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Reindel, Kurt:
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"Die bayerischen Luitpoldinger von 893-989"

953-954
Dem Aufstand Liudolfs, des Sohnes König Ottos I., schließen sich in Bayern die Söhne Herzog Arnulfs, an ihrer Spitze der Pfalzgraf Arnulf an.
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Das Jahr 953 sah den Königs-SohnLiudolf gegen seinen Vater im Aufstand. Anlass und Hintergründe dieser Entzweiung brauchen uns hier nicht zu interessieren, da Angehörige der luitpoldingischenFamilie daran nicht beteiligt waren. Im Juli des Jahres 953 belagerte KönigOTTO I. das von Liudolfbesetzte Mainz, in dem sich auchKonrad von Lothringen befand und HerzogHeinrich führte die Bayern als Hilfstruppen des Königs heran. Nun griff ein LUITPOLDINGERhandelnd in den Gang der Dinge ein. Es war der gleichnamige Sohndes alten HerzogsArnulf, der in der Lebensbeschreibung des heiligen Bischofs Ulrich von Augsburg als Pfalzgraf bezeugt ist. Ihm hatte Herzog Heinrich 953 für die Dauer seiner Abwesenheit die Sorge für das ganze Land Bayern anvertraut. Das Amt eines Pfalzgrafen hat nach Riezler zu der noch aus karolingischemBrauch übernommenen Vertretung des Königs im Hofgericht für Streitsachen in Bayern durch OTTO I. vielleicht auch gewisse Verwaltungsbefugnisse für das Reichsgut in diesem Land hinzuerhalten. Doch ist dazu auch Lintzel zu vergleichen, der an der Bedeutung des Pfalzgrafenamtes zu dieser Zeit starke Abstriche vornahm. Wann dieses Amt dem jüngeren Arnulf verliehen wurde, ist fraglich. Riezler glaubte zwar, dass dies bereits 938 bei der Einsetzung Herzog Bertholdsgeschah, doch erscheint mir eine so frühe Datierung unwahrscheinlich. Gerade von Arnulf hieß es nämlich, dass ihn als einzigen König OTTOsich nicht hätte unterwerfen können. Ein genaues Datum lässt sich nicht festlegen, doch werden jedenfalls noch einige Jahre vergangen sein, ehe OTTO I. sich zu diesem erneuten Einlenken gegenüber der alten bayerischen Herzogsfamilie entschloss.
Die Geschicke dieses LUITPOLDINGERS, der sich nun plötzlich im Besitz der Gewalt über ganz Bayern sah und des in schwerem Kampf gegen seinen Vater stehenden Liudolf sollten sich in den nächsten Monaten eng miteinander verknüpfen, doch von welchem der beiden Männer die Initiative zu dieser Verbindung ausging, wird nicht ganz klar. Wir haben für diese Ereignisse vier sehr ausführliche und voneinander unabhängige Quellen, die zudem noch dem 10. Jahrhundert angehören: Gerhards Lebensbeschreibung desBischofs Ulrich von Augsburg, dessen Hauptinteresse natürlich den Taten des königstreuen Bischofs galt und der uns eine lebendige Schilderung der Kämpfe in und um Augsburg gab, Ruotger Lebensbeschreibung Bruns von Köln, für den ebenso wie für den Fortsetzer Reginos mehr die Ereignisse im Westen, der Abfall des bayerischen Heeres vor Mainz von Wichtigkeit waren und schließlich Widukind, der uns einen sehr farbigen Bericht von der Belagerung Regensburgs gab. Arnolfus...Liutolfoin potestatem subiunxit heißt es bei Gerhard; cum Arnoldo... secretius pollicitationibus infinitis... egerunt steht bei Routger; LiutolfusBawarios machinatione Arnoldi... ab eo averit schreibt der Fortsetzer Reginos underat autem iunior Arnulfus cum fratribus, qui tale consilium machinatus est contra Heinricum... hat Widukind. Das machinatione Arnoldi deutet darauf hin, dass Arnulf den günstigen Umstand, für einige Zeit alleiniger Herr von Bayern zu sein, auch auf eigenen Antrieb ausnützte, ebenso wie der Abfall der bayerischen Truppen vom König vor Mainz zeigt, dass sie wohl mit den Aufrührern in der Heimat in Verbindung gestanden haben müssen. Da die Bestrebungen der beiden Männer sich kreuzten, wird sich eine Verbindung ganz von selbst ergeben haben, wobei noch dazu kam, dass für beide der HauptfeindHerzog Heinrich von Bayern war, dessentwegen Liudolfsich beim Vater zurückgesetzt fühlte und der Arnulf bei der Wiedererlangung des bayerischen Herzogtums im Wege stand. Bei diesen Bestreben konnte er sich nicht nur der Unterstützung seiner Brüder erfreuen, sondern hatte anscheinend auch den bayerischen Stamm weitgehend auf seiner Seite, denn Gerhard sprach davon, dass eine multitudo populi und eine frequentia populorum auf seiner Seite gewesen sei. Als Stellvertreter des Herzogs in Bayern war es ihm zudem ein Leichtes, das ganze Land mit den festen Plätzen in seine Gewalt zu bringen. - Inzwischen hatten sich aber auch die Dinge auf dem Kriegsschauplatz vor Mainz weiterentwickelt. Wohl Ende August 953 fand hier eine erfolglose Unterredung