Michael Jungblut, Die Reichen und die Superreichen in Deutschland (original) (raw)

Die im stillen verdienen

Da war das Fundament einiger anderer Gr��en der westdeutschen Wirtschaft in der Stunde Null schon etwas breiter als bei Werner Otto. Bei den Werhahns beispielsweise hatten schon die V�ter und Gro�v�ter die Basis f�r den Aufstieg an die goldene Spitze zementiert. Die Mitglieder dieses Familienclans brauchten nach dem Krieg eigentlich nur ihre alten Stammpl�tze an der Spitze der Verm�genspyramide wieder einzunehmen - was sie mit der ihnen eigenen Diskretion auch taten. Die erzkatholische Familie aus Neu� am Rhein, die mit Adenauer verbunden (des ersten Kanzlers j�ngste Tochter Libeth heiratete Hermann Josef Werhahn) und mit dem ehemaligen K�lner Kardinal Frings befreundet war, blieb trotz ihrer weitverzweigten Engagements in Industrie und Handel der �ffentlichkeit weitgehend unbekannt. Die Werhahns haben es stets vorgezogen, im stillen Geld zu verdienen. �Schweigsamer noch als die Quandts, die lieber etwas Falsches lesen, als etwas Wahres sagen, sind die Werhahns in Neu߫, schrieb einmal das Wirtschaftsmagazin Capital. Erst durch die Verbindung zum langj�hrigen Kanzler der Bundesrepublik und vor allem dadurch, da� Libeth Werhahn bei offiziellen Anl�ssen in Bonn und bei Auslandsreisen h�ufig bei ihrem Vater die Rolle der First Lady �bernahm, geriet der Name Werhahn etwas h�ufiger in die Spalten der Zeitungen.

Der Grundstein des heutigen Familienkonzerns wurde bereits im vergangenen Jahrhundert mit einem Handelsgesch�ft f�r Holz und D�ngemittel gelegt. Sp�ter kamen die Getreide- und �lm�llerei sowie Interessen im Braunkohlenbergbau hinzu. Der eigentliche Aufstieg in den Kreis der gro�en Familien begann f�r die Werhahns, als der 1880 geborene Peter Wilhelm Werhahn die Leitung der Gesch�fte in die Hand nahm. Er verst�rkte die Stellung der Gruppe im Kohlenbereich und erweiterte den buntgemischten Strau� gesch�ftlicher Interessen um den Lebensmitteleinzelhandel, die Seifenfabrikation und Beteiligungen in der Elektrizit�tswirtschaft. Sp�ter kamen Brauereien, Baugesellschaften und das Versicherungsgesch�ft hinzu. Auch im Bankgesch�ft war Peter Wilhelm aktiv. Einige der Unternehmen, in denen das Geld der Werhahns arbeitete, waren in Mitteldeutschland heimisch und gingen nach dem Zweiten Weltkrieg verloren. Doch der Sippe verblieb im kapitalistischen Westen noch genug, um auf den Grundmauern nach bew�hrtem Muster einen neuen Gemischtwarenkonzern aufzubauen.

Heute reicht der F�cher der Werhahn-Interessen von Baugesellschaften und Baustoffproduzenten wie der K�lner Strabag, der Basalt-Actiengesellschaft in Linz, dem Kalksteinwerk Rheinland und den Rheinischen Baustoffwerken �ber die Rheinland-Versicherung und die Heinrich Industrie- und Handelsgesellschaft bis hin zu der Berliner Lebensmittelkette Bolle. Dieses Filialunternehmen besitzt nicht nur in der alten Reichshauptstadt in allen Bezirken moderne Superm�rkte, sondern betreibt u. a. auch im Hamburger Raum Dutzende von Gro�rauml�den.

Unter dem Konzerndach der Neu�er Sippe arbeiten auch die Lebensmittel-Filialketten Schade und F�llgrabe in Frankfurt und Georg Sch�tzlein in M�lheim. Zu den Perlen in der Kette der Werhahn-Engagements geh�rt die Wick�ler-K�pper Brauerei AG in Wuppertal, die zu den erfolgreichsten und expansivsten Bierquellen der Bundesrepublik z�hlt. Diese Sudst�tte stieg unter der Leitung ihres dynamischen Managers Henry Reichholt in knapp zehn Jahren von einer nur m��ig florierenden Regionalbrauerei auf Platz drei unter den deutschen Hektolitermillion�ren. Mit Spr�chen wie �M�nner wie wir, Wick�ler Bier�, ermuntern drei lachende Musketiere in Anzeigen und auf Plakatw�nden rings um Wuppertal brave Familienv�ter, durch hohen Bierkonsum tapfer in das harte Ringen der Brauereien um Marktanteile zugunsten Wick�lers einzugreifen. Da� sie sich damit gleichzeitig auch um die Neu�er Sippe verdient machten, war den meisten M�nnern, die sich von den sch�umenden Ma�kr�gen der Musketiere zum Wick�ler-Trunk animieren lie�en, wohl kaum bewu�t.

Den Werhahns ist es gelungen, ihrem buntgemischten Konzern und einer weitverzweigten Familie eine einheitliche F�hrungsspitze zu geben und damit ihre Kapitalkraft weiter geb�ndelt einzusetzen. Ihre Zentralfirma in Neu� z�hlt zwar �ber sechzig zur Familie geh�rende Gesellschafter, doch nur einige von ihnen sind vertretungsberechtigt. Dadurch wurde es m�glich, auch nach dem Tode von Peter Wilhelm Werhahn, dem �ungekr�nten K�nig von Neu߫, im Jahre 1964 die Gruppe zusammenzuhalten und weiter im stillen zu wirken. Denn was die Sippe wirklich alles besitzt, wei� kaum jemand. Heribert Werhahn, der im Bankbaus Wilh. Werhahn in Neu� residierende Chef der Gruppe, l��t auf alle Anfragen mitteilen, �interne Zahlen werden nicht bekanntgegeben�. Alle bisherigen Sch�tzungen von Au�enseitern seien im �brigen falsch, denn �bei uns sieht doch keiner durch�.

Michael Jungblut, Die Reichen und die Superreichen in Deutschland, Hamburg 1971, S. 75 ff.