Einstige Einfachheit und heutiger Luxus (original) (raw)
Lucius Annaeus Seneca
Aus Senecas Briefen
(Sen.epist.86)
SENECA LUCILIO SUO SALUTEM
Seneca grüßt seinen Lucilius
(86,1) In ipsa Scipionis Africani villa iacens haec tibi scribo adoratis manibus eius et ara, quam sepulcrum esse tanti viri suspicor. Animum quidem eius in caelum, ex quo erat, redisse persuadeo mihi, non quia magnos exercitus duxit (hos enim et Cambyses furiosus ac furore feliciter usus habuit), sed ob egregiam moderationem pietatemque, quam magis in illo admirabilem iudico, cum reliquit patriam, quam cum defendit. Aut Scipio Romae esse debebat aut Roma in libertate.
Unmittelbar aus Scipios Villa schreibe ich dir dies, nachdem ich seinen Manen und ihrem Altar, den ich für das Grabmal des großen Mannes halte, meine Ehrfurcht bezeugt habe. Dass sein Geist in den Himmel, woher er kam, zurückkehrte, ist mein fester Glaube, nicht weil er große Kriegsheere befehligte (denn diese hatte auch Kambyses, jener Wüterich, der bei seiner Wut Glück hatte); sondern wegen seiner seltenen Mäßigung und treuen Gesinnung gegen das Vaterland, die sich noch bewunderungswürdiger offenbarte, da er es verließ, als da er es verteidigte. Entweder musste Scipio auf Rom oder Rom auf die Freiheit verzichten.
(86,2) 'Nihil' inquit 'volo derogare legibus, nihil institutis; aequum inter omnes cives ius sit. Utere sine me beneficio meo, patria. Causa tibi libertatis fui, ero et argumentum: exeo, si plus quam tibi expedit, crevi.'
"Ich will", sagte er, "den Gesetzen und der Verfassung nichts (von ihrem Ansehen) entziehen; gleiches Recht gelte unter allen Bürgern; genieße, Vaterland, meine Verdienste ohne mich! Ich war dir der Urheber der Freiheit; ich werde dir auch der Beweis für sie sein. Ich entferne mich, wenn ich größer geworden bin, als dir erträglich ist."
(86,3) Quidni ego admirer hanc magnitudinem animi, qua in exilium voluntarium secessit et civitatem exoneravit? Eo perducta res erat, ut aut libertas Scipioni aut Scipio libertati faceret iniuriam. Neutrum fas erat; itaque locum dedit legibus et se Liternum recepit tam suum exilium rei publicae imputaturus quam Hannibalis.
Wie sollte ich diese Seelengröße nicht bewundern, mit der er freiwillig in die Verbannung ging und den Staat (von Besorgnis) befreite? Es war dahin gekommen, dass die Freiheit den Scipio oder Scipio die Freiheit beeinträchtigte. Keines von beiden sollte geschehen: und so räumte er den Gesetzen das Feld und zog sich nach Liternum zurück, um, wie Hannibal mit seiner Verbannung dem Vaterland ein Opfer zu bringen.
(86,4) Vidi villam extructam lapide quadrato, murum circumdatum silvae, turres quoque in propugnaculum villae utrimque subrectas, cisternam aedificiis ac viridibus subditam, quae sufficere in usum vel exercitus posset, balneolum angustum, tenebricosum ex consuetudine antiqua: non videbatur maioribus nostris caldum nisi obscurum.
Ich habe seine aus Quadersteinen gebaute Villa gesehen; sie ist zusammen mit einem kleinen Wald von einer Mauer umschlossenen; Türme erheben sich als ein Bollwerke zu beiden Seiten. Unterhalb des Gebäudes und der Parkanlagen befindet sich ein Wasserbehälter, geräumig genug, um ein ganzes Kriegsheer zu versorgen. Der Baderaum ist, nach alter Art, klein, eng und dunkel: unsere Alten meinten, ein Bad wäre nicht warm, wenn es nicht dunkel wäre.
(86,5) Magna ergo me voluptas subiit contemplantem mores Scipionis ac nostros: in hoc angulo ille 'Carthaginis horror', cui Roma debet, quod tantum semel capta est, abluebat corpus laboribus rusticis fessum. Exercebat enim opere se terramque, ut mos fuit priscis, ipse subigebat. Sub hoc ille tecto tam sordido stetit, hoc illum pavimentum tam vile sustinuit: at nunc quis est, qui sic lavari sustineat?