zwischen Liudolfund seinem Vater statt. Der Königssohn trug kein Bedenken, die Lage in Bayern zu seinen Gunsten auszunützen. An der Spitze der bayerischen Truppen, die, vielleicht auf die Kunde von den Vorgängen in der Heimat, vielleicht auch durch Liudolfüberredet, vom königlichen Heer abgefallen waren, begab er selbst sich nach Bayern. Nach der Darstellung Widukinds nahm (cepit) Liudolf Regensburg und die anderen wichtigen Städte des Landes, doch würde dieses Vorhaben nicht mit dem Zusammengehen mit Arnulf zu vereinbaren sein. Hier dürfte der Bericht Ruotgers in der Lebensbeschreibung Bruns mehr den Tatsachen entsprechen, nach dem Arnulf "zuerst sich, dann die berühmte Stadt und schließlich das ganze Reich" Liudolf übergab. DassArnulf so handelte und sich auf diese Weise einem neuen Herrn unterwarf, gab Dierauer Anlass zu zweifeln, obArnulf überhaupt der Urheber des Aufstandes in Bayern war. Wenn man bedenkt, dass Arnulf im Besitze Bayerns war und an der Spitze einer gewiss nicht geringen Mannschaft stand, auch Liudolf in der Hauptsache mit bayerischen Truppen kam, die sich sicher auch auf die Seite der alten Herzogsfamilie gestellt hätten, mag sein Vorgehen etwas merkwürdig erscheinen. Wahrscheinlich aber unterwarf er sich in Liudolf bereits dem neuen König und hatte nicht die Absicht, sich als Herzog aus dem Verband des deutschen Reiches zu lösen. Welch große Bedeutung aber andererseitsLiudolfBayern zumaß, zeigt die Tatsache, dass er sich von Mainz weg hierher begab und sich an die Spitze der Bewegung in diesem Land stellte. KönigOTTO I. folgte ihm und dem bayerischen Heere sofort und belagerte die jetzt Verbündeten in Regensburg. Daß sich der Kampf über mehrere Monate hingezogen haben muss, sehen wir aus zwei in der Umgebung der Stadt ausgestellten Königsurkunden, deren letzte vom 10. Dezember aus Schierling datiert. In beiden wurde die Kirche von Salzburg unter ihremErzbischof Herolt, der sich damals also noch auf der Seite des Königs befunden haben muss, mit Schenkungen bedacht. Während der weltliche Adel in Bayern, wohl zumeist aus Anhänglichkeit an das alte Herzogshaus, auf der SeiteArnulfs stand, verhielt sich der bayerische Episkopat schwankend, nach Riezler deshalb, weil er auf jeder Seite Gefahr sah. Lediglich Bischof Ulrich von Augsburg stand auch jetzt wieder bedingungslos auf der Seite der Reichsgewalt. Er führte zur Verstärkung des königlichen Heeres vor Regensburg den größten Teil seiner Vasallen nach dort und ließ nur eine kleine Besatzung in Augsburg zurück. Diesen günstigen Umstand nützte Arnulffür sich aus. Offenbar war das königliche Heer vor Regensburg nicht so stark, dass es die Stadt wirkungsvoll einschließen konnte, denn Arnulf begab sich ungehindert nach Augsburg. Er eroberte die Stadt, plünderte sie und führte einen Teil der bischöflichen Vasallen gefangen ab. Nach Ottenthal gab Liudolf später fast das ganze Bistum seinen Anhängern zu Lehen. Als Ulrich nach dem Abzug OTTOSvon Regensburg zu seinem Bischofssitz zurückkehrte, war die Lage so, dass er sich in Augsburg nicht mehr sicher fühlte. Im Winter 953/54 verschanzte er sich daher mit dem Rest seiner Anhänger unter großen Mühen in dem Kastell Mantahinga, wohl eher Schwabmünchen als Merching an der oberen Paar, wie Riezler wollte. Seine Lage zu Beginn des Jahres 954, als Arnulf ihn in seinem Kastell angriff, schien hoffnungslos, denn ganz Süd-Deutschland befand sich mit geringen Ausnahmen auf der Seite der Gegner des Königs. Doch gerade aus der geringen Zahl der Königstreuen sollte ihm schnelle Hilfe kommen. Nachdem Ulrich die Gegner lange mit Verhandlungen hingehalten hatte, begannArnulf am 5. Februar 954 doch mit dem Sturm auf das Kastell. Bereits am 6. Februar rückten der Bruder Ulrichs,Graf Dietpald von Dillingen unddessen Verwandter Graf Adalbert vom Marchtalzum Entsatz heran. Sie griffen die Bayern im Rücken an und obwohlGraf Adalbert in diesem Treffen fiel, wurde doch Arnulfmit seinem Heer in die Flucht geschlagen und verlor auch nochseinen Bruder Hermann, der in die Hände des Gegners fiel. - Diese Gefangennahme Hermanns zeigt, dass sich unter der FührungArnulfswohl fast alle Mitglieder der luitpoldingischenFamilie zum Kampf gegen das Königtum zusammengefunden hatten. Einem anderen Bruder Heinrich wurden in einer später zu behandelnden Urkunde seine Güter abgesprochen und ebenso erging es der Witwe des Herzogs Berthold. Lediglich **Judith,**die Gemahlin Herzog Heinrichs, hat zu ihrem sächsischen Gatten gehalten, denn sie wurde mit ihren Kindern von Liudolf aus dem Bayern verbannt und ging ihres Besitzes verlustig.
