Lexikoneintrag zu »Humor«. Mauthner, Fritz: W�rterbuch der Philosophie. Leipzig 1923, ... (original) (raw)

[104] Humor – ist ein so neuer Begriff, da� seine Definition bis zur Stunde nicht gelungen ist. Weder die englischen ersten Erfinder der Sache, noch ihre deutschen verbessernden Nachahmer haben das Wesen des Humors ergr�ndet. Den Franzosen gar, von denen die Engl�nder die Form des Wortes entlehnt hatten, ist die Sache heute noch ein ausl�ndisches Erzeugnis; sie haben angefangen, das englische Wort humour daf�r zu gebrauchen, und verwenden das Wort fast ausschlie�lich f�r den englischen Humor und f�r den deutschen, so viel sie ihn verstanden haben; die Italiener, deren umore genau dem franz�sischen humeur entspricht, haben f�r den Terminus Humor das Wort umorismo eingef�hrt.

Der Terminus Humor ist neu und ist national germanisch. Man hat sich vergebens bem�ht, bei den Griechen und R�mern etwas zu entdecken, was unserem Humor entspr�che. Und diese Bem�hungen tragen vielleicht die Schuld daran, da� die Definitionen der philosophischen �sthetik (gerade bei unseren besten Humoristen und besten Theoretikern des Humors, bei Jean Paul und Vischer) mi�gl�ckt sind.

Ich m�chte daf�r hier nur und fl�chtig auf einen Punkt hinweisen. Man hat den Humor als einen Unterbegriff des Komischen erkl�ren wollen, weil der Humor L�cheln oder Lachen bewirken kann, und weil das Lachen bei den Alten einzig und allein durch die Mittel der Komik erregt wurde. Die komische Literatur ist bei den Griechen und R�mern sehr reich; das komische Genie von Aristophanes ist in seiner Art nie �berboten worden; aber von dem, was wir Humor nennen, findet sich bei den alten Komikern[104] auch nicht ein Schimmer. Eher w�rden sich in einigen realistischen Charakteren der Tragiker humoristische Z�ge aussp�ren lassen. Wir haben da wieder einen der vielen F�lle, in denen die Antike, angeblich das Muster unsrer geistigen Welt, zu einf�ltig, zu wenig kompliziert, zu geradlinig war, um unsre modernsten Stimmungen und Begriffe auch nur ahnen zu k�nnen.

Die pedantische Ankn�pfung an den Begriff des Komischen ist darum so falsch, weil der Humor dem Pathos, dem Gegens�tze der Komik, gerade so nahe steht wie der Komik selbst. Man denke an die lachende Tr�ne, die der Humor im Wappen f�hrt. Und es ist kein Zufall, da� zu derselben Zeit, da die Engl�nder den Begriff ihres Humors sich zum Bewu�tsein brachten, in Frankreich eine ungl�ckliche Nachahmung zur larmoyanten Kom�die f�hrte. Larmoyant, wehm�tig, sentimental, humoristisch, alle diese Begriffe waren den Griechen und R�mern noch fremd.

