Sebastian Bischoff | Bielefeld University (original) (raw)
Books by Sebastian Bischoff
Koloniale Welten in Westfalen (=Studien und Quellen zur Westfälischen Geschichte, Bd. 89) Schöningh, 2021
Die deutsche Kolonialzeit hat auch in Westfalen und Lippe Spuren hinterlassen: Denkmäler und Stra... more Die deutsche Kolonialzeit hat auch in Westfalen und Lippe Spuren hinterlassen: Denkmäler und Straßen ehren koloniale Akteure, ethnographische Objekte in Museen erzählen von "exotischen" Welten. Doch zwischen kolonialer und regionaler Geschichte gibt es noch viele weitere, bislang wenig beachtete Bezüge.
Nicht nur in den kolonialen Macht- und Handelszentren, auch in der Provinz prägte die Wahrnehmung des Kolonialen den Alltag. Die Autorinnen und Autoren dieses mit zahlreichen Illustrationen versehenen Bandes stellen Aus- und Rückwirkungen des Kolonialismus auf das Leben in der westfälischen und lippischen Provinz vor: Die Verflechtungen westfälischer Städte mit dem kolonialen Handel, eine kritische Aufarbeitung von Biographien und Netzwerken kolonialer Akteure, die exotisierende und rassifizierende Zurschaustellung von Menschen sowie den Umgang mit Erinnerungsorten und Sammlungen.
Am 4. August 1914 marschierten deutsche Truppen in das neutrale Belgien ein und wähnten sich eine... more Am 4. August 1914 marschierten deutsche Truppen in das neutrale Belgien ein und wähnten sich einer vermeintlich bestialisch kämpfenden belgischen Zivilbevölkerung gegenüber. Es entstanden, heute nahezu vergessen, antibelgische Feindbilder, die in der Anfangszeit des Ersten Weltkriegs in der deutschen Medienöffentlichkeit weithin Verbreitung fanden. „Belgische Grausamkeit“ entwickelte sich zum geflügelten Wort, und Belgien wurde – laut dem Herausgeber der liberalen Vossischen Zeitung – zur „größten Gefahr, die es für Deutschland geben kann“. Die Forderungen überschlugen sich: Das Land müsse unter deutsche Kontrolle gestellt, wenn nicht gar annektiert werden, und eine breite Öffentlichkeit diskutierte die Vertreibung der örtlichen Bevölkerung, ihre „Ausräumung“, um Vergeltung zu üben oder um Siedlungsland bereitzustellen.
Sebastian Bischoff analysiert erstmals systematisch die mediale Debatte über ein wichtiges, jedoch kaum beachtetes deutsches Kriegsziel. Er folgt den Dynamiken, Brüchen und Widersprüchen der nach dem katholischen Zentralorgan Germania „bedeutsamsten aller durch den Krieg aufgeworfenen Fragen“. Die Studie leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Nationalismus- und Mediengeschichte des Deutschen Kaiserreichs.
Mit seiner Äußerung über Belgien als „beautiful city“ konnte der spätere US-Präsident Donald Trum... more Mit seiner Äußerung über Belgien als „beautiful city“ konnte der spätere US-Präsident Donald Trump 2016 einen ungewollten Satireerfolg feiern. Trumps Bemerkung fiel in einer Zeit, als Belgien auf Grund islamistischer Terroranschläge in die internationalen Schlagzeilen geraten war. Spuren dieser Ereignisse verwiesen auch auf die jüngste Vergangenheit des Landes. Kenntnisse über belgische Geschichte sind im deutschsprachigen Raum jedoch noch immer verhältnismäßig gering. In diesem Sammelband vereinigt der 2012 gegründete Arbeitskreis Historische Belgienforschung erneut die auf zwei seiner Workshops vorgestellten Forschungsergebnisse von Historikerinnen und Historikern, aber auch von Vertreterinnen und Vertretern aus anderen kultur- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen. Der zeitliche Rahmen der Beiträge erstreckt sich vom Ende des 17. Jahrhunderts bis in die unmittelbare Gegenwart. Einen besonderen Schwerpunkt bildet der Erste Weltkrieg, in dem Belgien eine besondere Rolle spielte.
Belgien hat großen Anteil an allen historischen Entwicklungen Europas und beherbergt zentrale Ein... more Belgien hat großen Anteil an allen historischen Entwicklungen Europas und beherbergt zentrale Einrichtungen der Europäischen Union. Trotzdem ist es in der deutschsprachigen Forschung wenig präsent. Dieses Defizit will der 2012 gegründete Arbeitskreis Historische Belgienforschung beheben. In „Belgica – terra incognita?“ machen Sebastian Bischoff, Christoph Jahr, Tatjana Mrowka und Jens Thiel die Beiträge seiner ersten beiden Tagungen der Öffentlichkeit zugänglich, um den Stand der historischen Belgienforschung zu dokumentieren. Nicht nur Historikerinnen und Historiker, sondern auch Vertreterinnen und Vertreter der Germanistik, der Kunst- und Kulturwissenschaft sowie der Politik- und Sozialwissenschaften präsentieren Beiträge, deren zeitlicher Rahmen vom 18. Jahrhundert bis nahe an die Gegenwart reicht. Aufgrund der Lage, Bevölkerungsstruktur sowie der historischen und kulturellen Traditionen Belgiens sind stets vergleichende oder transnationale Aspekte berücksichtigt worden, was die Beschäftigung mit seiner Geschichte nicht nur empirisch ertragreich, sondern zugleich methodisch innovativ macht.
