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Lechner Karl: Seite 36,39-47,54-58
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"Die Babenberger. Markgrafen und Herzoge von Österreich 976-1246"

Im Jahr 976, am 21. Juli, finden wir bereits einenmarchio Liutpaldus für die bayerische Mark an der Donau [16 Ebenda 133; BUB IV/1 Nr. 549.]. Vermutlich hatte sich Burchard an dem Aufstand seines Neffen und Lehnsherrn beteiligt und ist so seiner Mark verlustig gegangen. Ein neuer Mann trat nun in der Mark auf, zweifellos ein solcher, der sich des Vertrauens des Königs und Kaisers erfreute. Es war der Ahnherr eines Geschlechtes, das nun 270 Jahre hindurch die Mark und das spätere Herzogtum Österreich leiten sollte - das Geschlecht, das bis heute unter dem Namen der (jüngeren)"BABENBERGER" bekannt ist [18Zur Debatte über die Geschlechtszugehörigkeit dieses Markgrafen Liutpold vgl. unten Seite 39ff.].
Seine Ernennung erfolgte zu Ende 975 oder Anfang 976 [1 Vgl. dazu: BR 187f., Nr. 1, der über frühere Zeitansätze berichtet. Vg. Kapitel 2 Anmerkung 17.]. Die genannte Urkunde zeigt ihn als zusammen mit Bischof Heinrich von Augsburg in Regensburg Intervenient bei KaiserOTTO II.für das im unteren Donaugau gelegene Kloster Metten. Es ist anzunehmen, dass Liutpold schon damals Graf in diesem unteren Donaugau um Straubing und Deggendorf war. Eine Bestätigung dafür haben wir erst aus dem Jahre 983. Schon im Jahre 977 wird Liutpold wieder in einer Urkunde OTTOS II. über die Schenkung der Ennsburg an Passau genannt. Sie wird als "im Traungau in der Grafschaft Liutpolds" gelegen bezeichnet [4 DO II. 167 (a): "in pago Trungovue ... in comitatu Livpaldi". Es wurden (BUB IV/1, Nr. 550) Zweifel geäußert, ob diese Stelle so auszulegen ist, daß es im Traungau alsozwischen Ager - Hausruck - Sauwald einerseits, Steyr - Enns andererseits, eine eigene Grafschaft gab, der Markgraf Liutpoldvorstand - wofür ich mich ausgesprochen habe (Genealogische Beiträge 252f.), was aber auch E. Klebel (WV 1944) und O. Mitis angenommen haben -, oder ob nicht vielmehr die Ennsburg, die 901 zuerst genannte Anesapurch, also am westlichen Ufer der Enns gelegen, zur Grafschaft gehörte, die Liutpold in seiner Mark hatte. Gegen die erste Meinung spricht jedoch nicht der Einwand, daß im Jahre 901 die Ennsburg in der terra prefecture terminalis lag - denn zur KAROLINGER-Zeit gehörte der Traungau tatsächlich zum östlichen Markengebiet (vgl. Mitterauer, Karolingische Markgrafen 90, 104ff., 168, 180ff.).]. Kein Zweifel besteht endlich, dass Liutpoldauch Graf im sogenannten"Sundergau" zu beiden Seiten des Inn war, denn im Jahre 979 beschenkte OTTO II. das in diesem Gau und "in der Grafschaft Liutpolds" gelegene Kloster Tegernsee [5 DO. II. 192, so auch Mitis, Gedenkstiftung 261f. Dem Sundergau (Südgau) gehörten in Bayern östlich des Inn die spätere Grafschaft Kling, westlich des Inn die Grafschaft Albing und Wolfratshausen an, mit den Inhabern der letzteren bestanden später seitens der BABENBERGERverwandtschaftliche Verbindungen, Beziehungen der BABENBERGER zu Tegernsee kennen wir (siehe Anmerkung 6.).].