Es war mir ein großer Genuss, die Sitten Scipios im Vergleich mit den unsrigen zu betrachten. In diesem Winkel wunsch der Schrecken Karthagos, dem es Rom verdankt, dass es nur einmal erobert wurde, seinen von ländlichen Geschäften ermüdeten Körper; denn er übte sich in regelmäßigem Tagewerk und bebaute, wie es die Sitte der Alten war, seinen Boden selbst. Unter diesem so unansehnlichen Dach stand er; dieser so wenig kostbare Fußboden trug ihn. Und jetzt - wer fände es erträglich, so zu baden?
(86,6) Pauper sibi videtur ac sordidus, nisi parietes magnis et pretiosis orbibus refulserunt, nisi Alexandrina marmora Numidicis crustis distincta sunt, nisi illis undique operosa et in picturae modum variata circumlitio praetexitur, nisi vitro absconditur camera, nisi Thasius lapis, quondam rarum in aliquo spectaculum templo, piscinas nostras circumdedit, in quas multa sudatione corpora exsaniata demittimus, nisi aquam argentea epitonia fuderunt.
Arm und gemein kommt sich jeder vor, dessen Zimmer nicht von großen und kostbaren Metallspiegeln erglänzen; dessen Wände nicht mit alexandrinischem Marmor bekleidet und mit Tafeln von numidischem ausgelegt sind, während in wechselnden Farbtönen ein kunstvoller Saum, wie ein Gemälde, sich rings herumzieht; dessen gewölbte Decke nicht mit Glas getäfelt ist; dessen Teiche, bestimmt, den durch vieles Schwitzen entgifteten Körper aufzunehmen, nicht mit thasischem Gestein, früher selbst in Tempeln ein seltener Anblick, eingefasst sind; dessen Badewasser nicht aus silbernen Hähnen strömt.
(86,7 Et adhuc plebeias fistulas loquor: quid, cum ad balnea libertinorum pervenero? Quantum statuarum, quantum columnarum est nihil sustinentium, sed in ornamentum positarum impensae causa! quantum aquarum per gradus cum fragore labentium! Eo deliciarum pervenimus, ut nisi gemmas calcare nolimus.
Und noch spreche ich nur von den Badekanälen der Plebeier; kommen wir erst in die Bäder der Freigelassenen - welche Menge von Statuen, von Säulen, die nichts tragen, sondern nur zur Zierde, des Aufwands wegen, aufgestellt sind! Welche Fülle des Wassers, das sich sprudelnd über die Stufen ergießt! Wir sind so anspruchsvoll geworden, dass wir nur auf Edelsteine treten wollen.
(86,8) In hoc balneo Scipionis minimae sunt rimae magis quam fenestrae muro lapideo exsectae, ut sine iniuria munimenti lumen admitterent; at nunc blattaria vocant balnea, si qua non ita aptata sunt, ut totius diei solem fenestris amplissimis recipiant, nisi et lavantur simul et colorantur, nisi ex solio agros ac maria prospiciunt. Itaque quae concursum et admirationem habuerant, cum dedicarentur, ea in antiquorum numerum reiciuntur, cum aliquid novi luxuria commenta est, quo ipsa se obrueret.
In diesem Bad Scipios sind ganz kleine Fenster, vielmehr Ritzen in die Steine einer Mauer gebrochen, um ohne Nachteil für die Festigkeit des Gebäudes, einiges Licht einzulassen. Jetzt aber nennt man jedes Bad ein Schabenloch, wenn es nicht so eingerichtet ist, dass es das volle Tageslicht durch weite Fenster empfängt; wenn man nicht im Bad auch von der Sonne gefärbt wird, und nicht von der Wanne aus auf Fluren und Meer sieht. Gebäude, bei deren Einweihung das Volk sich voller Bewunderung versammelte, werden, wenn der Luxus etwas Neues ausgesonnen hat, womit er sich selbst überbietet, unter die veralteten Dinge gerechnet.
(86,9) At olim et pauca erant balnea nec ullo cultu exornata: cur enim exornaretur res quadrantaria et in usum, non in oblectamentum reperta? Non suffundebatur aqua nec recens semper velut ex calido fonte currebat, nec referre credebant, in quam perlucida sordes deponerent.