Mit Beiträgen von
Sebastian Bischoff, Lukas Cladders, Sophie De Schaep-
drijver, Winfried Dolderer, Alexander Friedman, Thomas L. Gertzen, Christiane Hoffrath, Yves Huybrechts, Christoph Jahr, Christina Kott, Tatjana Mrowka, Jakob Müller, Diana M. Natermann, Peter M. Quadflieg, Bart Quintelier, Christina Reimann, Alexander Reinfeldt, Hubert Roland, Christoph Roolf, Johannes Schmid, Dominik Scholz, Jens Thiel, Ine Van linthout, Geneviève Warland und Yasmina Zian.
Das 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert nationaler Feindbilder. Und wiewohl das Zeitalter der Ext... more Das 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert nationaler Feindbilder. Und wiewohl das Zeitalter der Extreme mit 1989 zu Ende gegangen sein soll, gibt es wenig Hinweise darauf, dass das 21. Jahrhundert das Zeitalter der allgemeinen, vorurteilslosen Menschenverbrüderung und -verschwisterung wird. Feindbilder sind darum ein wichtiges Thema, nicht nur für Historikerinnen und Historiker. Die Autoren wollen anhand eines Blickes in die Geschichte der Feindbildkonstruktion entlang dreier Fallbeispiele – China 1900, Südwestafrika 1904–1907, Belgien 1914 – einen Beitrag zu der Frage zu leisten, wie und warum eine nationale Öffentlichkeit Menschengruppen zu existenziellen Gegnern erklärt.
Articles by Sebastian Bischoff
Geschichte und Gesellschaft, 2023
This article traces the career of the West German jurist Manfred Roeder, who went from evangelica... more This article traces the career of the West German jurist Manfred Roeder, who went from evangelicalism and resistance to left-wing Protestantism to become a central conservative-nationalistic actor against “perversion” and the “porn wave” in 1970. In his militant activism he rapidly left the Christian frame of reference; his path led him to antisemitism, historical revisionism, and right-wing terrorism. The study ofRoeder can serve as a probe into the social processes of negotiation for the liberalization of sexuality and thus fundamentally for the moral-ethical sovereignty of interpretation of the time, while also shedding light on the radicalization of conservative and rightwing Christian groups in reaction to the developments of 1968 / 69.
Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 2022
Mitte der 1960er-Jahre konstatierte der Wirtschaftswissenschaftler Wilhelm Röpke, der als Archite... more Mitte der 1960er-Jahre konstatierte der Wirtschaftswissenschaftler Wilhelm Röpke, der als Architekt der „sozialen Marktwirtschaft“ der Bundesrepublik gilt, eine „entartete Massenpublizistik“, die einem mit „Zügellosigkeit“ und „Schamlosigkeit“ an jedem Kiosk entgegentrete. Für den ehemaligen Berater Konrad Adenauers – der Altkanzler äußerte sich in dieser Zeit ebenfalls besorgt über „Materialismus, Säkularisierung und Sittenverfall“ – war die Ursache augenfällig. In einem posthum erschienenen, vom CSU-nahen Deutschland-Magazin 1969 in Ausschnitten abgedruckten Buch machte er dafür das „Klima der inflatorischen Überheizung der Wirtschaft“ verantwortlich. Dieses zeige sich im „nackten Materialismus, der entfesselten Jagd nach kurzfristigen Vorteilen, der ‚Überbeschäftigung‘, der Verwilderung der Wirtschaftsmoral, der Abwertung der redlichen Arbeit und des oberflächlichen Lebensstils einer sich gegenseitig im mehr oder weniger sinnvollen Konsum überbietenden Massengesellschaft“.
Röpke hatte seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen bereits zuvor mit der Mahnung vor einem Verfall der Sittlichkeit verknüpft. Die als Keimzelle der Nation beschworene Familie sah er in Gefahr, die als redlich aufbauend konzeptualisierte Marktwirtschaft trennte er von einem oberflächlichen wie „wurzellosen“ Materialismus. Mitte der 1960er-Jahre, in der Zeit endemischer Krisenangst während der ersten (kurzen) Rezession der Nachkriegsgeschichte sowie Diskussionen über die Gefahren der „Konsumgesellschaft“, nahmen ähnliche Argumentationen wider Materialismus und „Kapitalismus“ im gesamten rechten politischen Spektrum der Bundesrepublik deutlich zu.
(mit Kristoff Kerl), in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 29 (2020), 2020
1969 veröffentlichte der Joseph Melzer Verlag Darmstadt das autobiographische Werk Arrabal – Selb... more 1969 veröffentlichte der Joseph Melzer Verlag Darmstadt das autobiographische Werk Arrabal – Selbstdarstellung des spanisch-französischen Schriftstellers und Dramatikers des „absurden Theaters“ Fernando Arrabal. Das bibliophil ausgestattete Buch, Ladenpreis 75 Mark, versammelt sexuelle Lyrik und Prosa in spanischer und deutscher Sprache, dazu Zeichnungen und Bilder von Arrabal, die ihn vielfach mit erigiertem Penis zeigen. Bei Veröffentlichung ein Ladenhüter, ließen bald einsetzende hitzige Debatten um das Buch die Verkaufszahlen in die Höhe schnellen. Diese nahmen im August 1970 mit einer Rezension des prominenten liberalen, nicht-jüdischen Publizisten Klaus Harpprecht ihren Anfang. Harpprecht, der bis 1969 als Leiter des S. Fischer Verlages tätig war und seit 1967 als geschäftsführender Redakteur der Zeitschrift Monat fungierte, warf darin dem jüdischen Verleger Joseph Melzer vor, mit der Herausgabe von Arrabal Antisemitismus zu befeuern. Melzer, so Harpprecht, liefere dem alten antisemitischen Narrativ, das Pornographie und Judentum verbindet, neue Nahrung. Vor diesem Hintergrund, so Harpprecht weiter, könne man nur hoffen, dass „einer unserer jüdischen Mitbürger nach Darmstadt eilt, um dem verantwortlichen Herrn eins um die Löffel zu hauen“. Des Weiteren forderte er Melzer dazu auf, sich als „Bordellbesitzer“ in Florida oder Uruguay niederzulassen. Die scharfen Worte Harpprechts hatten einen Antisemitismusstreit zur Folge, an dem sich namhafte Autoren in fast allen großen bundesrepublikanischen Zeitungen und Zeitschriften der Zeit beteiligten. Nach Ansicht der Welt drohte sich der Fall zu „einem handfesten Literaturskandal auszuwachsen“, der laut Klaus Harpprecht in „etwa einhundert Tages- und Wochenzeitungen“ thematisiert wurde, zusätzlich habe es „einige Betrachtungen in Radiostationen“ gegeben. Auch auf internationale Periodika sollte sich der Streit ausweiten.