Markgraf Liutpold war also Graf im unteren Donaugau, wo auch seine Nachfolger noch geboten, desgleichenim Sundergau und im Traungau. Kein Zweifel auch, dass er Anhänger
KaiserOTTOS II.
war, dass er weiter, wie schon die ersten Urkunden andeuten, Beziehungen zu den LIUTPOLDINGERN hatte, ebenso zu den Klöstern Metten und Tegernsee; seine Nachfolger sind im Besitz von ehemals tegernseeischen Gütern, die einst Herzog Arnulf dem Kloster entfremdet hatte [6 Arch. Zs. NF 20 (1914) 90f.; Reindel, Luitpoldinger 86f.].
Um 963 tritt als Zeuge eines Gütertausches mit dem Erzstift Salzburg ein comes Liutpoldusauf, den wir berechtigter maßen bereits als den späteren Markgrafen gleichen Namens betrachten dürfen [7SbUB 1, 170 Nr. 2. Unmitelbar vorher steht ein Meginhart comes. Um einen nahen Verwandten handelt es sich wohl bei einem Liutpoldus, der in zwei Traditionen an Salzburg um 930 als Zeuge auftritt, jedes Mal nach einem (Graf) Diotmar, der zweifellos zur Familie der LIUTPOLDINGER gehörte (ebenda, Nr. 37 und 83, Seite 99f. und 144). Bei der ersten Schenkung geht es um Güter im Traungau (!), in der Grafschaft eines Grafen Meginhard, des Ahnherrn der späteren Grafen von Formbach-Ratelnberg. Die Urkunde von 963 hat noch eine besondere Bedeutung für die Herkunftsfrage des ersten österreichischen Markgrafen Liutpold: die Zeugen sind dort nach der nur im bairischen Rechtsgebiet geübten Gewohnheit als testes per aurem tracti genannt. Sie sind also Baiern - und nicht Franken! Da dieses Argument der Meinung von K. Uhlirz, JbbDR unter Otto II. 1 (1902) 228ff., der die Abstammung von den ostfränkischen ("alten") BABENBERGERN vertrat, widersprach, so sah er diesen Liutpold für den Sundergau-Grafen von 979 an - aber das ist ja eben schon der österreichische Markgraf Liutpold. Dazu kommt noch, daß der Name Liutpoldum diese Zeit überaus selten ist.]. Aber wir können mit der ersten Nennung des späteren österreichischen Markgrafen noch um ein Jahr zurückgehen, denn im großen Privileg KaiserOTTOS I. für die römische Kirche vom 13. Februar 962 wird unter den Zeugen neben dem bereits erwähnten Markgrafen Burchardauch ein Liupo genannt - dieKoseform für Liutpold. Es kommt um diese Zeit kein anderer Träger dieses Namens in Betracht als eben der etwa 963 erwähnte bayerische Graf Liutpold. Wir dürfen daraus nicht nur folgern, dass dieser Adelige ein treuer Gefolgsmann des deutschen Königs und römischen Kaisers war, der ihn auf seinem zweiten Romzug und bei seiner Kaiserkrönung begleitete, sondern wir können auch die Bedeutung ermessen, die diese damals errichtete bayerische Mark an der Donau für Regnum und Imperium hatte.
Eine direkte Herleitung der österreichischen Markgrafen von den ostfränkischen BABENBERGERN im Mannesstamm darf heute als aufgegeben angesehen werden, aber mütterliche Vorfahren aus diesem Haus wären durchaus denkbar. Die Möglichkeit einer Verschwägerung der LIUTPOLDINGER und der "alten BABENBERGER" haben übrigens selbst die stärksten Anwälte einer alt-babenbergischenAbkunft der "österreichischen BABENBERGER"(Uhlirz, Reindel, Geldner) angenommen. Dabei spielt auch der Name Poppo eines der Söhne Markgraf Liutpoldseine gewisse Rolle. Im Vordergrund steht heute die Herleitung von demaltbayerischen Herzogshaus der LIUTPOLDINGER (ARNULFINGER). Sie hat zuerst Aventin in seinen "Annalen der bayerischen Herzoge" aufgestellt: Liutpoldsei ein Sohn Herzog Eberhards, ein Enkel Herzog Arnulfs und ein Urenkeldes von den Ungarn 907 erschlagenen Markgrafen Liutpold gewesen. Die Abstammung der österreichischen BABENBERGER von dem altbayerischen Markgrafen Liutpold wurde immer mehr in der Forschung anerkannt, aber wie sie im einzelnen erfolgte und wer der Vater des österreichischen Markgrafen Liutpold gewesen sei, darüber gingen die Meinungen auseinander, bzw. man verzichtete auf eine konkrete Filiation.