Die Wortgeschichte f�hrt von Griechenland �ber Rom, Frankreich, England nach Deutschland; sie f�hrt aber auch durch verschiedene wissenschaftliche Disziplinen. Die medizinische Psychologie des Altertums brachte die Vorstellung von den vier S�ften auf, von den vier humores, deren richtige Mischung oder Dosierung (temperamentum) f�r die Gesundheit notwendig ist. Auch f�r die seelische Gesundheit, die gute Stimmung; und so wurde bald temperamentum, bald humores in der Psychologie der Ausdruck f�r das, was wir am Ende einer andern Wortgeschichte Charakter zu nennen pflegen; in dieser Bedeutung findet sich besonders oft das franz�sische humeur. In dem realistischeren und individualistischeren England wurde das. Wort in der Form humour ein Modewort f�r die individuellen Neigungen von Sonderlingen, f�r Wunderlichkeiten des Betragens, f�r das, was die Engl�nder sonst fancy, whim nennen; bei Kom�diendichtern, wie Ben Johnson und auch Shakespeare, wird das Wort oft gebraucht, weil sie sich dar�ber lustig machen wollten. Als nun Shakespeare durch die �bersetzung Schlegels fast ein deutscher Klassiker wurde, kam das Wort Humor, dessen ironische Anwendung man nicht bemerkte, als[105] Bezeichnung f�r die komische Wunderlichkeit eines individuellen Charakters zu uns; und weil die Romantiker da Beziehungen 211 ihrer TranszendentalPoesie oder ihrer romantischen Ironie mit Recht herausfanden, bem�chtigte sich die philosophische �sthetik der Zeit des Humorbegriffs; man glaubte, den Humor Shakespeares zu analysieren, gelangte aber zu einem neuen deutschen Humorideal, f�r das es in der Geschichte des Begriffs kein Beispiel gab. Ich m�chte aber gleich bemerken, da� uns die humores der medizinischen Psychologie heute kindisch vorkommen, weil die Humoralpathologie, die anderthalb Jahrtausende in Geltung war, gegenw�rtig oder augenblicklich durch eine andre Theorie verdr�ngt ist, durch die Zellularpathologie; da� der humeur der fr�heren Psychologie heute schon der wenig geachteten Popularpsychologie angeh�rt, weil das Modewort Temperament (das ja zur Gruppe der humeurs geh�rt) durch das an Ansehen immer noch wachsende Modewort Charakter verdr�ngt worden ist; da� aber der Humor im Sinne der philosophischen �sthetik ein Wort h�chsten Ansehens ist, weil diese philosophische �sthetik up to date ist.

F�r die entscheidende Wortgeschichte in England und in Deutschland ist eine Stelle aus Drydens »Essay of dramatic poesy« (1668) wichtig und die �bersetzung, die der junge Lessing in der 13. Abhandlung seiner theatralischen Bibliothek von dieser Stelle gegeben hat. Diese 13. Abhandlung ist ganz gewi� von Lessing selbst, wenn auch, was vorhergeht, von Nicolai herr�hren sollte. Der junge Lessing also schickt voraus: »Ich erinnere zugleich, da� ich Humor, wo ich das Wort �bersetzen will, durch Laune gebe, weil ich nicht glaube, da� man ein bequemeres in der ganzen deutschen Sprache finden wird.« Nach dieser Erkl�rung l��t er Dryden sagen: »Humor ist die l�cherliche Ausschweifung im Umgange, wodurch sich ein Mensch von allen �brigen unterscheidet. – Die Allen hatten in ihren Lustspielen sehr wenig davon; denn das geloion der alten griechischen Kom�die, deren Haupt Aristophanes war, hatte nicht sowohl den Zweck, einen gewissen Menschen nachzuahmen, als vielmehr das Volk durch einen seltsamen Einfall,[106] der meistenteils etwas Unnat�rliches oder Unfl�tiges bei sich hatte, lachen zu machen.1 ... In ihrer darauffolgenden neuen Kom�die suchten nun zwar die Dichter das �thos so wie in ihren Trag�dien das pathos des Menschen auszudr�cken. Allein dieses �thos enthielt blo� die allgemeinen Charaktere der Menschen und ihre Sitten, als da sind: alte Leute, Liebhaber, Bediente, Buhlerinnen, Schmarutzer und andre solche Personen, wie wir sie in ihren Lustspielen finden... was aber die Franzosen anbelangt, ob sie gleich das Wort humeur in ihrer Sprache haben, so machen sie doch nur einen sehr geringen Gebrauch in ihren Kom�dien und Possenspielen davon, die weiter nichts als schlechte Nachahmungen des geloion oder des L�cherlichen der alten Kom�dien sind. Bei den Engl�ndern aber ist es ganz anders, die unter Humor irgendeine ausschweifende Gewohnheit, Leidenschaft oder Neigung verstehen, die, wie ich schon gesagt habe, einer Person eigent�mlich ist, und durch deren Seltsamkeit sie sich sogleich von allen �brigen Menschen unterscheidet. Wenn dieser Humor lebhaft und nat�rlich vorgestellt wird, so erzeugt er meistenteils das boshafte Vergn�gen, welches sich durch das Lachen verr�t, wie denn alle Abweichungen von dem Gew�hnlichen am geschicktesten sind, es zu erregen. Das Lachen aber ist dabei nur zuf�llig, wenn n�mlich die vorgestellten Personen phantastisch und n�rrisch sind; das Vergn�gen hingegen ist ihm wesentlich, so wie einer jeden Nachahmung der Natur. In der Beschreibung dieser Humors oder Launen nun, die er an gewissen einzelnen Personen bemerkt hatte, bestand das eigentliche Genie und die gr��te Geschicklichkeit unsres Ben Johnsons.«

