Michael Jungblut, Die Reichen und die Superreichen in Deutschland (original) (raw)

Das Sch�fchen im trockenen

Im Jahre 1969, als sich in Bonn zum erstenmal eine sozialdemokratisch gef�hrte Regierung um den Kabinettstisch versammelte, als zum Teil von Ausschreitungen begleitete Studentenunruhen die �ffentlichkeit beunruhigten und im Ruhrgebiet seit langer Zeit wieder wilde Streiks ausbrachen - just in diesem Jahr schien es dem Warenhausk�nig Helmut Horten an der Zeit, Kasse zu machen. Dabei bewies er noch einen erstaunlich sicheren gesch�ftlichen Instinkt. Er bot die Aktien seines Konzerns n�mlich genau auf dem Scheitelpunkt eines Booms feil. Schon wenige Monate sp�ter h�tte er die Papiere nicht mehr so g�nstig absto�en k�nnen. So aber waren die K�ufer der hochgelobten Anteile die Dummen. Sie mu�ten es hinnehmen, da� die mit vielen Hoffnungen erworbenen Aktien schon wenige Wochen sp�ter an den B�rsen weit unter dem Preis notiert wurden, den sie Horten gezahlt hatten.

�Die rasch wachsende Warenhausgruppe der Horten-, Merkur- und Defaka-H�user, die in diesem Jahr die Urnsatzgrenze von 2 Milliarden DM �berschreiten wird, vollendet jetzt den �bergang vom Ein-Mann-Unternehmen zur Aktiengesellschaft mit Beteiligung breiter Anlegerkreise.� Mit diesen Worten hatten die Deutsche Bank und Helmut Horten im Dezember 1969 der �ffentlichkeit mitgeteilt, da� die Warenhausgruppe zum Verkauf stehe - um dann gleich klarzumachen, wer Herr im Hause sein werde: �Die Beteiligung eines breiten Aktion�rskreises wird die Stetigkeit der F�hrungsverh�ltnisse und die gesch�ftspolitische Linie des auf die Person ihres Gr�nders ausgerichteten Unternehmens unber�hrt lassen.� Ein halbes Jahr zuvor war in der Konzernzentrale noch jedes Ger�cht, Helmut Horten wolle sich ganz oder teilweise von den Aktien seines Unternehmens trennen, mit gr��ter Entschiedenheit zur�ckgewiesen worden.

Die Wahrheit war, da� Horten den Verkauf seines Warenhausimperiums von langer Hand vorbereitet hatte. Im Herbst 1968 wurde seine Horten GmbH in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, deren alleiniger Anteilseigner und deren Aufsichtsratsvorsitzender Helmut Horten hie�. Der Aufsichtsratsvorsitzende Horten bewilligte sodann dem Aktion�r Horten f�r dieses Gesch�ftsjahr eine �Vollaussch�ttung� in H�he von 75 Millionen Mark, mit der er sich selber f�r vierzehn dividendenlose Jahre entsch�digte. Seinen Mitarbeitern lie� er anl��lich seines 60. Geburtstages auch etwas zukommen - im Durchschnitt 500 Mark pro Kopf. Insgesamt wurden f�r diese Geburtstagsspende 15 Millionen Mark aufgewendet. W�hrend der Kaufhaus-Kr�sus dann weiter versichern lie�, er denke nicht daran, auch nur eine einzige Aktie zu verkaufen, verhandelte er schon mit der Deutschen Bank und der Commerzbank �ber den Verkauf einer Schachtelbeteiligung, also von 25 Prozent seiner Aktien. Als das Gesch�ft schlie�lich zustandekam, erl�ste er daf�r 230 Mark je Aktie im Nennwert von 50 Mark. Zum gleichen Preis bot er wenige Monate sp�ter weitere 50 Prozent des Gesamtkapitals der Horten AG von 250 Millionen dem breiten Publikum an - Kurswert insgesamt 515 Millionen Mark. Dieser Preis war im Vergleich zu dem, den die Banken gezahlt hatten, �berh�ht. Denn Aktienpakete werden �blicherweise teurer, d. h. mit einem �Paketaufschlag�, gehandelt als einzelne Papiere. Das ist durchaus berechtigt. Wer 25 Prozent vom Kapital einer Aktiengesellschaft erwirbt (man spricht von einer �Schachtelbeteiligung�), erlangt eine besondere Machtstellung und kommt in den Genu� von Steuervorteilen.