In früheren Zeiten gab es nur wenige (öffentliche) Badehäuser, ohne alle Pracht; denn wozu auch Schmuck für eine Sache, die einen Quadrans (Pfennig) kostete und dem Bedürfnis, nicht dem Vergnügen diente? Da wurde nicht immer neues Wasser nachgegossen, keine ununterbrochene Flut strömte wie aus einem warmen Brunnen herzu; man legte keinen großen Wert darauf, seinen Schmutz in kristallhellem Wasser abzusetzen.
(86,10) Sed, di boni, quam iuvat illa balinea intrare obscura et gregali tectorio inducta, quae scires Catonem tibi aedilem aut Fabium Maximum aut ex Corneliis aliquem manu sua temperasse! Nam hoc quoque nobilissimi aediles fungebantur officio intrandi ea loca, quae populum receptabant, exigendique munditias et utilem ac salubrem temperaturam, non hanc, quae nuper inventa est similis incendio, adeo quidem, ut convictum in aliquo scelere servum vivum lavari oporteat. Nihil mihi videtur iam interesse, ardeat balineum an caleat.
Aber mit welchen Empfindungen tritt man in jene dunkeln, auf alltägliche Weise übertünchten Räume, wo wir wissen, dass ein Cato, als Aedil, ein Fabius Maximus, oder einer der Cornelier die Temperatur des Bades eigenständig bestimmte? Denn auch dieser Pflicht unterzogen sich die vornehmsten Aedile, in die Bäder, die das Volk aufnahmen, sich zu begeben, und für Reinlichkeit und eine zweckmäßige und zuträgliche Temperatur zu sorgen, nicht eine solche, wie sie in neueren Zeiten aufgekommen ist, so glühend heiß, dass es für Sklaven, die irgend eines Verbrechens überführt sind, eine Strafe sein sollte, lebendig so zu baden. Ich sehe nicht, welcher Unterschied heutzutage zwischen einem warmen Bad und einem siedenden ist.
(86,11) Quantae nunc aliqui rusticitatis damnant Scipionem, quod non in caldarium suum latis specularibus diem admiserat, quod non in multa luce decoquebatur et expectabat, ut in balneo concoqueret! O hominem calamitosum! nesciit vivere. Non saccata aqua lavabatur, sed saepe turbida et, cum plueret vehementius, paene lutulenta. Nec multum eius intererat, an sic lavaretur; veniebat enim, ut sudorem illic ablueret, non ut unguentum.
Welcher Gemeinheit wird jetzt von manchen Scipio beschuldigt, weil er nicht durch große Tafelscheiben den Tag in sein Badezimmer einließ; weil er sich nicht im hellen Licht kochen ließ und darauf wartete, dass er im Bad seine Verdauung besorgte! Der arme Mann! Er wusste nicht zu leben. Er badete nicht in geläutertem, oft sogar in trübem, und wenn es stark regnete, fast schmutzigem Wasser. Und er machte sich wenig daraus; denn er kam, um den Schweiß, nicht das Salböl abzuspülen.
(86,12) Quas nunc quorundam voces futuras credis? 'Non invideo Scipioni: vere in exilio vixit, qui sic lavabatur.' Immo, si scias, non cotidie lavabatur; nam, ut aiunt, qui priscos mores urbis tradiderunt, brachia et crura cotidie abluebant, quae scilicet sordes opere collegerant, ceterum toti nundinis lavabantur. Hoc loco dicet aliquis: 'liquet mihi inmundissimos fuisse'. Quid putas illos oluisse? militiam, laborem, virum. Postquam munda balnea inventa sunt, spurciores sunt.
Was werden jetzt manche dazu sagen? "Ich beneide den Scipio nicht; wer so badet, lebt recht eigentlich als Verbannter." Und wenn du wüsstest, dass er nicht einmal alle Tage badete! Denn die Schriftsteller über die alten Sitten Roms sagen uns, dass man Arme und Beine, die nämlich bei der Arbeit beschmutzt wurden, alle Tage abwunsch, den ganzen Körper aber nur alle acht Tage badete. "Ja," höre ich sagen, "sie waren sehr unsauber, diese Alten; wie mögen sie gerochen haben?" Nach Waffendienst rochen sie, nach Arbeit, nach Mannheit! Seitdem die eleganten Bäder erfunden sind, ist man schmutziger.
