lechner_karl_beitraege (original) (raw)

Lechner Karl: Seite 250-264
************
"Beiträge zur Genealogie der älteren österreichischen Markgrafen"

Bevor wir nun der Herkunftsfrage nachgehen, ist es notwendig, die urkundlichen Nennungen Liutpoldszusammenzustellen. Die bisher, aber auch erst seit kurzem erkannte früheste Nennung ist zu "etwa 963" zu setzen, um welche Zeit in einer Salzburger Urkunde (es handelt sich um eine Schenkung von Gütern in Oberösterreich an Salzburg) als Zeuge ein"Liutpold comes"angeführt wird. Alle anderen Nennungen fallen nach 976. Nun darf ich aber auf die bereits für Markgraf Burcharderwähnten Zeugenreihe im Ottonianum für die römische Kirche vom 13.2.962 hinweisen, wo unter den Signa von Grafen und Hochadeligen nach einem Ernst, Thieter und Ricdag "Liupen"genannt wird. Es besteht kein Zweifel, dass dies der (richtig gebildete deutsche) Genitiv des Personennamens"Liupo" ist, das eine Kurz- und Koseform für"Liutold"ist). Es kommt um diese Zeit kaum ein anderer Träger dieses seltenen Namens in Betracht als der um die gleiche Zeit oder kurz darauf in Salzburg genannte Graf Liutpold(wobei wir uns daran erinnern, dass ein paar Tage vor der Ausstellung des Ottonianums das Erzbistum Salzburg seine Palliums-Verleihung erhielt). Das heißt: Nicht nur der damalige erste Inhaber der Markgrafschaft Österreich,Burchard, sondern auch sein Nachfolger Liutpold ist auf dem zweiten Romzug OTTOS und bei seiner Kaiserkrönung in seiner Umgebung in Rom gewesen - für Österreich bedeutsam genug.
976, 21. Juli, sind"marchio Liutpolt" und Bischof Heinrich von Augsburg (der Sohn seines Vorgängers Burchard) Intervenienten bei OTTO II. für die Rückgabe von Gütern an Kloster Metten (im Donaugau, bei Deggendorf gelegen), die dem Kloster einst vonBerthold(von Reisenberg), einem Enkel Herzog Arnulfs, geschenkt worden waren, später aber entzogen wurden. Die Beziehungen zu LIUTPOLDINGERN sind deutlich! Noch 983, anlässlich der Bestätigung einer Schenkung von Gütern an St. Emmeram, sind solche "in pago Tonahgeuui in comitatu Liutpoldi"gelegen. Markgraf Liutpold war alsoGraf in der unteren Grafschaft des Donaugaues (um Straubing, Deggendorf). Schon 979 aber wird Liutpold auch alsGraf im Sundergau genannt, als OTTO II.das in diesem Gau "et in comitatu Liutpoldi" gelegene Kloster Tegernsee beschenkt. 977 aber liegt die Ennsburg, dieKaiserOTTO II. an Passau schenkt, "in pago Trungouue in comitatu Liu(t)paldi". Das heißt also: Liutpold hat, zumindest noch 977, eine Grafschaft im Traungau, womit deutlich zum Ausdruck kommt, was sich auch sonst seit der KAROLINGER-Zeit immer wieder findet, dass ein Markgraf auch die der Mark im Mutterland anliegende Grafschaft verwaltet. Freilich scheinen die österreichischen Markgrafen diese Grafschaft nicht lange besessen zu haben. Endlich wirdLiutpold noch 985 genannt, als OTTO III. an Passau auch Abgaben freier Kolonen überweist, von dessen Gütern, die "in marca Liutbaldi comitis" gelegen sind. Keinen Beweis haben wir dafür, dass Liutpold der Burggrafschaft Regensburg vorstand.