Man achte darauf, wie wenig diese Darlegung unserem Humorbegriff entspricht; das Lachen soll nur zuf�llig sein, nur aus den eigent�mlichen n�rrischen Charakteren folgen, also aus dem Stoffe, w�hrend wir bei Humor zun�chst an die subjektive [107] Form der dichterischen Leistung denken; viel eher und sogar ziemlich genau deckt sich Drydens Ausf�hrung mit dem, was wir Realismus oder Naturalismus des Dramas nennen; und der Engl�nder hatte ganz recht, wenn er die Forderung, eigent�mliche Charaktere nat�rlich vorzustellen, als neu und national der franz�sischen Kom�die entgegenstellte.

Der reife Lessing der Hamburgischen Dramaturgie ist auf die Wortgeschichte (1768) noch einmal zur�ckgekommen, im 93. St�ck, in einer Anmerkung, die ebenso wie Dryden an Ben Johnson ankn�pft. »Das Wort Humor war zu seiner Zeit aufgekommen und wurde auf die l�cherlichste Weise gemi�braucht.« Er gibt eine Stelle aus Ben Johnson wieder:

»As when some one peculiar quality

Doth so possess a Man, that it doth draw

All his affects, his spirits, and his powers

In their construction, all to run one way,

This may be truly said to be a humour.«

(»Wenn irgendeine besondere Gem�tsart von einem Manne derma�en Besitz ergriffen hat, da� sie alle seine Leidenschaften, seine Geister und seine Kr�fte in ihr Gef�ge hereinzieht, da� sie alle einen Weg gehen, so kann dies wahrhaftig als Humor bezeichnet werden.«)... »Der Humor, den wir den Engl�ndern jetzt so vorz�glich zuschreiben, war damals bei ihnen gro�enteils Affektation; und vornehmlich diese Affektation l�cherlich zu machen, schilderte Johnson Humor... Ich habe Exempel davon (Lessing meint die Kunst der Alten, zu individualisieren) flei�ig gesammelt, die ich auch blo� darum in Ordnung bringen zu k�nnen w�nschte, um gelegentlich einen Fehler wieder gut zu machen, der ziemlich allgemein geworden ist. Wir �bersetzen n�mlich jetzt fast durchg�ngig Humor durch Laune, und ich glaube mir bewu�t zu sein, da� ich der Erste bin, der so �bersetzt hat. Ich habe sehr unrecht daran getan, und ich w�nschte, da� man mir nicht gefolgt w�re. Denn ich glaube es unwidersprechlich beweisen zu k�nnen, da� Humor und Laune ganz verschiedene, ja in gewissem Verstande gerade entgegengesetzte Dinge sind. Laune kann zu Humor werden;[108] aber Humor ist, au�er diesem einzigen Falle, nie Laune. Ich h�tte die Abstammung unsres deutschen Worts und den gew�hnlichen Gebrauch desselben besser untersuchen und genauer erw�gen sollen. Ich schlo� zu eilig, weil Laune das franz�sische humeur ausdr�ckt, da� es auch das englische humour ausdr�cken k�nnte; aber die Franzosen selbst k�nnen humour nicht durch humeur �bersetzen.«

Ich glaube zu wissen, wie Lessing zu dieser Korrektur gekommen ist. Zwischen 1758 und 1768 f�llt die Ver�ffentlichung eines Briefes von Voltaire an den Abb� d'Olivet, den Kanzler der franz�sischen Akademie. Voltaire beklagt, da� die franz�sische Sprache verarmt sei durch die Masse m��iger B�cher, da� sie gute Ausdr�cke verloren habe, die sich im Englischen erhalten h�tten, wie d�sappoint� und partie. Er schreibt (20. Aug. 1761) �ber unsern Begriff: »Je trouve, par exemple, plusieurs mots qui ont vieilli parmi nous, qui sont m�me enti�rement oubli�s, et dont nos voisins les Anglais se servent heureusement. Ils ont un terme pour signifier cette plaisanterie, ce vrai cornique, cette gaiet�, cette urbanit�, ces saillies qui �chappent � un homme sans qu'il s'en doute; et ils rendent cette id�e par le mot humeur, humour, qu'ils prononcent yumour; et ils croient qu'ils ont seul cette humeur, que les autres nations n'ont point de terme pour exprimer ce charact�re d'esprit. Cependant, c'est un ancien mot de notre langue, employ� en ce sens dans plusieurs com�dies de Corneille. Au reste, quand je dis que cette humeur est une �sp�ce d'urbanit�, je parle � un homme instruit, qui sait que nous avons applique mal a propos le mot d'urbanit� � la politesse, et qu_'urbanitas_ signifiait � Rome precis�ment ce qu'humour signifie chez les Anglais.«

