Michael Jungblut, Die Reichen und die Superreichen in Deutschland (original) (raw)

Die zu teure Wahrheit

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Demgegen�ber ist es um so erstaunlicher und �rgerlicher, da� man in den Statistischen Jahrb�chem wenig bis gar nichts zu der wirtschafts- und gesellschaftspolitisch so wichtigen Frage nach H�he und Verteilung des Verm�gens in der Bundesrepuba findet (um nur eine der weit klaffenden L�cken dieses Zahlenfriedhofs zu erw�hnen). Lediglich einige Aufstellungen �ber die Einkommens- und Verm�genssteuern sind vorhanden. Die Frage, wem die deutsche Wirtschaft geh�rt und wie sich die Besitzverh�ltnisse im Lauf der Zeit ver�ndern, l��t sich anhand dieser mageren Steuertabellen nur sehr vage beantworten. Ob die Konzentration des Verm�gens in der Bundesrepublik zu- oder abnimmt, l��t sich nur n�t Hilfe komplizierter Sch�tzungen feststellen.

Professor Bruno Gleitze klagte deswegen einmal: �Die Theorie ist gespalten, wenn sie Beziehungen zwischen Einkommenspolitik und Verm�gensbildung kl�ren will. Die statistische Erfassung der qualitativen Prozesse, die sich w�hrend der Nachkriegszeit vollzogen haben und bis dahin ungewohnte quantitative Ausma�e annahmen, blieb in Deutschland trotz besonders hochentwickelter Statistik leichtfertig oder sogar mit Absicht so sehr vernachl�ssigt, da� uns auch heute noch jene funktionalen Zusammenh�nge verborgen sind, die als statistische Gr��enordnungen hinter den Globalgr��en der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung stehen.� Mit anderen Worten: Der Kampf um die Verteilung von Einkommen und Verm�gen spielte sich jahrelang ab wie ein Negerkampf im Tunnel. Wie der gemeinsam gebackene Kuchen bei diesem Ringen wirklich verteilt wurde, blieb im dunkeln - sehr zum Vorteil der Sieger.

Es w�re ungerecht, den amtlichen Zahlensamrnlern deswegen Vorw�rfe zu machen. Ihnen sind die H�nde gebunden. Damit mu�ten sich auch die Experten des �Sachverst�ndigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung� abfinden. Ihnen ist zwar von Regierung und Parlament der gesetzliche Auftrag erteilt worden, sich auch kritisch mit der Einkommens- und Verm�gensverteilung zu befassen, denn: �In die Untersuchung soll auch die Bildung und die Verteilung von Einkonunen und Verm�gen einbezogen werden.�2 Doch die Volksvertreter verga�en, die daf�r notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Als die F�nf Weisen nach den erforderlichen statistischen Unterlagen fahndeten und den Pr�sidenten des Statistischen Bundesamts dabei um Unterst�tzung baten, mu�te dieser bedauernd ablehnen.

In einem Brief des damaligen Pr�sidenten Gerhard F�rst an den Vorsitzenden des Sachverst�ndigenrats hei�t es: �... Die deutsche amtliche Statistik hat auch bisher die gro�e Bedeutung einer eingehenden statistischen Darstellung der erw�hnten, �konomisch wie politisch gleich wichtigen Tatbest�nde in keiner Weise verkannt. Sie bem�ht sich deshalb auch seit langem darum, geeignete Unterlagen bereitzustellen. Es ist jedoch nicht zu bestreiten, da� noch nicht alle angestrebten Ziele erreicht werden konnten ... Relativ reichhaltig ist das Material �ber Tarif- und Effektivverdienste sowie �ber Lohnkosten f�r weite Bereiche der Wirtschaft. Am ung�nstigsten ist die Lage in bezug auf Angaben �ber die Verm�gensverteilung ... Schon jetzt l��t sich im �brigen absehen, da� einige W�nsche nicht (oder nur teilweise) ohne zus�tzliche Statistiken erf�llt werden k�nnen. Damit w�rden entsprechende Rechtsgnmdlagen erforderlich, denn die amtliche Statistik kann ohne speziellen gesetzlichen Auftrag nicht t�tig werden. Ob in absehbarer Zeit neue Gesetze �ber Einkommens- und Verm�gensstatistiken erlassen werden, h�ngt von vielen Umst�nden ab, die im einzelnen nicht dargelegt zu werden brauchen.�

Mit dem Mantel christdemokratischer Eigenliebe

Von solchen hei�en Eisen l��t ein Beamter wie Gerhard F�rst besser die Finger. Doch welche Gr�de m�gen es wohl sein, die dazu gef�hrt haben, da� es zwar sehr detaillierte Statistiken �ber Tarffl�hne, Effektivverdienste und soziale Leistungen gibt, aber wenig oder nichts �ber H�he und Entstehung der gro�en Einkommen und Verm�gen? Dar�ber, welche Kosten ein Arbeiter oder Angestellter verursacht, um wieviel die L�hne, die Lohnnebenkosten oder die sozialen Abgaben gestiegen sind, gibt jede Firma gern Auskunft. Was ein Arbeiter oder Angestellter einbringt, wird dagegen lieber verschwiegen. Ihre Gewinne ver�ffentlichen (von wenigen l�blichen Ausnahmen abgesehen) nur die Unternehmen, die dazu vom Gesetz gezwungen werden. Wer etwas �ber die Einkommens- und Verm�gensverh�ltnisse der Unternehmer erfahren m�chte, verletzt nach einer weitverbreiteten - und von den Betroffenen mit Hingabe gepflegten - Ansicht schamlos die Intimsph�re. Dieser sich an der H�he des Einkommens orientierenden Auffassung von Diskretion ist es denn wohl auch zuzuschreiben, da� die Statistiker die bei den Finanz�mtern liegenden Lohnsteuerkarten der Arbeiter und Angestellten (versehen mit vollem Namen und Adresse) unbehindert auswerten d�rfen, w�hrend die Angaben �ber das Einkommen der Gro�verdiener vorher auf Karten ohne Identit�tsangabe �bertragen werden.

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Michael Jungblut, Die Reichen und die Superreichen in Deutschland, Hamburg 1971, S. 29 f.