvater?