Lexikoneintrag zu »Atalanta«. Hederich, Benjamin: Gr�ndliches mythologisches Lexikon. ... (original) (raw)

[451] ATALANTA, �, Gr. Ἀταλάντη, ης.

1 �. Aeltern. Es sind zwar zwey Frauenzimmer unter diesem Namen bey den Alten bekannt, deren Historie durchaus mit einander vermenget wird, und auch wegen der guten alten Schriftsteller, welche die�falls einander zuwider sind, nicht in allem genugsam zu unterscheiden steht. Spanhem. ad Callim. Hymn. in Dian. v. 216. Jedoch wird gleichwohl das meiste und merkw�rdigste davon von des Jasus, eines Arkadiers, Apollod. lib. III. c. 9. �. 2. oder wie ihn andere nennen, des Jasius, Hygin. Fab. 70. & 99. oder des Jasions, Aelian. Var. Hist. lib. XIII. c. 1. oder Jasons, Schol. Apollon ap. Muret. ad Propert. l. I El. 1. Cf. Perizon. ad Aelian. l. c. und der Klymene Tochter, erz�hlet, welche denn zum Unterschiede von der andern insgemein die arkadische Atalanta genannt wird, wie die andere bald die argivische, bald die b�otische hei�t. Muret. & Spanh. l. c.[451]

2 �. Auferziehung. Weil ihr Vater sehr gern S�hne gehabt h�tte, hingegen ihm mit den T�chtern nichts gedienet war: so lie� er sie alsofort nach ihrer Geburt wegsetzen. Derjenige aber, dem solches anbefohlen war, trug sie auf den Berg Parthenius, und da fand sich von ungef�hr eine B�rinn, welcher die J�ger ihre Jungen genommen hatten, zu ihr. Weil nun solche von der noch habenden Milch gedr�cket wurde, so legete sie sich der jungen Atalanta vor, und s�ugete dieselbe so lange, bis die J�ger solche fanden, und mit sich nach Hause nahmen. Sie wurde daher auch von ihnen nach ihrer etwas wilden Art mit auferzogen. So bald sie aber einigerma�en erwuchs, fieng sie an, vornehmlich alles Mannsvolk zu meiden, und sich mit Jagen in den W�ldern zu erg�tzen, wodurch sie denn nicht nur sehr stark, sondern auch ungemein schnell auf den F��en wurde. Apollod. lib. III. c. 9. �. 2. Aelian. Hist. Var. lib. XIII. c. 1.

3 �. Thaten. Weil ihre Sch�nheit gar sonderbar war, so stelleten ihr insonderheit die beyden Centauren, Hyllus und Rh�kus nach; und, da sie auch selbige zu �berrascheln vermeyneten, so erscho� sie dieselben beyde mit ihren Pfeilen. Callimach. Hymn. in Dian. v. 221. & ad eum Schol. Gr�c. l. c. Apollodor. lib. III. c. 9. �. 2. & Aelian. H. V. lib. XIII. c. 1. Als darauf Meleager seine Jagd wider das ungeheuere kalydonische Schwein unternahm, so fand sie sich unter den zusammen gekommenen J�gern, welche alle die tapfersten Leute aus Griechenland waren, mit ein, war auch so gl�cklich, da� sie der Bache den ersten Schu� mit ihren Pfeilen und Bogen beybrachte. Ovid. Metam. IX. v. 380. Allein, da sich hierbey Meleager in sie verliebete, und ihr daher, nachdem das Schwein erleget war, dessen Haut und Kopf, als die vornehmsten St�cke, zur Ausbeute zuschlug, so verdro� solches dessen Mutter Br�der, Plexippus und Toxeus, nicht nur ganz ungemein, Id. ib. v. 425. sondern es lauerten ihr selbige auch auf ihrem Heimwege auf, und sucheten ihr besagte [452] Beute wieder abzunehmen. Allein Meleager nahm sich ihrer an, und erlegete seine beyden Vettern. Dioa. Sicul. lib. IV. c. 34. p. 167. Wie hierauf die Argonauten ihren Zug nach Kolchis unternahmen, so gieng sie unter denselben mit dahin; wiewohl doch solches eigentlich die argivische Atalanta, des Sch�neus Tochter, soll gethan haben: Apollod. lib. I. c. 9. �. 16. Es stimmet aber besser mit der andern ihrer Tapferkeit �berein, zumal, da sie hernachmals wenigstens denen Leichenspielen, die dem Pilias zu Ehren gehalten wurden, beywohnete, und selbst den Peleus im Ringen �berwand. Id. c. 11. �. 2. Immittelst aber kam es aus, wer sie eigentlich war; und, da sie mit Freuden von ihren Aeltern wieder angenommen wurde, so lag ihr Vater ihr so lange an, bis sie sich erkl�rete, zu heurathen. Sie nahm daher endlich den Milanion, und zeugete mit ihm den Parthenop�us, wiewohl doch auch einige wollen, da� sie diesen von dem Mars, Apollod. l. c. oder auch von oberw�hntem Meleager bekommen habe. Lactat. ad Stat. Theb. XII. v. 125.