, in: Hoffstadt, Anke, Müller, Yves and Schiff, Anna (Hrsg.), Gegenwartsgestrige. Rechte Geschichtspolitik heute, 2021
Die Rückbesinnung auf eine bessere Ver-gangenheit hat einen besonderen Stellenwert innerhalb rech... more Die Rückbesinnung auf eine bessere Ver-gangenheit hat einen besonderen Stellenwert innerhalb rechter Rhetorik: von «Make America great again» (Donald Trump/Republikaner, USA), über «Take back control of our country» (UKIP, Großbritannien) und «Remettre la France en ordre» (Rassemblement National, Frankreich) zu «Hol dir dein Land z-rück» (AfD). Aber in welche Zeit soll mit dieser kämpferisch-nostalgischen Rhetorik eigentlich zurückgekehrt werden? Geht es um die Verhandlung von Geschlecht und Sexualität, so scheint die Antwort zunächst klar – zurück in die 1950er Jahre. Zurück in eine Zeit, bevor das wiederholt bemühte Feindbild soziale Bewegungen (Feminismus, 68er) politischen und gesellschaftlichen Einfluss gewinnen konnte. Zurück zur traditionellen Kleinfamilie, zurück zum Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen, zurück zu natürlichen Geschlechterrollen. Aber auch zurück zu einer Tabuisierung und Stigmatisierung von Sexualität? Zurück zu einer Politik (fast) ohne Frauen? In Bezug auf diese Fragen lassen sich durchaus Ambivalenzen in den zentralen antifeministische Diskursorgane der Rechten – Compact bzw. Compact-Geschichte, Sezession und Junge Freiheit - ausmachen.
taz. am Wochenende, 2021
Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat kürzlich in seinem vieldiskutierten Angrif... more Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat kürzlich in seinem vieldiskutierten Angriff gegen identitäre Strömungen von rechts und links kritisiert, linke Identitäre würden mit ihrer biografischen Betroffenheit andere aus dem Diskurs ausschließen. Dagegen setzt er „Vernunftgründe, die entscheiden sollen und nicht Herkunft“. Doch als Gegenmittel gegen den Ausschluss empfiehlt Thierse ausgerechnet den Klassiker des Herkunftsarguments, den – wenn man so will – alten, weißen Mann des identitären Ausschlusses: die Nation. Man dürfe diese nicht den Rechten überlassen, denn insbesondere in der Pandemie sei das „Bedürfnis nach sozialer und kultureller Beheimatung groß. Eine Antwort auf dieses Bedürfnis ist die Nation“.
First World War Studies , 2020
Early in the war, anti-Belgian ideas were already occupying a central place among the German publ... more Early in the war, anti-Belgian ideas were already occupying a central place among the German public’s images of the enemy. These were created within a very short time frame and drew upon stories of the alleged bestial expulsions of German nationals by Belgian citizens, supposedly organized by the state authorities and the purportedly cruel warfare conducted by Belgian civilians against German troops. At the same time, the question of Belgian neutrality arose and the German concession that this had been breached out of self-defence was rescinded. Thus emerged discursive images of Belgians and Belgium which depicted new character traits of its western neighbour’s population and which ultimately formed the basis for the entire wartime discussion of potential German control of the country. Based on a broad corpus of sources, this article examines the rhetoric and dynamics of the ‘annexation debates’ in Germany’s public sphere, while focusing on the underlying concepts of order in Belgium and also portrays the critical voices in these debates.
Sexuologie 27 (2020) 1-2, 2020
1914-1918-online. International Encyclopedia of the First World War, 2018
Spy Fever describes an anxiety or paranoia that enemy spies might be active within one’s own nati... more Spy Fever describes an anxiety or paranoia that enemy spies might be active within one’s own nation. The phenomenon was widespread in all theatres of World War I from at least August of 1914. Most of these reports were in fact false, but the sense of threat reinforced the image in increasingly nationalist societies of being besieged by the enemy from without as well as within.
Argument, 2019
Undoing Nation? Postnational Approaches and Practices in History and Present While currently a r... more Undoing Nation? Postnational Approaches and Practices in History and Present
While currently a re-nationalization can be observed throughout Europe and the world, there are also various debates and actors that reflect upon possible postnational forms of sociality. The article traces the historical development of the nation-state, showing its violent and artificial legacy. Subsequently, it analyzes both conscious and unconscious attempts at ‘undoing nation’ in the course of current migration politics, such as the ‘March of Hope’, hybridized identities, and the Sanctuary Cities movement. Finally, it discusses criticism of some contemporary postnational approaches.