Ich habe die Geburtswehen des deutschen Wortes, des deutschen Sprachgebrauchs ausf�hrlich dargestellt, weil der Begriff eigentlich erst in der deutschen �sthetik, die immer eine Metaphysik des Sch�nen sein wollte, zu so hohem Ansehen gelangt ist. Selbst die beiden vorz�glichen Humoristen, die das Lesenswerteste �ber den Humor geschrieben haben, Jean Paul und Vischer, hielten sich f�r verpflichtet, mit allem[109] philosophischen R�stzeug an den Begriff heranzutreten. Jean Paul spricht von einer Totalit�t des Humors, von einem auf das Unendliche angewandten Endlichen, und hat mit all seinem Witz theoretisch den Humor nicht so verst�ndlich gemacht wie durch manche humoristische Gestalt seiner Romane. Vischer, der seiner Theorie sp�t genug das Beispiel seines pr�chtigen humoristischen Romans folgen lie�,2 hat sich vergebens bem�ht, Hegels Schablone auf den Humorbegriff anzuwenden; er soll als alter Herr selbst in ein befreiendes humoristisches Lachen ausgebrochen sein, da er die Paragraphen 205-222 seiner »�sthetik« wieder einmal aufschlug. Mir will es immer scheinen, als habe Vischer mit seinen blutleeren Abstraktionen eher eine Definition der Philosophie als des Humors konstruiert. Ich habe mir M�he gegeben, redlich, die Metaphysik Vischers in die Sprache eines Menschen zu �bersetzen, der nicht ganz ungeschickt zum Gen�sse humoristischer Dichtungen ist; ich habe mir auch die drei Stufen des Humors in k�nstlerische Erinnerungen zu �bersetzen gesucht: die erste Stufe oder der naive Humor ist noch gar kein Humor; die zweite Stufe oder der gebrochene Humor entspricht ungef�hr dem, was wir bei Shakespeare und Swift, in geringerem Ma�e bei Sterne, bei Jean Paul und bei Vischer selbst als Humor genie�en. Was aber ist der Humor auf seiner dritten Stufe, der eigentliche, der gro�e, der freie Humor? Ich f�rchte wirklich, der freie Humor ist gar nichts andres als die ganz freie Weltanschauung des wahrhaft philosophischen Kopfes, das heilige Lachen des Philosophen, die �berlegenheit �ber alles Treiben und Denken der Menschen, die Resignation eines gro�en Herzens; und all[110] diese Gr��e k�nnen wir erst dann als Humor empfinden und genie�en, wenn der Philosoph zuf�llig auch ein humoristischer Schriftsteller war und den Humor der ersten und der zweiten Stufe (Witz, Laune, Ironie, �bermut, Webmut) dazu benutzt hat, seine Weltanschauung an einem humoristischen Menschen darzustellen. Humor l��t sich nicht definieren, weil es Humor in der substantivischen Welt nicht gibt, weder als ein reales Ding, noch als ein Gedankending; es gibt Humor nur in der adjektivischen Welt; es gibt humorische Denker (auch unter ganz schlichten Menschen; zu Humoristen werden sie erst, wenn sie B�cher schreiben); es gibt humoristische Gestalten, humoristisch f�r den Betrachter oder f�r den Leser. Ich finde ein unfreiwillig humoristisches Eingest�ndnis dieser Tatsache, da� n�mlich der definierte Humor gar nicht existiert, bei Vischer selbst (a. a. O. 472): »Der Begriff dieses Humors (des freien Humors, des Humors auf der h�chsten Stufe) ist notwendig, seine Verwirklichung bleibt Aufgabe.« Man k�nnte das mit den gleichen Worten von vielen sch�nen Begriffen sagen. Gott, Freiheit, Gl�ck sind notwendig; ihre Verwirklichung bleibt Aufgabe; was nicht ausschlie�t, da� es (relativ) gottselige, gl�ckliche, freie Menschen gibt. Auch der Humor der h�chsten Stufe ist nur ein Postulat der Theorie.