4 �. Gestalt und Bildung. Sie wird beschrieben, da� sie bereits vor ihren mannbaren Jahren schon eine v�llig erwachsene, doch aber eine geschlanke Person gewesen, und an Sch�nheit alles Frauenzimmer in dem Peloponnesus �bertroffen, dabey die sch�nsten gelben Haare gehabt, und von der Sonne zwar etwas gef�rbet gewesen, jedoch aber bey aller ihrer Annehmlichkeit dennoch so was ernsthaftes in dem Gesichte gehabt, da� sie niemand leicht ohne geziemende Ehrfurcht ansehen k�nnen. Aelian. H. V. lib. XIII. c. 1. Wenn man einem alten Marmor trauen will, welcher die F�llung des kalydonischen Schweines vorstellet, und worauf ihre Bildung ziemlich deutlich zu sehen ist, so ist sie allerdings von einer langen Statur und annehmlichem Gesichte gewesen. Spon. Miscell. erud. ant. p. 312. & repet. ap. Beger. Meleagrid. & Aetol. p. 20. Sie hat die Haare artig aufgekn�pfet, f�hret auf dem R�cken einen K�cher, und in der linken Hand einen [453] Bogen, in der Stellung, als wenn sie erst einen Pfeil von demselben abgeschossen. Sie hat die Arme bis fast an die Achseln hinan blo�, und sich um den Leib geg�rtet, der Rock aber geht ihr kaum bis an die Knie, die F��e tr�gt sie blo�, hat aber doch statt der Str�mpfe eine besondere Art von gewundenen Halbstiefeln, die von der H�lfte der Waden bis unter die Fersen gehen. Spanhem. ad. Callim. Hymn. in Dian. v. 216. Eben so wird sie auch auf einem alten Gem�lde abgebildet, welches den Meleager vorstellet. Philostrat. jun. Icon. XV. p. 887.

5 �. Wahre Historie. Hier findet sich so viel unglaubliches eben nicht. Denn da� B�rinnen junge Kinder unterhalten, davon will man auch in der neuern Historie Exempel haben. Und wenn man ja auch dieses in Zweifel ziehen will, so kann wohl die Hirtinn, welche sie auferzogen hat, entweder dem Namen nach, so viel als eine B�rinn gehei�en haben, da Ursula noch unter uns gebr�uchlich ist; oder es kann diese Frau ein solch Gem�th, oder andere Eigenschaften gehabt haben, die ihr so wohl den Namen eines solchen Thieres zuwege bringen k�nnen, als man der Erzieherinn des Romulus und Remus wegen ihrer Auff�hrung den Namen der W�lfinn gegeben hat. Will man ferner das kalydonische Schwein nicht f�r ein wahrhaftiges Schwein, sondern eine Bande Stra�enr�uber ansehen, so kann sie wohl auch den ersten von selbigen erleget haben; und, wenn Mars selbst mit ihr den Parthenop�us gezeuget haben soll, so ist es nichts neues, einen so tapfern Soldaten, als Parthenop�us war, des Mars Sohn zu nennen. Das �brige, was von ihr erz�hlet wird, bedarf keiner andern Deutung, als die Worte geben, weil es an Frauenzimmern nie gefehlet hat, die so wohl einen tapfern Muth, als m�nnliche St�rke gehabt haben.

6 �. Anderweitige Deutung. Ihr Exempel bezeuget, da� Muth und Tapferkeit nicht blo� eine Eigenschaft der M�nner sey, sondern sich wohl auch bey Frauenzimmern finden k�nne; wie auch, [454] da� eine harte und rauhe Auferziehung zur Tugend eher bef�rderlich, als solcher hinderlich, sey. Erscho� sie allein die beyden ungeheuren Centauren, so beweist solches, da� Tugend und Geschicklichkeit sich vor einer viehischen St�rke eben nicht zu f�rchten habe. Jedoch m�chte auch einem jeden Frauenzimmer nicht zu rathen seyn, sich nach ihrem Exempel allein unter so viele junge Bursche zu wagen, als die kalydonischen J�ger, oder auch die Argonauten waren; zumal dennoch der Ausgang mit ihr und dem Meleager dieser war, da� sie nicht als Jungfer wieder hinweg kam, dieser aber gar sein Leben dar�ber lassen mu�te.