Aus Politik und Zeitgeschichte, 2018
Der Nationalstaat, so ist in wissenschaftlichen wie öffentlichen Diskussionen seit Anfang des Jah... more Der Nationalstaat, so ist in wissenschaftlichen wie öffentlichen Diskussionen seit Anfang des Jahrtausends oft zu hören, sei an sein historisches Ende gelangt. Popularisiert wurde dies in der Vorstellung, die Politik werde von den multinationalen Konzernen ihrer Richtlinienkompetenz beraubt. Zunehmend gewinnt die völkische Variante Zulauf, etwa in der Kritik des AfD-Politikers Björn Höcke, Staaten seien zu "Wurmfortsätzen global agierender Konzerne gemacht" worden.[1] Doch die von dem Philosophen Jürgen Habermas und anderen für das 21. Jahrhundert antizipierte "postnationale Konstellation" ist nicht eingetreten, es ist kein "kosmopolitisches Empire" (Ulrich Beck) entstanden. Dies zeigt sich zum einen daran, dass es weiterhin Nationalstaaten sind, die in internationalen Vereinbarungen und Organen als institutionalisiertes nationales Interesse den (rechtlichen) Rahmen schaffen, in dem Konzerne agieren.
Zum anderen ist aktuell eine Re-Nationalisierung innerhalb Europas zu beobachten, die eher auf postdemokratische Verhältnisse als auf eine Auflösung von Nationalstaaten verweist. Hier ist die Nation das Natürliche, Organische oder, wie es die extrem rechte Zeitschrift "Sezession" formuliert, die "natürliche Ordnung",[2] die "in allen, in jeder einzelnen Person substantiell anwesend" sei.[3] Nichts weiß die nationale Rechte hingegen davon, dass die Nationswerdung eine lange Entwicklung durchlief, vielmehr sieht der nationale Mythos in den Nationalbewegungen lediglich das Erwachen dessen, was schon immer in der Menschenseele schlummerte. Doch in Wahrheit handelt es sich keineswegs um einen automatischen, quasi teleologischen Prozess.[4] Wie die Nationalismusforschung aufzeigt, brauchte die Herstellung des heute als natürlich erscheinenden Zustandes, dass jeder Mensch einer Nation angehört und sich meist ihr auch zugeneigt zeigt, sehr viel Zeit und eine gehörige Portion staatlicher Politik – und Gewalt. Lange herrschten Formen nationaler Indifferenz vor:[5] Noch vor hundert Jahren war für viele in Europa unverständlich, welcher Nation sie zugeordnet waren – vom Weltmaßstab ganz zu schweigen. Die Nation war lange Zeit abwegig. So abwegig wie heute das Denken jenseits der Nation erscheint.
Doch dem Aufstieg rechtspopulistischer bis -extremer Parteien und ethnoseparatistischer Bewegungen werden in den vergangenen Jahren neue Versuche entgegengestellt, jenseits der Nation zu denken. Vielfach geschieht dies in Form einer angestrebten Europäisierung, etwa durch die zivilgesellschaftliche "Pulse of Europe"-Bewegung oder durch die "European Alternatives", einem Zusammenschluss von Intellektuellen sowie Aktivistinnen und Aktivisten, der sich seit 2007 für "Demokratie, Gleichheit und Kultur jenseits des Nationalstaates" einsetzt.
Auch in der Wissenschaft sind vermehrt Stimmen zu vernehmen, die statt der Re- eine De-Nationalisierung einfordern: So konstatierte die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot unlängst "Wir brauchen die Nation nicht mehr".[6] Gemeinsam mit dem Schriftsteller Robert Menasse forderte sie, jeder Mensch müsse "in Zukunft das Recht haben, nationale Grenzen zu durchwandern und sich dort niederlassen können, wo er will".[7] Der Wirtschaftsnobelpreisträger und Yale-Professor Robert J. Shiller sah die Welt im Herbst 2016 gar kurz "vor der antinationalen Revolution".[8] Derartige Suchbewegungen fassen wir im Folgenden mit dem Begriff des "Postnationalen". Er kann an verschiedene theoretische Debatten – etwa um Begriffe wie "Global Citizenship", "Kosmopolitismus" oder "Konvivialismus" – in Sozialwissenschaften oder der Migrationsforschung anknüpfen, speist sich aber vor allem auch aus aktuellen Praktiken.
In a 2013 interview, Klaus Theweleit, noted author of the book “Male Fantasies” which analyses t... more In a 2013 interview, Klaus Theweleit, noted author of the book “Male Fantasies” which analyses the psyche of German pre-fascist paramilitaries after World War I, discussed the plot of “Pocahontas”. For him, it is an emblematic fairytale, disguising the violence of America’s founding. Annexations always need to imagine a helping woman, he concluded. The act of annexation can then be told as a love story – a male character captures a woman’s heart, the female character gives in and the two become one. A promising thesis, but is it also valid for a historical discourse of annexation from a more recent era, less blurred by mythology?
...
Arbeit – Bewegung – Geschichte. Zeitschrift für historische Studien
Wolfgang Benz (Hg.): Fremdenfeinde und Wutbürger. Verliert die demokratische Gesellschaft ihre Mitte?
In den aktuellen Flüchtlingsdebatten finden auch Aushandlungsprozesse über zentrale Selbstverst... more In den aktuellen Flüchtlingsdebatten finden auch Aushandlungsprozesse über zentrale Selbstverständnisse der Einwanderungsgesellschaft statt. Nicht nur wird verhandelt, wie mit »denen« umzugehen sei, sondern immer auch geht es um das »Wir«. Doch wer ist dieses »Wir«? In der Diskussion lassen sich mindestens drei idealtypische Positionen ausmachen.
Koloniale Welten in Westfalen (=Studien und Quellen zur Westfälischen Geschichte, Bd. 89) Schöningh, 2021
Die deutsche Kolonialzeit hat auch in Westfalen und Lippe Spuren hinterlassen: Denkmäler und Stra... more Die deutsche Kolonialzeit hat auch in Westfalen und Lippe Spuren hinterlassen: Denkmäler und Straßen ehren koloniale Akteure, ethnographische Objekte in Museen erzählen von "exotischen" Welten. Doch zwischen kolonialer und regionaler Geschichte gibt es noch viele weitere, bislang wenig beachtete Bezüge.
