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ARTOIS

Lexikon des Mittelalters: Band I Spalte 1072
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Artois
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Grafschaft im nordwestlichen Frankreich mit der Hauptstadt Arras. Es ist zu unterscheiden zwischen
a) den fränkischen Grafen, die in Arras, dem Hauptort des pagus Atrebatensis, amtierten
b) dem Territorium, das nach der Expansion der Grafen von Flandern in diesem Raum entstand
**c)**der 1226 errichteten Apanage für einen Sohn König Ludwigs VIII., die den Namen "Grafschaft Artois" erhielt und damit vollends zum Regionalbegriff wurde.

Grafen im erstgenannten Sinn waren im 9./10. JahrhundertOdelricus (um 853-877), Ecfrid (Effroi), der UNROCHINGER Rudolf (Raoul, + 892) und nach kurzem Zwischenspiel Balduins von Flandern, von 899-923 die Grafen Altmar (Adalmar) und Adalhelm(Alleaume). Nach dem Tod des letzteren (932) fällt Artois an den Grafen Arnulf I. von Flandern. Kurze Zeit schon einmal Mitgift einer flandrischen Grafentochter für die KAPETINGER(die Ehe der Susanne mit Robert II. wurde bald geschieden), wurde das Artois als intagraler Bestandteil des flandrischen Prinzipates in seine inzwischen weiter gefaßten Territorien (mit Lens, Bethune, Lillers, Aire, Therouanne im Norden, Avesnes-le-Comte und für kurze Zeit auch Doullens im Süden mit Oberhoheit über Guines, Boulogne und St-Pol) durch den Grafen von Flandern, Philipp von Elsaß, zur Mitgift für seine Nichte Elisabeth (Isabella) von Hennegau bestimmt, als diese 1180 König Philipp II. August heiratete. Bei der Geburt ihres Sohnes Ludwigverwaltete der König ihre Territorien; er mußte sich für kurze Zeit mit der Abtrennung von Lillers, Aire und St-Omar abfinden, dieBalduin IX. im Vertrag von Peronne 1200 übergeben wurden, dessen Bestimmungen 1212 durch den dem Grafen von Flandern, Ferrand von Portugal, aufgezwungenen Vertrag von Lens aufgehoben wurden. Andererseits sollten Lens, Hesdin und Bapaume 1226-1252 das Witwengut derKönigin Blanca (Blanche de Castille) bilden; 1226 wurde im Artois eine Apanage für den zweiten Sohn Ludwigs VIII.,Robert, geschaffen. Dieses Territorium wurde im Juni 1237 zur "Grafschft Artois"; die erweiterte Grafschaft umfaßte die Mitgift der Isabella von Hennegau bis auf Doullens und Bapaume, die wieder der königlichen Domäne eingegliedert wurden; dafür kam Bethune 1312 durch den Vertrag von Pontoise an de Grafschaft Artois.
Das Haus ARTOIS besaß die Apanage von 1237-1362; seine Verwaltung war überaus straff, ja kleinlich (Rechnungen von Baillis sind in großer Zahl überliefert). Die Grafen unterstützten allgemein die Sache derKAPETINGER: Robert I. fiel 1250 bei Mansurah, Robert II. 1302 bei Kortrijk, die Tochter Roberts II.,Mahaut (1302-1329), Gemahlin Ottos IV. von Burgund, warf 1314 die Adelsaufstände im Artois nieder, wobei sie sich mit der Kirche und dem König verband.Philipp VI. half ihr als Gegenleistung, ihren Neffen Robert von Artois in Schach zu halten, der unter Berufung auf die ständische Repräsentation Ansprüche geltend machte (1309,1318,1329). 1332 geächtet, wurdeRobert zum aktiven Agenten der englischen Politik in den Niederlanden.
Die Ehen der Mahaut, später diejenigen ihrer Enkelin Johanna II.(mitHerzog Odo von Burgund) bereiteten die Entstehung eines Doppelfürstentums vor. Nach dem TodPhilipps von Rouvre, der 1361 kinderlos an der Pest starb, wurde das Artois Ludwig von Maele, dem Grafen von Flandern, zuerkannt. Die 1369 geschlossene Ehe seiner Erb-TochterMargarethemit dem neuen Herzog von Burgund, Philipp dem Kühnen, dem Bruder Karls V., sellte das große Fürstentum Artois wieder her, wobei die flandrischen Territorien hinzukamen. Wenn man von der Abtrennung absieht, die die Schaffung eines englischen Territoriums um Calais (1347) beinhaltete, so bewahrte die Grafschaft Artois nach ihrer Eingliederung in den Verband der burgundischen Staaten die Grenzen des 13. Jahrhunderts. Beim Tod Johanns von Berry(1416) wurde die Grafschaft Boulogne, die an diesen Fürsten gefallen war und bis dahin in Lehnsabhängigkeit gestanden hatte, dem Artois wieder angegliedert; ebenso kamen 1435 Hesdin und Bapaume, die faktisch schon seit 1421 von den Burgundern besetzt waren, an das Artois. Dafür verblieb 1482 bei der Regelung der Erbfolge Karls des Kühnen das Boulonnais bei Ludwig XI., während das eigentliche Artois, an das Haus HABSBURG fiel.