Alles in allem konnte Helmut Horten so innerhalb weniger Monate weit �ber 800 Millionen Mark seinem Privatkonto gutschreiben lassen. Was er mit den Millionen zu tun gedachte, belie� Horten erst einmal im dunkeln. Er lie� nur verbreiten, da� er als Aufsichtsratsvorsitzender und Besitzer des restlichen Kapitalviertels sein Handelsimperium weiter von seinem Refugium im Tessin aus fernsteuern werde. Da die H�lfte des Aktienkapitals sehr breit unter das Publikum gestreut worden war, braucht er nicht zu f�rchten, da� ihm irgendeiner ins Gesch�ft hineinredet. Insofern war die Bemerkung, da� die �F�hrungsverh�ltnisse und die gesch�ftspolitische Linie des auf die Person ihres Gr�nders ausgerichteten Unternehmens unber�hrt� bleiben w�rden, durchaus korrekt. Horten blieb der Alleinherrscher, auf dessen Wink hin der Konzern gef�hrt wird. Nur das Risiko hatte er weitgehend auf andere Schultern geladen. Die einzige Einschr�nkung seiner Macht war die Beteiligung der beiden Gro�banken mit ihrer Sperrminorit�t - die sie aber nur aus�ben k�nnen, wenn sie sich einig sind.

Eine Milliarde im zweiten Anlauf

Einschlie�lich des von ihm noch gehaltenen Kapitalviertels hat es dieser Mann also geschafft, innerhalb von nur zwanzig Jahren ein Verm�gen von gut einer Milliarde Mark anzuh�ufen. Der Erfolg, den er beim zweiten Anlauf erzielte, war noch spektakul�rer als seine ersten gesch�ftlichen Schachz�ge.

Helmut Horten, der das Verkaufen im Warenhaus Leonhard Tietz (heute Kaufhof) gelernt hat, kam 1909 in Bonn als Sohn eines Juristen und sp�teren Oberlandesgerichtspr�sidenten zur Welt. Der begabte junge Mann kam im Handel schnell voran und wurde bald Abteilungsleiter eines Textilkaufhauses. Seinen wachen Blick f�r die besonderen gesch�ftlichen M�glichkeiten, die sich aus den herrschenden politischen Zust�nden jeweils ergeben, bewies er dann bereits mit 27 Jahren. Im Mai 1936 erwarb er aus dem Besitz einer j�dischen Familie das Duisburger Textilkaufhaus �Alsberg�. Die n�tigen Geldmittel f�r den Gelegenheitskauf hatte ihm der Bankkaufmann Wilhelm Reinhold beschafft, der daf�r Teilhaber der Firma Horten u. Co. wurde. Bereits im September des gleichen Jahres griff Horten noch einmal zu und �bernahm das Kaufhaus �Hess� in Wattenscheid. Die Jahre bis zum Kriegsausbruch 1939 nutzte der agile Kaufmann, um seine Firma noch um sechs weitere Warenh�user zu erweitern. Da Hortens Qualit�ten auch h�heren Orts offenbar nicht �bersehen werden konnten, wurde seinem Unternehmen in der Zeit der Zwangswirtschaft w�hrend des Krieges die Verteilung der Warenkontingente an die Kauf- und Warenh�user im gesamten Niederrheinbereich �bertragen. Die Engl�nder sahen in ihm deshalb einen �Wehrwirtschaftsf�hrer� und sperrten Horten 1947/48 f�r siebzehn Monate in ein Internierungslager. Er erzwang schlie�lich durch einen Hungerstreik seine Freilassung - gerade noch rechtzeitig f�r den Start ins Wirtschaftswunder.

