Theater (original) (raw)
MÜNCHEN (Residenztheater):
"König Ödipus" von Sophokles-Hölderlin
Merkwürdig, wie unsere Zeit es liebt, das Wesen aller Dinge in sein Gegenteil zu verkehren! In Bayreuth wird Wagners ganz und gar dynamisch-realistischer Bühnenstil in statuarische Allegorik umphantasiert – im Münchner Residenztheater versuchte nun Rudolf Noelte, die statuarische Monumentalität des Ödipus-Dramas von Sophokles in neuzeitlichen Theaterrealismus und -Psychologismus zu übersetzen. Was natürlich unübersteigbare Schranken an der antiken Vorstellungswelt wie an der Hölderlinschen Sprache fand. Wäre nicht die Kargheit des atmosphärelosen bildlichen Rahmens gewesen, man hätte bisweilen mutmaßen dürfen, die Pseudo-Antike Strauß-HofmannsthalscherProvenienz habe in das szenische Konzept des Spielleiters hineingespukt. Dabei war eine Besetzung zur Hand, die in keiner Weise zu dieser Art von Aktualisierungswillen nötigte: an der Spitze Thomas Holtzmann und Marianne Hoppe – die beiden Sprecher großen Stils, am nächsten dem Format der Dichtung – und dazu Ernst Fritz Fürbringer, Erwin Faber, Kurt Sieler (der 85jährige), Friedrich Maurer, Hans Baur. Ob das harte Skandieren des allzu allgegenwärtigen Chores hellenischem Brauch entsprach, sei angezweifelt; es brachte wohl einen Akzent sophokleischer Strenge in die Aufführung, aber nun wiederum einen zu äußerlich disziplinierten, dem die Beimischung des Hintergründigen und dabei sprachlich doch Geschmeidigen fehlte, a-th