Noch während des Kampfes um das bischöfliche Kastell Schwabmünchen erschienen die Ungarn im Lande, das nun, durch keine vertraglichen Bindungen mehr geschützt, von ihnen geplündert wurde. Dass Bayern die Plünderung nach der langjährigen Schonung umso empfindlicher gefühlt haben muss, zeigen nicht nur die Klagen, die etwa aus dem Kloster Benediktbeuren drangen, sondern auch der von Widukind berichtete Waffenstillstand bis zum 15. Juni, um den die aufständischen Bayern civili exercitu externoque fatigati den König bitten mussten. Ganz deutlich zeigen dann die Verhandlungen auf dem Reichstag zu Langenzenn am 16. Juni 954, wie sehr der Krieg gegen die äußeren und inneren Gegner ineinander spielte. Hier kann wohl an Homans Vermutung erinnert werden, wonach der angeblich zu den Ungarn geflüchtete Herzog Eberhard die Verbindung zwischen diesen und den Aufständischen in der Heimat kämpfte. Doch auf dem Tag zu Langenzell wollten beide Parteien von einer solchen Verbindung nichts wissen. Dass die Bayern sich durch Tributzahlungen und Liudolf durch die Stellung eines Führers nach Franken von den Ungarn losgekauft hatten, gab Herzog HeinrichAnlass zu der Anklage, die Aufständischen hätten mit den auswärtigen Feinden paktiert. Liudolf richtete den gleichen Vorwurf gegen Heinrich. Eine Entscheidung über die Wahrheit dieser Angaben wird sich heute nicht mehr fällen lassen. Dümmler meinte, eher sei Herzog Heinrich in der Lage gewesen, sich eines so verzweifelten Mittels zu bedienen als sein siegreicher Neffe. Auch würde ja die Plünderung, die Bayern über sich ergehen lassen musste, gegen eine Verbindung mit den Ungarn sprechen. Ich möchte eher glauben, dass die Ungarn ungerufen kamen, angelockt durch die Aussicht auf eine bei der inneren Zwietracht leichte Beute. Doch lichtete der Reichstag von Langenzenn die Reihen der Königsgegner, nur Liudolfund mit ihm die Bayern unter Arnulf verharrten im Aufstand und warfen sich wieder nach Regensburg. Der König folgte ihnen sogleich und machte sich zunächst an die Belagerung der von ihren Truppen besetzten Festung Roßtal bei Kadolzburg südwestlich von Nürnberg. Trotz eines ungemein erbitterten Kampfes konnte KönigOTTO zu keinem Erfolg kommen und zog weiter nach Regensburg, das in den nächsten Wochen belagert wurde. Von diesem Kampf um die bayerische Hauptstadt gibt die Schilderung bei Widukind ein außerordentlich farbiges Bild, doch können wir darauf sowie auf die Verhandlungen zwischen OTTO I. und seinem Sohn hier nicht näher eingehen. Uns interessiert nur noch das Schicksal des LUITPOLDINGERS, der an der Spitze der Bayern gegen den König im Kampf stand. Durch Hunger war die Lage in der Stadt verzweifelt geworden, sodass man immer wieder durch Ausfälle eine Wendung herbeizuführen suchte. Bei einem solchen Unternehmen am Osttor, wo auf der Gegenseite Markgraf Gerobefehligte, fiel Arnulf im Kampf. Erst drei Tage später wurde seine Leiche ohne Waffen und von Geschossen durchbohrt vor der Stadt von einer Frau gefunden, die vor den Toren herumirrte, um etwas Essbares zu suchen. Sollte er mit dem Arnolt comes des Freisinger Nekrologs identisch sein, so könnte man seinen Todestag auf den 22. Juli 954 festsetzen. Nach seinem Tod gaben die Bayern den Kampf auf, ein Zeichen, dass sie in Arnulf ihren rechtmäßigen Herrn gesehen hatten und ein Zeichen, wie sehr sie noch an der alten Herzogsfamilie hingen.