994 ist Markgraf Liutpold gestorben. Sein Todestag findet sich übereinstimmend in Nekrologen verschiedenster Klöster; zuerst in dem bereits oben erwähnten Nekrolog von St. Emmeram in Regensburg, als "Liupolt marchio"zum10. Juli. Wir verweisen dabei darauf, dass schon sein Vorgänger Burchard dort eingetragen war und dass wir auch in dem oberen Donaugau (um Regensburg) anliegenden Quinzing-(Künzing-) und Schweinachgau gleich darauf weitere BABENBERGERals Grafen finden - dies alles also weist auf das Kerngebiet von Bayern hin. Dass die Regensburger Annalen vom Grafen Liutpold Kenntnis nehmen, ist begreiflich. Aber LiutpoldsTodestag ist auch in mitteldeutschen Quellen verzeichnet. Zunächst im großen Nekrolog von Fulda - allerdings ohne Tagesangabe. Beziehungen zu Fulda können wir auch sonst erschließen. Abgesehen davon, dass O. Mitis und E. Zöllner bereits für das 8. und 9. Jahrhundert Beziehungen vonkarolingischen Adelsgeschlechtern gleicher Weise zum Traungau wie zum Maingebiet und besonders zu Fulda erschlossen haben, so haben wir bereits in der 1. Hälfte des 10. Jahrhunderts Beziehungen von Trägern der Namen"Adalbraht" und "Liubold" zu Fulda, von wo sich auch Fäden nach Franken (Bamberg) spinnen.
Nach Sachsen weist auch der Nekrolog des Domstifts von Merseburg aus der Wende des 10. und 11. Jahrhunderts, wo "Liudpold marchio"zum 10. Juli (6 id. Julii) eingetragen ist, mit Angabe seiner tödlichen Verletzung am 8. Juli und der Beisetzung am 11. Juli. Thietmar, Bischof von Merseburg, hat in seiner Chronik (lib. IV, c.21) die näheren Umstände des Todes von Markgraf Liutpold und die eben erwähnten drei Tage genau angeführt. Ob die VerwandtschaftThietmars mit Liutpold (dessen Bruder oder Vatersbruder Berthold von Schweinfurt war mit Eilaverheiratet,deren Bruder Graf Siegfried von Walbeckder Vater Thietmars war) genügend Grund für die Nennung Liutpoldsin der Chronik und im Nekrolog von Merseburg ist (auch nähere VerwandteThietmar fehlen im Nekrolog) oder ob hier noch andere Beziehungen zu Sachsen vorliegen, bleibt dabei noch offen. Jedenfalls ist auch noch in den zeitgenössischen Annalen von Quedlinburg der Todestag Liutpoldsangeführt (zu 7 non. Junii), während der sächsische Annalist von Thietmar abhängig ist. Endlich aber muss darauf verwiesen werden, dass Markgraf Liutpold in dem zwar aus dem Ausgang des 14. Jahrhunderts stammenden, aber auf älteren Quellen zurückgehenden Anniversarium von Einsiedeln zum Juli eingetragen ist. Die Vorlagen sind die zeitgenössischen Annalen von Einsiedeln, die das Todesjahr 994 nennen. Auf Schwaben endlich weist vor allem die Gedenkstiftung der "BABENBERGER"im Verbrüderungsbuch des Klosters Reichenau, auf die wir unten bei der Familie Markgraf Liutpolds ausführlich zu sprechen kommen. Unbemerkt aber war es bisher geblieben, dass Markgraf Liutpoldund seine Gemahlin auch im Verbrüderungsbuch von Salzburg angeführt sind: In einer Eintragung des 10. Jahrhunderts stehen nebeneinander: "Richkart,Liutpold". Sehr wahrscheinlich haben wir es hier mit dem erstn "babenbergischen"Markgrafenpaarzu tun.
Ich möchte aber doch an der Ableitung des ersten österreichischen Markgrafen von der Familie des bairischen Markgrafen Liutpold des Alten( 907) festhalten. Dafür spricht doch der an und für sich selteneName "Liutpold", der nun zumLeitnamen des Geschlechtes der "babenbergischen"Markgrafenund Herzöge in Österreich wurde. Auch der Name Berthold im Schweinfurter Grafenhaus würde sich so erklären. Durchaus aber fehlen dieNamen Arnulf und Eberhard - was etwa dadurch erklärbar wäre, dass diese Namen für das ottonische Königshaus keinen guten Klang hatten. Für Bayern aber sprechen die Beziehungen, die Markgraf Liutpold I.und seine Nachkommen zu den Donaugrafschaften (wo schon der alte Markgraf Liutpold Besitz hatte) haben, sowie die Eintragung in den Nekrologien der Regensburger Klöster.
Endlich sind auch Beziehungen der BABENBERGERbeziehungsweise
Liutpolds
zu Schwaben mit gutem Recht vertreten worden. Eine spätereBABENBERGERIN, Judith, Tochter Leopolds III., hat in Italien angegeben, dass sie nach alemannischem Recht lebe. Wir dürfen dazuhalten, dass - wie schon oben gesagt - Markgraf Liutpold im Anniversarium von Einsiedeln eingetragen ist und seine Sippe im Verbrüderungsbuch von Reichenau.