Merkwürdigerweise wurde niemals daran gedacht, Markgraf Liutpoldvon einem jüngeren Sohn Herzog Arnulfs abzuleiten, etwa jenem Heinrich, der sich mit seinem Bruder, dem Pfalzgrafen Arnulf, am AufstandLiudolfsbeteiligte. Dieser Heinrich würde auch zeitlich als Vater des 962/63-94 nachweisbaren (Mark-)Grafen Liutpoldbesser passen als jener"ALTBABENBERGER" Graf Heinrich, der um 935 gestorben sein dürfte [16Die Meinung von Tyroller (Genealogie, Tafel 3, 77f.), dass jener Heinrichvon 953 eine Tochter Judithhatte, die den Grafen Otto von Wormsfeld - später Herzog von Kärnten,Vater des ersten deutschen Papstes Gregor V. undGroßvater des deutschenKönigsKONRAD II. - geheiratet habe, ist völlig unbegründet und wenig wahrscheinlich. Die UrkundeOTTOS von 953 ist nur in einer Abschrift aus dem 13. Jahrhundert erhalten. Vergleiche dazu Reindel, der keine Erwähnung von einer Gemahlin und einer Tochter des nur einmal genannten Heinrichmacht.].
Es spricht nichts dagegen, dass dem LIUTPOLDINGER Liutpold976 die bayerische Mark an der Donau übertragen wurde, wie seinem Onkel Heinrich das Herzogtum Kärnten. Er hatte sich, so wie sein Onkel Berthold, eben nicht am Aufstand des Zänkers974/75 beteiligt. Er tritt, wie wir gehört haben, bereits im Juli 976 als Intervenient für die Rückgabe entwendeter Güter an das in seiner Grafschaft liegende Kloster Metten auf, die einst sein Vetter Berthold geschenkt hatte. Von Ansprüchen, die er als Verwandter allenfalls stellen hätte können, ist keine Rede. Wenn wir nun noch die Tatsache der engen BeziehungenMarkgraf Liutpolds zu den bayerischen Grafschaften und die Eintragung seines Todestages in Regensburger und Salzburger Nekrologen beachten, die ebenfalls für enge Bindungen an Bayern sprechen, so sehen wir zusammenfassend entscheidende Gründe für die liutpoldingischeHerrschaft des ersten"babenbergischen" Markgrafen in der bayerischen Ostmark. Auch die Vermutung, dass der Sohn HerzogArnulfs von Bayern ( 937), Heinrich, dem 953 ein großes Gut in Kärnten konfisziert wurde, der Vater des 962/63 zuerst genannten und 975/76 zur Leitung der Mark an der Donau berufenenLiutpold sei, ist nicht abzuweisen. Wir halten es außerdem für wahrscheinlich, dass durch eine Tochter der fränkischen "alten BABENBERGER" (vermutlich des 906 hingerichteten Adalbert) eine Verbindung zwischen den beiden Häusern eingetreten ist, so dass etwa HerzogArnulf von Bayern mit einer solchen Frau (in 2. Ehe?) verheiratet war. Damit würde auch der Name Poppobei einem Sohn Markgraf Liutpoldserklärt sein.
Beim Aufstand der drei Heinrichebefand sich Markgraf Liutpoldin der Umgebung des Kaisers.
Im Jahre 994 verstarb Liutpold, der erste Markgraf der Ostmark. Über seinen Tod berichtet in erster Linie sein Verwandter, Bischof Thietmar von Merseburg. Liutpold war zusammen mit seinem Vetter Heinrich von der Schweinfurter Linievom Bischof von Würzburg zur dortigen Kiliansmesse geladen. Dabei traf ihn am 8. Juli ein Pfeilschuss, der seinem Vetter zugedacht war, und verwundete ihn tödlich. Er starb am 10. Juli. Weiter heißt es, dass er tags darauf dort, also in Würzburg, bestattet wurde.