(86,13) Descripturus infamem et nimiis notabilem deliciis Horatius Flaccus quid ait?
Pastillos Buccillus olet.
Dares nunc Buccillum: proinde esset ac si hircum oleret, Gargonii loco esset, quem idem Horatius Buccillo opposuit. Parum est sumere unguentum, nisi bis die terque renovatur, ne evanescat in corpore. Quid, quod hoc odore tamquam suo gloriantur?
Horatius Flaccus sagt, um einen berüchtigten und sehr auffallenden Weichling zu bezeichnen:
Würzmorsellen verhaucht Bucill -. (Hor.sat.1,2,27)
Aber denken wir uns diesen Bucillus heutzutage; es wäre nicht anders, als ob er Bocksduft verhauchte, wie Gargonius, den Horaz dort dem Bucillus entgegensetzt. Es genügt nicht, Salböl zunehmen; zwei- bis dreimal am Tag muss es wiederholt werden, um nicht auf der Haut zu verduften. Und dabei rühmen sie sich dieses Wohlgeruchs als des ihrigen!
(86,14) Haec si tibi nimium tristia videbuntur, villae inputabis, in qua didici ab Aegialo, diligentissimo patre familiae (is enim nunc huius agri possessor est) quamvis vetus arbustum posse transferri. Hoc nobis senibus discere necessarium est, quorum nemo non olivetum alteri ponit, quod vidi illud arborum trimum et quadrimum fastidiendi fructus aut deponere.
Wenn dir diese Betrachtungen zu ernst erscheinen sollten, so rechne es dieser Villa zu! Von dem jetzigen Besitzer des Landgutes, Aegialus, einem ungemein fleißigen Haus- und Landwirt, habe ich gelernt, dass Bäume, auch wenn sie noch so alt sind, verpflanzte werden können. Dies zu lernen ist besonders für uns Greise nötig, wie wir unsere Ölbäume insgesamt für andere setzen. Einen solchen Ölgarten von drei-und vierjährigen Bäumen, deren Früchte ihm missfielen, habe ich ihn sogar noch im Herbst umpflanzen gesehen.
(86,15) Te quoque proteget illa, quae
tarda venit seris factura nepotibus umbram,
ut ait Vergilius noster, qui non, quid verissime sed quid decentissime diceretur, aspexit, nec agricolas docere voluit, sed legentes delectare.
Auch dich wird der Baum schützen, der, wie unser Vergilius sagt,
Strebt mit langsamer Mühe, dem späteren Enkel zu schatten. (Verg.georg.2,58)
Vergilius sah weniger darauf, was wahr, als was schön gesagt sei: er wollte weniger den Landmann belehren, als seine Leser ergötzen.
(86,16) Nam, ut alia omnia transeam, hoc, quod mihi hodie necesse fuit deprehendere, adscribam:
vere fabis satio est; tunc te quoque, Medica, putres
accipiunt sulci, et milio venit annua cura.
An uno tempore ista ponenda sint et an utriusque verna sit satio, hinc aestimes licet: Iunius mensis est, quo tibi scribo, iam proclivis in Iulium: eodem die vidi fabam metentes, milium serentes.
Um anderes zu übergehen, will ich nur eine Stelle erwähnen, auf die ich heute stoßen musste:
Bohnen im Lenze gelegt! Dich, medischer Klee, auch empfähet,
dann die gelockerte Furch', und es kehrt der Hirse Bestellung. (Verg.georg.1,215f.)
Ob diese Geschäfte in dieselbe Zeit fallen und ob diese und jene Bestellung zugleich im Frühling eintrete, kannst du daraus entnehmen, dass ich dir dies im Juni, der sich nun schon dem Juli nähert, schreibe, und dass ich an einem Tage Bohnen einsammeln und Hirse säen sah.
(86,17) Ad olivetum revertar, quod vidi duobus modis positum: magnarum arborum truncos circumcisis ramis et ad unum redactis pedem cum rapo suo transtulit, amputatis radicibus, relicto tantum capite ipso, ex quo illae pependerant. Hoc fimo tinctum in scrobem demisit, deinde terram non adgessit tantum, sed calcavit et pressit.