Ich habe noch andre Ketzereien auf dem Herzen.

Es ist nicht wahr, da� die Griechen etwas wie Humor schon gekannt haben. Immer wieder wird da der in seiner Art gewi� un�bertreffliche Aristophanes ins Treffen gef�hrt. Aber alle seine Gaben, Witz, Satire und Ironie, �ndern nichts daran, da� er niemals eine humoristische Figur geschaffen hat; die tiefere Bedeutung macht den Witz wertvoller, verwandelt ihn aber nicht in Humor. Es gab vielleicht einmal einen Griechen, der Humor besa�: Sokrates; aber die Griechen verstanden den Humor nicht und t�teten ihren einzigen Humoristen.

Es ist nicht wahr, da� der gro�e Humor eine Erfindung des germanischen Geistes sei. Shakespeare war gewi� ein humorischer Denker; aber nur gelegentlich hat er seinen Gestalten humoristische Z�ge geliehen; humoristisch im h�chsten[111] Sinne wurde Hamlet, da doch sein Dichter offenbar eine tragische Gestalt schaffen wollte; und auch Hamlet wird nur da humoristisch, wo er, der Verzweifelte, seiner Rolle getreu witzig ist. Swift ist in seinem Gulliver immer witzig; humoristisch nur, wo er als Erz�hler aus der Rolle f�llt. Es gibt eine einzige humoristische Gestalt, die der Definition des gro�en Humors v�llig entspricht, und diese Gestalt ist nicht germanisch: Don Quijote; Cervantes hatte eine lustige Parodie schreiben wollen; aber Don Quijote, sein komischer Held, war gut, edel, tapfer, weise, war ein herrlicher Mensch; der Dichter gewann seinen komischen Helden lieb, und so erst wurde Don Quijote (besonders im zweiten Teile, in bewu�tem Zorn gegen die Komik des gemeinen Fortsetzers Avellaneda) zu dem Meisterst�cke einer humoristischen Gestalt.

Der Humor ist nicht einmal ein Gedankending. Ich glaube mir nicht zu widersprechen, wenn ich nun trotzdem ein andres Wort f�r den Humor suche, das zu benennen suche, was die deutschen Menschen etwa meinen, wenn sie seit der Zeit ihrer Romantiker von Humor reden. Sie meinen die sch�nste Art des Lachens, das heilige Lachen, das Lachen des Welt�berwinders, der lachend auch sich selbst �berwunden hat. Man h�rt oft, da� der Mensch sich durch das Lachen vom Tiere unterscheide, da� der Mensch das lachende Tier sei; und Schopenhauer hat darauf seine Theorie vom L�cherlichen aufgebaut: es sei sein Ursprung die unerwartete Subsumption eines Gegenstandes unter einem heterogenen Begriff. Ich m�chte wissen, wo diese Subsumption verborgen ist, wenn ein ganzer Zirkus �ber das dumme Gesicht des geohrfeigten Hanswursts lacht. Es gibt ein so gemeines Lachen, da� man fast Lust h�tte, es ein tierisches Lachen zu nennen. Das Lachen kann sich verfeinern zu einem Lachen �ber bessere und immer bessere Scherze, �ber den geistreichen Witz, �ber k�nstlerische Einf�lle. Das Lachen �ber eine musikalische �berraschung Haydns kommt dem Lachen, das ich meine, schon sehr nahe; aber es ist noch Gl�ck. Das Gef�hl, das so unappetitlich Weltschmerz genannt wurde, als es eine Manier[112] und eine Grimasse geworden war – das Gef�hl der Welt�berwindung braucht f�r sein heiliges Lachen nicht einmal eine Pause, wie Haydn; das Gef�hl der Welt�berwindung lacht am heiligsten �ber die Allt�glichkeit, zu der der Lacher selbst geh�rt, wie er recht gut wei�. Wer nicht glaubt, da� er dazu geh�re, wer sich f�r einen �bermenschen h�lt, der kennt das heilige Lachen noch nicht, ist noch kein Philosoph, ist vielleicht eine tragisch-humoristische Figur der obersten Stufe, der neue Don Quijote.