Nicht nur in den kolonialen Macht- und Handelszentren, auch in der Provinz prägte die Wahrnehmung des Kolonialen den Alltag. Die Autorinnen und Autoren dieses mit zahlreichen Illustrationen versehenen Bandes stellen Aus- und Rückwirkungen des Kolonialismus auf das Leben in der westfälischen und lippischen Provinz vor: Die Verflechtungen westfälischer Städte mit dem kolonialen Handel, eine kritische Aufarbeitung von Biographien und Netzwerken kolonialer Akteure, die exotisierende und rassifizierende Zurschaustellung von Menschen sowie den Umgang mit Erinnerungsorten und Sammlungen.
Am 4. August 1914 marschierten deutsche Truppen in das neutrale Belgien ein und wähnten sich eine... more Am 4. August 1914 marschierten deutsche Truppen in das neutrale Belgien ein und wähnten sich einer vermeintlich bestialisch kämpfenden belgischen Zivilbevölkerung gegenüber. Es entstanden, heute nahezu vergessen, antibelgische Feindbilder, die in der Anfangszeit des Ersten Weltkriegs in der deutschen Medienöffentlichkeit weithin Verbreitung fanden. „Belgische Grausamkeit“ entwickelte sich zum geflügelten Wort, und Belgien wurde – laut dem Herausgeber der liberalen Vossischen Zeitung – zur „größten Gefahr, die es für Deutschland geben kann“. Die Forderungen überschlugen sich: Das Land müsse unter deutsche Kontrolle gestellt, wenn nicht gar annektiert werden, und eine breite Öffentlichkeit diskutierte die Vertreibung der örtlichen Bevölkerung, ihre „Ausräumung“, um Vergeltung zu üben oder um Siedlungsland bereitzustellen.
Sebastian Bischoff analysiert erstmals systematisch die mediale Debatte über ein wichtiges, jedoch kaum beachtetes deutsches Kriegsziel. Er folgt den Dynamiken, Brüchen und Widersprüchen der nach dem katholischen Zentralorgan Germania „bedeutsamsten aller durch den Krieg aufgeworfenen Fragen“. Die Studie leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Nationalismus- und Mediengeschichte des Deutschen Kaiserreichs.
Mit seiner Äußerung über Belgien als „beautiful city“ konnte der spätere US-Präsident Donald Trum... more Mit seiner Äußerung über Belgien als „beautiful city“ konnte der spätere US-Präsident Donald Trump 2016 einen ungewollten Satireerfolg feiern. Trumps Bemerkung fiel in einer Zeit, als Belgien auf Grund islamistischer Terroranschläge in die internationalen Schlagzeilen geraten war. Spuren dieser Ereignisse verwiesen auch auf die jüngste Vergangenheit des Landes. Kenntnisse über belgische Geschichte sind im deutschsprachigen Raum jedoch noch immer verhältnismäßig gering. In diesem Sammelband vereinigt der 2012 gegründete Arbeitskreis Historische Belgienforschung erneut die auf zwei seiner Workshops vorgestellten Forschungsergebnisse von Historikerinnen und Historikern, aber auch von Vertreterinnen und Vertretern aus anderen kultur- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen. Der zeitliche Rahmen der Beiträge erstreckt sich vom Ende des 17. Jahrhunderts bis in die unmittelbare Gegenwart. Einen besonderen Schwerpunkt bildet der Erste Weltkrieg, in dem Belgien eine besondere Rolle spielte.
Belgien hat großen Anteil an allen historischen Entwicklungen Europas und beherbergt zentrale Ein... more Belgien hat großen Anteil an allen historischen Entwicklungen Europas und beherbergt zentrale Einrichtungen der Europäischen Union. Trotzdem ist es in der deutschsprachigen Forschung wenig präsent. Dieses Defizit will der 2012 gegründete Arbeitskreis Historische Belgienforschung beheben. In „Belgica – terra incognita?“ machen Sebastian Bischoff, Christoph Jahr, Tatjana Mrowka und Jens Thiel die Beiträge seiner ersten beiden Tagungen der Öffentlichkeit zugänglich, um den Stand der historischen Belgienforschung zu dokumentieren. Nicht nur Historikerinnen und Historiker, sondern auch Vertreterinnen und Vertreter der Germanistik, der Kunst- und Kulturwissenschaft sowie der Politik- und Sozialwissenschaften präsentieren Beiträge, deren zeitlicher Rahmen vom 18. Jahrhundert bis nahe an die Gegenwart reicht. Aufgrund der Lage, Bevölkerungsstruktur sowie der historischen und kulturellen Traditionen Belgiens sind stets vergleichende oder transnationale Aspekte berücksichtigt worden, was die Beschäftigung mit seiner Geschichte nicht nur empirisch ertragreich, sondern zugleich methodisch innovativ macht.
Mit Beiträgen von
Sebastian Bischoff, Lukas Cladders, Sophie De Schaep-
drijver, Winfried Dolderer, Alexander Friedman, Thomas L. Gertzen, Christiane Hoffrath, Yves Huybrechts, Christoph Jahr, Christina Kott, Tatjana Mrowka, Jakob Müller, Diana M. Natermann, Peter M. Quadflieg, Bart Quintelier, Christina Reimann, Alexander Reinfeldt, Hubert Roland, Christoph Roolf, Johannes Schmid, Dominik Scholz, Jens Thiel, Ine Van linthout, Geneviève Warland und Yasmina Zian.