Ich komme auf die Ölbäume zurück, die ich auf zweierlei Weise verpflanzen sah: An den größeren Stämmen schnitt er Zweige bis auf die Länge eines Fußes ab, entfernte ebenfalls die Wurzeln, von denen er nur die Köpfe, aus denen sie herauswuchsen, stehen ließ, und versetzte so den Stamm mit den bloßen kurzen Knoten. Diese tauchte er in Dünger und versenkte sie ihn in die Grube, worauf er Erde herbeischaffte, die er drückte und festtrat.
(86,18) Negat quicquam esse hac, ut ait, pisatione efficacius. Videlicet frigus excludit et ventum; minus praeterea movetur et ob hoc nascentes radices prodire patitur ac solum adprendere, quas necesse est cereas adhuc et precario haerentes levis quoque revellat agitatio. Rapum autem arboris, antequam obruat, radit; ex omni enim materia, quae nudata est, ut ait, radices exeunt novae. Non plures autem super terram eminere debet truncus quam tres aut quattuor pedes; statim enim ab imo vestietur nec magna pars eius quemadmodum in olivetis veteribus arida et retorrida erit.
Er behauptete, nichts sei wirksamer, als dieses Feststampfen; dadurch werden Winde und Kälte abgehalten; der Stamm werde weniger bewegt; die keimenden Wurzeln, die, weich wie Wachs, nur erst schwach sich festhalten und von jeder leichten Bewegung losgerissen werden, können sich ungehindert ausbreiten und sich in den Boden festsaugen. Eine Stelle des Baumes schabt er ab, ehe er sie mit Erde bedeckt; denn aus jedem entblößten Holz dringen, wie er sagt, neue Wurzeln hervor. Der Stamm darf aber nicht über drei bis vier Fuß über die Erde hervorragen; denn so bekleidet er sich gleich von unten auf mit Zweigen und bleibt nicht, wie sonst alte Ölbäume, großen Teils dürr und knorrig.
(86,19) Alter ponendi modus hic fuit: ramos fortes nec corticis duri, quales esse novellarum arborum solent, eodem genere deposuit. Hi paulo tardius surgunt, sed cum tamquam a planta processerint, nihil habent in se abhorridum aut triste.
Die zweite Art zu pflanzen war folgende: er steckte starke Zweige, deren Rinde, wie bei jungen Bäumen, noch weich war, auf dieselbe Weise in den Boden. Diese wachsen etwas langsamer heran; allein da sie gleichsam aus den Keim gezogen sind, haben sie nichts Rauhes und Verkommenes an sich.
(86,20) Illud etiamnunc vidi, vitem ex arbusto suo annosam transferri; huius capillamenta quoque, si fieri potest, colligenda sunt, deinde liberalius sternenda vitis, ut etiam ex corpore radicescat. Et vidi non tantum mense Februario positas sed etiam Martio exacto; tenent et conplexae sunt non suas ulmos.
Auch sah ich einen alten Weinstock verpflanzen, dessen Wurzelfasern man so viel möglich zusammennehmen und sodann die Rebe reichlich mit Erde bedecken muss. Ich habe welche gesehen, die im Februar gepflanzt worden waren und schon Ende März die Ulme fassten und umklammerten.
(86,21) Omnes autem istas arbores quae, ut ita dicam, grandiscapiae sunt, ait aqua adiuvandas cisternina; quae si prodest, habemus pluviam in nostra potestate.
Allen jenen Bäumen aber, die sozusagen großzweigig sind, muss man, wie er behauptet, mit Zisternenwasser zu Hilfe kommen; wenn dies anschlägt, so haben wir den Regen in unserer Gewalt.
Plura te docere non cogito, ne quemadmodum Aegialus me sibi adversarium paravit, sic ego parem te mihi. Vale!
Mehr gedenke ich dich nicht zu lehren, damit ich dich mir nicht ebenso zum Nebenbuhler mache, wie mein Aegialus mich sich gemacht hat. Lebe wohl!
Sententiae excerptae:
Lat. zu "Sen" und "epist.86,"
1230
Pastillos Buccillus olet.
Würzmorsellen verhaucht Bucillus.
Hor.sat.1,2,27 (Sen.epist.86,13)
1231
Quamvis vetus arbustum potest transferri.
Ein Baum kann, sei er noch so alt, verpflanzte werden.
Sen.epist.86,14
1229
Aequum inter omnes cives ius sit!
Gleiches Recht gelte unter allen Bürgern!
Sen.epist.86,2 (nach Scipio)
Literatur:
zu "Sen" und "epist.86,"
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