Das Wort Humor, mit dem man dieses heilige Lachen bezeichnet hat, ist sehr heruntergekommen. Nicht erst in unsrer Zeit, wo die Verfasser von glattem Mist sich Humoristen nennen d�rfen, ihre Fabrikware, eben den glatten Mist – Humoresken. Schon Jean Paul spricht einmal von sogenannten Humoristen, welche nichts w�ren als Ausplauderer lustiger Selbstbehaglichkeit. Und dabei dachte Jean Paul noch lange nicht an das Geschreibsel niederster Komik, das uns heutzutage unter dem Titel von Humoresken aufgetischt wird; er dachte an komische Schriften mittlerer G�te, die zu seiner Zeit hochgesch�tzt wurden und jetzt noch in der Literaturgeschichte mit Ehren genannt werden.

Jean Paul, der als Kritiker einen au�erordentlich feinen Geschmack besa�, nicht immer als Schriftsteller, hatte sich gegen eine Auffassung des Humors zu wehren, die unter den Romantikern die herrschende geworden war: gegen die Verwechslung von Humor und Ironie. Jean Paul, der subjektivste aller Erz�hler, hatte eine besondre Kraftanstrengung n�tig, um sich von dem dogmatischen Subjektivismus Fichtes zu befreien; eine ebensolche Kraftanstrengung, um die dogmatische Romantik zu �berwinden. Jean Paul war wirklich, wessen sich die romantischen F�hrer nur mit geschliffenen Worten r�hmten, ein Erzieher zum Leben; die romantische Erziehung zur Kunst gen�gte ihm nicht. Ob man den h�chsten Standpunkt der Weltbetrachtung Humor oder Ironie nannte, einerlei, die Sache war sein Ziel: Ernst, nicht Spiel. »Kunstrichter und Hunde wittern nicht Rosen und Stinkblumen,[113] sondern Freunde und Feinde.« (Vorschule der �sthetik� S. 307.) Er sah den Abstand zwischen der ironischen Schablone der Romantiker und dem ironischen Genie. »Swifts Gulliver – im Stil weniger, im Geiste mehr humoristisch als sein M�rchen – steht hoch auf dem Tarpejischen Felsen, von welchem dieser Geist das Menschengeschlecht hinunterwirft« (a. a. O. 240). Wer einen Swift so gro� w�rdigte, konnte nicht befriedigt sein von den romantischen Spielereien der Ironie.

Ironie (eir�neia = Verstellung) ist bekanntlich der Name einer der rhetorischen Figuren; diese Figur besteht darin, da� der Redende ein Urteil dem H�rer durch Behauptung des Gegenteils besonders eindringlich macht; der H�rer mu� selbst finden, was etwa gemeint ist, und wird so aufmerksamer gemacht als durch das direkte Aussprechen der Wahrheit. Es ist klar, auch ohne meine pedantische Erkl�rung, da� die Figur der Ironie nur die Form eines Gedankens bezeichnet, nicht den Gedanken selbst. Der Weiseste der Griechen, Sokrates, hatte die Ironie ausgebildet, um seine jungen Freunde zum Denken zu erziehen; aber jeder Dummkopf ist ironisch, wenn er bei einem Hundewetter von einem sch�nen Wetter spricht, wenn er ein abschreckend h��liches Frauenzimmer ein sch�nes M�dchen nennt. Die Romantiker nun verwechselten offenbar die Form mit der Sache, das Spiel der Ironie mit dem Ernste der �berlegenheit, wenn sie ihre schablonenhafte Ironie dem Humor gleichsetzten, wenn sie (Friedrich Schlegel) die Ironie definierten als die Stimmung, »welche alles �bersieht, sich �ber alles Bedingte unendlich erhebt, auch �ber eigene Kunst, Tugend oder Genialit�t«. Bei den Fr�hromantikern findet sich auch kaum ein Schimmer dessen, was wir Humor nennen; bei den jetzigen Neuromantikern erst recht nicht. Darum konnte ein so eindringender Geist wie Novalis in einem und demselben Atem die romantische Ironie dem Humor gleichsetzen und den Humor ver�chtlich behandeln. Ich brauche zum Beweise blo� zwei S�tze eines von ihm selbst ver�ffentlichten Fragments aus dem »Bl�tenstaub«[114] (Schriften, herausg. v. Minor II. 117) umzustellen. »Was Fr. Schlegel so scharf als Ironie charakterisiert, ist meinem Bed�nken nach nichts andres als die Folge, der Charakter der Besonnenheit, der wahrhaften Gegenwart des Geistes. Schlegels Ironie scheint mir echter Humor zu sein... Humor ist eine willk�rlich angenommene Manier. Das Willk�rliche ist das Pikante daran.« Man k�nnte lachen: die �berwindung der Welt, die �berwindung des eigenen Denkens und das eigenen Gef�hls, die �berphilosophie, ist zu einer Schulmanier geworden.

