Michael Jungblut, Die Reichen und die Superreichen in Deutschland (original) (raw)
Geldadel und Verbraucherplebs
Und doch, eines ist wahr: Im vollen Genu� des Konsumrausches, geblendet von der Zahl der Autos, Waschmaschinen und Fernsehger�te, dem ganzen �Glitzerkram� der Wohlstandsgesellschaft, hat die Masse der Verbraucher den Blick f�r die Entwicklung der gesellschaftlichen Wirklichkeit verloren. Wenn sich die Bundesb�rger Meinungsforschern anvertrauen, so zeigt sich, da� die Erhaltung des Erreichten weit an der Spitze steht. Gebannt wie das Kaninchen auf die Schlange starren die Deutschen auf die Stabilit�t der Mark und haben keine dringlichere Forderung an ihre Regierung als die, den Geldwert zu erhalten. Mit einigem Abstand folgt die Sorge um die Arbeitspl�tze. Eher zaghaft wird der Wunsch ge�u�ert, der Staat m�ge doch die Steuern senken. Erst dann erinnert der Durchschnittsb�rger unter �ferner liefen� daran, da� auch die Verm�gensbildung der Arbeiter und Angestellten gef�rdert werden m�ge. Wenn die Meinungsforscher diese Frage nicht schon auf ihrem Katalog h�tten, so w�rde wohl kaum jemand daran denken, dieses Problem �berhaupt zu erw�hnen.
Den meisten B�rgern der Bundesrepublik ist gar nicht bewu�t, da� sich im westlichen Nachkriegsdeutschland neben der freudig die Gegenwart genie�enden Verbraucherplebs ein Geldadel herausgebildet hat, in dessen H�nden sich eine ungeheure Verm�genskonzentration vollzogen hat:
- W�hrend die Masse der Westdeutschen das Wirtschaftswunder freudig bestaunte und sich eine ansehnliche Sammlung dauerhafter Konsumg�ter zulegte, h�ufte eine an der Gesamtzahl der Bev�lkerung gemessen verschwindend kleine Zahl von Kapitalbesitzem eine noch ansehnlichere Sammlung von Besitztiteln am Produktivkapital dieses Staates an.
- W�hrend die gro�e Masse der Arbeitnehmer bescheidene Summen auf ihren Sparkonten ansammelte, die vor allem dazu dienten, die etwas kostpieligeren Statussymbole wie Auto, Fernsehger�t und Waschmaschine anzusparen, teilen einige wenige Reiche die deutsche Wirtschaft unter sich auf.
- W�hrend Millionen Familien gl�cklich dar�ber waren, endlich eine bequeme, moderne Wohnung gefunden zu haben, machten einige Leute, die zuf�llig ein paar g�nstig gelegene Grundst�cke besa�en oder denen eine Bodenspekulation gegl�ckt war, Millionengesch�fte auf Kosten des Steuerzahlers oder privater Bauherren.
- W�hrend in der Bundesrepublik mit mehr oder weniger Erfolg darum gerungen wurde, im politischen Bereich endlich ein Gef�hl f�r demokratische Spielregeln zu entwickeln und das parlamentarische System im Bewu�tsein der Bev�lkerung zu verankern, entstand in der Wirtschaft eine Oligarchie des Reichtums.
- W�hrend im politischen Bereich die monarchistische Regierungsform l�ngst in Vergessenheit geriet, wird die Wirtschaft weiterhin nach einem System regiert, das Alleinherrscher, Erbprinzen und Lehnsf�rsten kennt.
- W�hrend bescheidene Versuche, die Verm�gensbildung in Arbeitnehmerhand zu f�rdern, von Interessenten als Marsch in den Kollektivismus und Kommunismus diffamiert wurden, machte der Staat den Unternehmern Milliardengeschenke und erm�glichte �ber eine trickreiche Steuerpolitik den Aufbau riesiger Industrieimperien.
Bei all dem bleiben die alten und neuen Reichen im Land weitgehend unbekannt. Bei Umfragen nach den wohlhabendsten M�nnern in der Bundesrepublik wurden von der Mehrzahl der Befragten Namen wie Konrad Adenauer, Ludwig Erhard oder Hermann Josef Abs genannt. M�nner wie Friedrich Flick, Herbert Quandt oder Helmut Horten sind weitgehend unbekannt, obwohl sie riesige Konzerne beherrschen. Rudolf August Oetker, den Herrn �ber Versicherungen, Banken, Reedereien, Nahrungsmittelfabriken, Brauereien und einen bunten Kranz anderer Firmen, stellen sich die meisten derjenigen, die seinen Namen �berhaupt kennen, als einen Mann mit roten runden B�ckchen vor, der h�ufig eine Sch�rze tr�gt und gern Pudding kocht. Sie k�nnen sich gar nicht vorstellen, da� er etwas anderes produziert als Schokoladenpulver, Himbeerpudding und Vanilleso�en.
Michael Jungblut, Die Reichen und die Superreichen in Deutschland, Hamburg 1971, S. 21 f.