Das 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert nationaler Feindbilder. Und wiewohl das Zeitalter der Ext... more Das 20. Jahrhundert war ein Jahrhundert nationaler Feindbilder. Und wiewohl das Zeitalter der Extreme mit 1989 zu Ende gegangen sein soll, gibt es wenig Hinweise darauf, dass das 21. Jahrhundert das Zeitalter der allgemeinen, vorurteilslosen Menschenverbrüderung und -verschwisterung wird. Feindbilder sind darum ein wichtiges Thema, nicht nur für Historikerinnen und Historiker. Die Autoren wollen anhand eines Blickes in die Geschichte der Feindbildkonstruktion entlang dreier Fallbeispiele – China 1900, Südwestafrika 1904–1907, Belgien 1914 – einen Beitrag zu der Frage zu leisten, wie und warum eine nationale Öffentlichkeit Menschengruppen zu existenziellen Gegnern erklärt.
Geschichte und Gesellschaft, 2023
This article traces the career of the West German jurist Manfred Roeder, who went from evangelica... more This article traces the career of the West German jurist Manfred Roeder, who went from evangelicalism and resistance to left-wing Protestantism to become a central conservative-nationalistic actor against “perversion” and the “porn wave” in 1970. In his militant activism he rapidly left the Christian frame of reference; his path led him to antisemitism, historical revisionism, and right-wing terrorism. The study ofRoeder can serve as a probe into the social processes of negotiation for the liberalization of sexuality and thus fundamentally for the moral-ethical sovereignty of interpretation of the time, while also shedding light on the radicalization of conservative and rightwing Christian groups in reaction to the developments of 1968 / 69.
Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 2022
Mitte der 1960er-Jahre konstatierte der Wirtschaftswissenschaftler Wilhelm Röpke, der als Archite... more Mitte der 1960er-Jahre konstatierte der Wirtschaftswissenschaftler Wilhelm Röpke, der als Architekt der „sozialen Marktwirtschaft“ der Bundesrepublik gilt, eine „entartete Massenpublizistik“, die einem mit „Zügellosigkeit“ und „Schamlosigkeit“ an jedem Kiosk entgegentrete. Für den ehemaligen Berater Konrad Adenauers – der Altkanzler äußerte sich in dieser Zeit ebenfalls besorgt über „Materialismus, Säkularisierung und Sittenverfall“ – war die Ursache augenfällig. In einem posthum erschienenen, vom CSU-nahen Deutschland-Magazin 1969 in Ausschnitten abgedruckten Buch machte er dafür das „Klima der inflatorischen Überheizung der Wirtschaft“ verantwortlich. Dieses zeige sich im „nackten Materialismus, der entfesselten Jagd nach kurzfristigen Vorteilen, der ‚Überbeschäftigung‘, der Verwilderung der Wirtschaftsmoral, der Abwertung der redlichen Arbeit und des oberflächlichen Lebensstils einer sich gegenseitig im mehr oder weniger sinnvollen Konsum überbietenden Massengesellschaft“.
Röpke hatte seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen bereits zuvor mit der Mahnung vor einem Verfall der Sittlichkeit verknüpft. Die als Keimzelle der Nation beschworene Familie sah er in Gefahr, die als redlich aufbauend konzeptualisierte Marktwirtschaft trennte er von einem oberflächlichen wie „wurzellosen“ Materialismus. Mitte der 1960er-Jahre, in der Zeit endemischer Krisenangst während der ersten (kurzen) Rezession der Nachkriegsgeschichte sowie Diskussionen über die Gefahren der „Konsumgesellschaft“, nahmen ähnliche Argumentationen wider Materialismus und „Kapitalismus“ im gesamten rechten politischen Spektrum der Bundesrepublik deutlich zu.
(mit Kristoff Kerl), in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 29 (2020), 2020
1969 veröffentlichte der Joseph Melzer Verlag Darmstadt das autobiographische Werk Arrabal – Selb... more 1969 veröffentlichte der Joseph Melzer Verlag Darmstadt das autobiographische Werk Arrabal – Selbstdarstellung des spanisch-französischen Schriftstellers und Dramatikers des „absurden Theaters“ Fernando Arrabal. Das bibliophil ausgestattete Buch, Ladenpreis 75 Mark, versammelt sexuelle Lyrik und Prosa in spanischer und deutscher Sprache, dazu Zeichnungen und Bilder von Arrabal, die ihn vielfach mit erigiertem Penis zeigen. Bei Veröffentlichung ein Ladenhüter, ließen bald einsetzende hitzige Debatten um das Buch die Verkaufszahlen in die Höhe schnellen. Diese nahmen im August 1970 mit einer Rezension des prominenten liberalen, nicht-jüdischen Publizisten Klaus Harpprecht ihren Anfang. Harpprecht, der bis 1969 als Leiter des S. Fischer Verlages tätig war und seit 1967 als geschäftsführender Redakteur der Zeitschrift Monat fungierte, warf darin dem jüdischen Verleger Joseph Melzer vor, mit der Herausgabe von Arrabal Antisemitismus zu befeuern. Melzer, so Harpprecht, liefere dem alten antisemitischen Narrativ, das Pornographie und Judentum verbindet, neue Nahrung. Vor diesem Hintergrund, so Harpprecht weiter, könne man nur hoffen, dass „einer unserer jüdischen Mitbürger nach Darmstadt eilt, um dem verantwortlichen Herrn eins um die Löffel zu hauen“. Des Weiteren forderte er Melzer dazu auf, sich als „Bordellbesitzer“ in Florida oder Uruguay niederzulassen. Die scharfen Worte Harpprechts hatten einen Antisemitismusstreit zur Folge, an dem sich namhafte Autoren in fast allen großen bundesrepublikanischen Zeitungen und Zeitschriften der Zeit beteiligten. Nach Ansicht der Welt drohte sich der Fall zu „einem handfesten Literaturskandal auszuwachsen“, der laut Klaus Harpprecht in „etwa einhundert Tages- und Wochenzeitungen“ thematisiert wurde, zusätzlich habe es „einige Betrachtungen in Radiostationen“ gegeben. Auch auf internationale Periodika sollte sich der Streit ausweiten.