Ich habe die Selbstt�uschung der Romantiker, ihre Verwechslung von Humor und Ironie darlegen zu m�ssen geglaubt, um jetzt Goethes seltsam ablehnende Ausspr�che �ber den Humor verstehen zu lehren. Goethe hatte das Wort einst in dem alten englischen Sinne �berliefert erhalten, im Sinne von Wunderlichkeit; so gebraucht er das Wort noch in »Dichtung und Wahrheit«, wenn er von dem verwegenen Humor seiner Jugendstreiche erz�hlt. Dann lernte der reife Mann den Begriff in der Verzerrung der Romantiker kennen. Und gegen diese Verzerrung gehen S�tze wie (Spr�che in Prosa 108): »Es gibt nichts Gemeines, was, fratzenhaft ausgedr�ckt, nicht humoristisch auss�he«; ferner: »Der Humor ist eins der Elemente des Genies, aber sobald er vorwaltet, nur ein Surrogat desselben; er begleitet die abnehmende Kunst, zerst�rt, vernichtet sie zuletzt« (701). Man vergleiche auch, was er (456) gegen die psychologischen Qu�lereien der »Hypochondristen, Humoristen und Heautontimorumenen« vorbringt.

Und Goethe, der sich einst von hypochondrischer Selbstqu�lerei durch die Sch�pfung des Werther befreit hatte, hat doch auch den Mephistopheles geschaffen, der nahe genug an das Ideal einer humoristischen Gestalt herantritt. Was etwa noch fehlt, kann nicht geistige �berlegenheit sein; denn Goethe war weise. Kann nicht G�te sein, die dem humoristischen Dichter nicht fehlen darf; denn Goethe war gut. Aber die Eigenschaft des Humors, das Lachen des Humors kann nur ein Mensch besitzen; und Mephistopheles ist kein Mensch,[115] ist nur die personifizierte Ironie. Ist der H�hepunkt der Ironie, den die Romantiker ein Menschenalter sp�ter als etwas Neues forderten. Auch war wohl Goethe zu gegenst�ndlich, um sich im Subjektivismus des Humors auszugeben; endlich zu egoistisch, um eine seiner Gestalten bis zum Humor zu lieben.

1 Das Beispiel von Sokrates, wie ihn Aristophanes auf die B�hne brachte, scheint mir nicht gl�cklich gew�hlt; der und Kleon entsprachen nach der Vorstellung der Athener ja gerade dem humour, wie ihn Dryden verstand und wie ihn Lessing damals noch auffa�te.
2 »Auch Einer,« ist wie ein Musterbeispiel zu einer neuen Theorie (l, S. 448) aus Vischers �sthetik: »Die humoristische Pers�nlichkeit braucht... kein grundliederlicher Falstaff zu sein. Katarrh und H�hneraugen reichen hin, eine Natur, wie sie der Humor fordert, unendlich ungl�cklich zu machen; denn sie hat die geistige Organisation, zu f�hlen, was das hei�en will, in der Ausf�hrung der reinsten Zwecke gehindert, in den sch�nsten Augenblicken gest�rt zu sein durch Husten, Schneuzen, Spucken, Niesen, Hinken. Sie ist darin so empfindlich wie nacktes Fleisch in einer Wunde, sie ist ein schalloses Ei.«