Am Tag nach der W�hrungsreform. hatte Horten wie jeder andere Westdeutsche nur seine 40 Mark Kopfquote in der Tasche. Au�erdem nannte er allerdings noch ein Tr�mmergrundst�ck und zwei kleine Kaufh�user sein eigen. Vereint mit seiner au�ergew�hnlichen unternehmerischen Begabung und seinem gesch�ftlichen Sp�rsinn reichte diese Vorgabe f�r ihn aus, um den nach Karstadt, Kaufhof und Hertie viertgr��ten deutschen Warenhauskonzern aufzubauen. Noch im Jahr der W�hrungsreform hatte er den ersten Kaufhausneubau nach dem Krieg in der Rekordzeit von nur hundert Tagen aus dem Tr�mmerboden der Stadt Duisburg gestampft. Als er sich 1969 von drei Vierteln des Kapitals seines Unternehmens trennte, wurden in 51 der modernsten Warenh�user in allen Teilen der Bundesrepublik unter dem Signum Horten, Merkur und Defaka f�r rund 2 Milliarden Mark Waren in seinem Namen verkauft.

Gewi�, Helmut Horten hat sich als ungew�hnlich t�chtiger Unternehmer erwiesen und hat es in hervorragender Weise verstanden, mit seinem Pfund zu wuchern. Nicht jeder, der unter den gleichen Bedingungen wie Horten begonnen hat, konnte nach nur zwei Jahrzehnten ein �hnlich stolzes Ergebnis vorweisen. Dennoch wird man die runde Milliarde Mark, die dieser Warenhausvirtuose in der gleichen Zeit als pers�nliches Verm�gen aufbaute, schwerlich allein seiner individuellen T�chtigkeit zuschreiben d�rfen. Als Manager w�ren ihm f�r die gleiche Leistung pro Jahr vielleicht 1 bis 2 Millionen Mark verg�tet worden. In zwanzig Jahren h�tte er also zwischen 20 und 40 Millionen Mark erhalten, mithin nur ein F�nfzigstel bis ein F�nfundzwanzigstel der Summe, die er schlie�lich sein eigen nennen konnte. Viele bedeutende Wirtschaftsf�hrer, die nach dem Krieg �hnliche Leistungen vollbrachten wie Horten, mu�ten sich mit einer solchen Entlohnung �bescheiden�. Ohne Mitarbeiter und ohne die Hilfe des Staates w�re eine derart massive Zusammenballung von Verm�gen in der Hand eines einzelnen innerhalb so kurzer Zeit nie m�glich gewesen.

Es w�re gewi� reizvoll, anhand der Gesch�ftsb�cher der Horten AG zu ermitteln, wie viele Millionen des Eigenkapitals und sonstiger Eigenmittel der Warenhausgruppe den gro�z�gigen Abschreibungsm�glichkeiten zu verdanken sind, die der Staat nach der W�hrungsreform seinen flei�igen Unternehmern gew�hrte (vgl. Kapitel II). Ein weiteres gro�z�giges Geschenk nahmen M�nner wie Horten und Springer (der seinen Pressekonzern Anfang 1970 in eine Aktiengesellschaft umwandelte) in Gestalt des ihnen von der Gro�en Koalition bescherten Umwandlungssteuergesetzes entgegen. Es erlaubte ihnen, ihre Unternehmen ohne allzu harte steuerliche Folgen in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln. Vor Erla� dieses Gesetzes mu�ten sie n�mlich bei der Umwandlung ihre stillen Reserven (also dem Finanzamt bis dahin vorenthaltene Gewinne) aufl�sen und nachversteuern. Davor scheuten die meisten nat�rlich zur�ck.

Michael Jungblut, Die Reichen und die Superreichen in Deutschland, Hamburg 1971, S. 67 ff.