, in: Hoffstadt, Anke, Müller, Yves and Schiff, Anna (Hrsg.), Gegenwartsgestrige. Rechte Geschichtspolitik heute, 2021
Die Rückbesinnung auf eine bessere Ver-gangenheit hat einen besonderen Stellenwert innerhalb rech... more Die Rückbesinnung auf eine bessere Ver-gangenheit hat einen besonderen Stellenwert innerhalb rechter Rhetorik: von «Make America great again» (Donald Trump/Republikaner, USA), über «Take back control of our country» (UKIP, Großbritannien) und «Remettre la France en ordre» (Rassemblement National, Frankreich) zu «Hol dir dein Land z-rück» (AfD). Aber in welche Zeit soll mit dieser kämpferisch-nostalgischen Rhetorik eigentlich zurückgekehrt werden? Geht es um die Verhandlung von Geschlecht und Sexualität, so scheint die Antwort zunächst klar – zurück in die 1950er Jahre. Zurück in eine Zeit, bevor das wiederholt bemühte Feindbild soziale Bewegungen (Feminismus, 68er) politischen und gesellschaftlichen Einfluss gewinnen konnte. Zurück zur traditionellen Kleinfamilie, zurück zum Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen, zurück zu natürlichen Geschlechterrollen. Aber auch zurück zu einer Tabuisierung und Stigmatisierung von Sexualität? Zurück zu einer Politik (fast) ohne Frauen? In Bezug auf diese Fragen lassen sich durchaus Ambivalenzen in den zentralen antifeministische Diskursorgane der Rechten – Compact bzw. Compact-Geschichte, Sezession und Junge Freiheit - ausmachen.
taz. am Wochenende, 2021
Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat kürzlich in seinem vieldiskutierten Angrif... more Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse hat kürzlich in seinem vieldiskutierten Angriff gegen identitäre Strömungen von rechts und links kritisiert, linke Identitäre würden mit ihrer biografischen Betroffenheit andere aus dem Diskurs ausschließen. Dagegen setzt er „Vernunftgründe, die entscheiden sollen und nicht Herkunft“. Doch als Gegenmittel gegen den Ausschluss empfiehlt Thierse ausgerechnet den Klassiker des Herkunftsarguments, den – wenn man so will – alten, weißen Mann des identitären Ausschlusses: die Nation. Man dürfe diese nicht den Rechten überlassen, denn insbesondere in der Pandemie sei das „Bedürfnis nach sozialer und kultureller Beheimatung groß. Eine Antwort auf dieses Bedürfnis ist die Nation“.
First World War Studies , 2020
Early in the war, anti-Belgian ideas were already occupying a central place among the German publ... more Early in the war, anti-Belgian ideas were already occupying a central place among the German public’s images of the enemy. These were created within a very short time frame and drew upon stories of the alleged bestial expulsions of German nationals by Belgian citizens, supposedly organized by the state authorities and the purportedly cruel warfare conducted by Belgian civilians against German troops. At the same time, the question of Belgian neutrality arose and the German concession that this had been breached out of self-defence was rescinded. Thus emerged discursive images of Belgians and Belgium which depicted new character traits of its western neighbour’s population and which ultimately formed the basis for the entire wartime discussion of potential German control of the country. Based on a broad corpus of sources, this article examines the rhetoric and dynamics of the ‘annexation debates’ in Germany’s public sphere, while focusing on the underlying concepts of order in Belgium and also portrays the critical voices in these debates.
Sexuologie 27 (2020) 1-2, 2020
1914-1918-online. International Encyclopedia of the First World War, 2018
Spy Fever describes an anxiety or paranoia that enemy spies might be active within one’s own nati... more Spy Fever describes an anxiety or paranoia that enemy spies might be active within one’s own nation. The phenomenon was widespread in all theatres of World War I from at least August of 1914. Most of these reports were in fact false, but the sense of threat reinforced the image in increasingly nationalist societies of being besieged by the enemy from without as well as within.
Argument, 2019
Undoing Nation? Postnational Approaches and Practices in History and Present While currently a r... more Undoing Nation? Postnational Approaches and Practices in History and Present
While currently a re-nationalization can be observed throughout Europe and the world, there are also various debates and actors that reflect upon possible postnational forms of sociality. The article traces the historical development of the nation-state, showing its violent and artificial legacy. Subsequently, it analyzes both conscious and unconscious attempts at ‘undoing nation’ in the course of current migration politics, such as the ‘March of Hope’, hybridized identities, and the Sanctuary Cities movement. Finally, it discusses criticism of some contemporary postnational approaches.
Aus Politik und Zeitgeschichte, 2018
Der Nationalstaat, so ist in wissenschaftlichen wie öffentlichen Diskussionen seit Anfang des Jah... more Der Nationalstaat, so ist in wissenschaftlichen wie öffentlichen Diskussionen seit Anfang des Jahrtausends oft zu hören, sei an sein historisches Ende gelangt. Popularisiert wurde dies in der Vorstellung, die Politik werde von den multinationalen Konzernen ihrer Richtlinienkompetenz beraubt. Zunehmend gewinnt die völkische Variante Zulauf, etwa in der Kritik des AfD-Politikers Björn Höcke, Staaten seien zu "Wurmfortsätzen global agierender Konzerne gemacht" worden.[1] Doch die von dem Philosophen Jürgen Habermas und anderen für das 21. Jahrhundert antizipierte "postnationale Konstellation" ist nicht eingetreten, es ist kein "kosmopolitisches Empire" (Ulrich Beck) entstanden. Dies zeigt sich zum einen daran, dass es weiterhin Nationalstaaten sind, die in internationalen Vereinbarungen und Organen als institutionalisiertes nationales Interesse den (rechtlichen) Rahmen schaffen, in dem Konzerne agieren.
Zum anderen ist aktuell eine Re-Nationalisierung innerhalb Europas zu beobachten, die eher auf postdemokratische Verhältnisse als auf eine Auflösung von Nationalstaaten verweist. Hier ist die Nation das Natürliche, Organische oder, wie es die extrem rechte Zeitschrift "Sezession" formuliert, die "natürliche Ordnung",[2] die "in allen, in jeder einzelnen Person substantiell anwesend" sei.[3] Nichts weiß die nationale Rechte hingegen davon, dass die Nationswerdung eine lange Entwicklung durchlief, vielmehr sieht der nationale Mythos in den Nationalbewegungen lediglich das Erwachen dessen, was schon immer in der Menschenseele schlummerte. Doch in Wahrheit handelt es sich keineswegs um einen automatischen, quasi teleologischen Prozess.[4] Wie die Nationalismusforschung aufzeigt, brauchte die Herstellung des heute als natürlich erscheinenden Zustandes, dass jeder Mensch einer Nation angehört und sich meist ihr auch zugeneigt zeigt, sehr viel Zeit und eine gehörige Portion staatlicher Politik – und Gewalt. Lange herrschten Formen nationaler Indifferenz vor:[5] Noch vor hundert Jahren war für viele in Europa unverständlich, welcher Nation sie zugeordnet waren – vom Weltmaßstab ganz zu schweigen. Die Nation war lange Zeit abwegig. So abwegig wie heute das Denken jenseits der Nation erscheint.
Doch dem Aufstieg rechtspopulistischer bis -extremer Parteien und ethnoseparatistischer Bewegungen werden in den vergangenen Jahren neue Versuche entgegengestellt, jenseits der Nation zu denken. Vielfach geschieht dies in Form einer angestrebten Europäisierung, etwa durch die zivilgesellschaftliche "Pulse of Europe"-Bewegung oder durch die "European Alternatives", einem Zusammenschluss von Intellektuellen sowie Aktivistinnen und Aktivisten, der sich seit 2007 für "Demokratie, Gleichheit und Kultur jenseits des Nationalstaates" einsetzt.
Auch in der Wissenschaft sind vermehrt Stimmen zu vernehmen, die statt der Re- eine De-Nationalisierung einfordern: So konstatierte die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot unlängst "Wir brauchen die Nation nicht mehr".[6] Gemeinsam mit dem Schriftsteller Robert Menasse forderte sie, jeder Mensch müsse "in Zukunft das Recht haben, nationale Grenzen zu durchwandern und sich dort niederlassen können, wo er will".[7] Der Wirtschaftsnobelpreisträger und Yale-Professor Robert J. Shiller sah die Welt im Herbst 2016 gar kurz "vor der antinationalen Revolution".[8] Derartige Suchbewegungen fassen wir im Folgenden mit dem Begriff des "Postnationalen". Er kann an verschiedene theoretische Debatten – etwa um Begriffe wie "Global Citizenship", "Kosmopolitismus" oder "Konvivialismus" – in Sozialwissenschaften oder der Migrationsforschung anknüpfen, speist sich aber vor allem auch aus aktuellen Praktiken.
In a 2013 interview, Klaus Theweleit, noted author of the book “Male Fantasies” which analyses t... more In a 2013 interview, Klaus Theweleit, noted author of the book “Male Fantasies” which analyses the psyche of German pre-fascist paramilitaries after World War I, discussed the plot of “Pocahontas”. For him, it is an emblematic fairytale, disguising the violence of America’s founding. Annexations always need to imagine a helping woman, he concluded. The act of annexation can then be told as a love story – a male character captures a woman’s heart, the female character gives in and the two become one. A promising thesis, but is it also valid for a historical discourse of annexation from a more recent era, less blurred by mythology?
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Arbeit – Bewegung – Geschichte. Zeitschrift für historische Studien
Wolfgang Benz (Hg.): Fremdenfeinde und Wutbürger. Verliert die demokratische Gesellschaft ihre Mitte?
In den aktuellen Flüchtlingsdebatten finden auch Aushandlungsprozesse über zentrale Selbstverst... more In den aktuellen Flüchtlingsdebatten finden auch Aushandlungsprozesse über zentrale Selbstverständnisse der Einwanderungsgesellschaft statt. Nicht nur wird verhandelt, wie mit »denen« umzugehen sei, sondern immer auch geht es um das »Wir«. Doch wer ist dieses »Wir«? In der Diskussion lassen sich mindestens drei idealtypische Positionen ausmachen.
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Conference presentation Queen Mary University of London and University College London Beyond Flan... more Conference presentation
Queen Mary University of London and University College London
Beyond Flanders Fields: The Great War in Belgium and the Netherlands
4-5 June 2016
Body Politics 9, Heft 13, S. 5–20, 2021
For a long time, little attention was paid to the sexuality of girls in the social sciences and t... more For a long time, little attention was paid to the sexuality of girls in the social sciences and the humanities; the focus issue prefaced by the following remarks is to be devoted in particular to the tension between vulnerability and self-determination in relation to the sexuality of girls. Accordingly, the three authors of the following contributions deal with self-determination and violence, sanctioning and free spaces. Three case studies are used to examine how girls' sexuality was perceived, channeled, suppressed or instrumentalized in different historical contexts in Germany and Austria in the 20th century, but also empowered and expressed and lived by girls and young women themselves.