Mauricio Kagel (original) (raw)

Mauricio Kagel (1985)

Mauricio Raúl Kagel (* 24. Dezember 1931 in Buenos Aires; † 18. September 2008 in Köln) war ein argentinisch-deutscher Komponist, Dirigent, Librettist und Regisseur. Sein Gesamtwerk umfasst neben Instrumentalmusik und Werken für das Musiktheater auch die Komposition und Produktion von Hörspielen und Filmen; er leistete einen wichtigen Beitrag zur Neuen Musik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Mauricio Kagel wurde 1931 in Buenos Aires in eine jüdische Familie geboren, die in den 1920er Jahren aus Russland geflohen war. Früh erhielt er privaten Instrumentalunterricht und arbeitete in Buenos Aires als Filmkritiker, Korrepetitor und Dirigent, u. a. am Teatro Colón. Kagel hatte in den 1950er Jahren an den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik teilgenommen. 1957 reiste er mit seiner Frau, der Bildhauerin und Grafikerin Ursula Burghardt (1928–2008), die er im gleichen Jahr geheiratet hatte, mit einem Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes nach Deutschland. Das Paar hatte zwei Töchter.[1][2]

Ab 1960 war er als Dozent bei den Darmstädter Ferienkursen tätig. 1968 kam es in Zusammenarbeit mit Wolf Vostell und anderen zur Gründung des Labor e. V., der akustische und visuelle Ereignisse erforschen sollte. In Köln fand die Veranstaltung 5-Tage-Rennen mit seiner Beteiligung statt. 1969 wurde er zum Direktor des Instituts für Neue Musik an der Rheinischen Musikschule in Köln und, als Nachfolger von Karlheinz Stockhausen, zum Leiter der Kölner Kurse für Neue Musik (bis 1975) ernannt; 1974 erhielt er an der Kölner Musikhochschule eine Professur für Musiktheater.

Kagel war Mitbegründer des Ensembles für Neue Musik in Köln und hat in den elektronischen Studios von Köln, München und Utrecht gearbeitet. Er dirigierte viele seiner Werke selbst und war Regisseur und Produzent aller seiner Filme und Hörspiele. Aus Anlass seines 75. Geburtstages gastierte er – Symbolfigur des deutsch-argentinischen Kulturdialogs – im Juli 2006 im Teatro Colón Buenos Aires, im Goethe-Institut und im Teatro Margarita Xirgu mit Konzerten, öffentlichen Proben und Vorträgen. Zuvor war sein letzter Konzertauftritt in Argentinien in den siebziger Jahren gewesen.[3] Es begann mit seinem Stück Eine Brise, flüchtige Aktion für 111 Radfahrer, die „trillernd, trällernd“ erst am Teatro vorbeizogen. Obwohl er Argentinier blieb, sieht die Musikkritik dort Mauricio Kagel als „deutschen Komponisten“.

Auf Einladung von Walter Fink war er 1991 der zweite Komponist im jährlichen Komponistenporträt des Rheingau Musik Festival. Mauricio Kagel gehört seit Beginn seiner Karriere zu den an meisten aufgeführten Komponisten bei den Weltmusiktagen der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik ISCM: 1960 wurden Anagrama, 1964 und 1991 Sonant, 1966 Diaphonie I, 1969 Halleluja, 1972 Repertoire aus Staatstheater, 1974 Variationen ohne Fuge, 1980 Chorbuch, 1982 Fürst Igor, Strawinsky, 1983 Dressur, 1987 Ein Brief aufgeführt. 1983 waltete Kagel auch als Juror der ISCM Weltmusiktage.[4][5]

In der Spielzeit 2006/2007 war Mauricio Kagel „Artist in Residence“ in der Philharmonie Essen und war dort ebenfalls als Dirigent zu erleben. Im selben Jahr war er Composer in Residence an der Hochschule für Musik und Theater Rostock. Bei einem Symposion im Juni 2007 an der Universität Siegen erhielt er die Ehrendoktorwürde in Philosophie. Mauricio Kagel lebte bis zu seinem Tod in Köln.

Kagel erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Preise für sein Schaffen und ist auf allen wichtigen Festivals für Neue Musik vertreten. Bei ihm haben unter anderem studiert: Maria de Alvear, Carola Bauckholt, Theo Brandmüller, Martyn Harry, Bernhard König, Klaus König, Branimir Krstic, Yves-Miro Magloire, Dominik Sack, Juan María Solare, Manos Tsangaris, Chao-Ming Tung, Johannes S. Sistermanns, Thomas Becker, Ulrich Wagner und Daniel Weissberg.

Kagel gilt als der wichtigste Vertreter des „Instrumentalen Theaters“, einer Art ritualisierten Konzertakts, in den auch die sichtbaren Begleiterscheinungen des Musizierens (Mimik, Gestik, Aktionen) mit einbezogen werden. Ein eindrucksvolles Beispiel seiner Musiktheaterwerke ist das 1971 in der Hamburgischen Staatsoper uraufgeführte Werk Staatstheater,[6] das aufgrund von Drohbriefen unter Polizeischutz aufgeführt werden musste. Kagel selbst entwickelte eigene Instrumente und Spieltechniken, etwa für den Film Zwei-Mann-Orchester oder das Instrumentaltheater Exotica. Die Partituren stellen bisweilen komisch-originell konsequent nicht nur die Erwartungshaltung der Interpreten, sondern auch der Zuhörer auf den Kopf. Auch in Werken für den Konzertsaal spielt Theatralik und sichtbare Musik immer eine große Rolle. So stürzt der Solist im Konzertstück für Pauken und Orchester am Ende kopfüber in sein Instrument. Andere Werke beziehen Alltagsgegenstände (Acustica) und Geräusche mit ein. Die Verwendung von Elektronik und Tonbandzuspiel, aber auch Verweise auf traditionelle Musik, waren für den Kosmos von Kagels Musik selbstverständlich. In seinen filmischen Realisationen sind zum Teil die Erläuterungen im Werk enthalten. Kagels Schaffen ist oft und in vielerlei Hinsicht mit Humor durchsetzt. Dabei ist ihm an einem Durchbrechen der Vierten Wand gelegen.

„Nur Leute, die Humor haben, sind unerbittlich ernst. Aber das hat viele Facetten.“

Mauricio Kagel[7]

Besetzungszettel „Staatstheater“ unter Leitung des Komponisten 1971

Das Label Winter & Winter, das seit 1998 Werke von Mauricio Kagel herausbringt, veröffentlichte aus Anlass seines 75. Geburtstages eine aus zwei CDs und einer DVD bestehende Edition, auf der Mauricio Kagel seine eigenen Werke neu bearbeitete bzw. remasterte. Diese Neubearbeitungen umfassen die Musikstücke Pandorasbox, Bandoneonpiece, Tango Alemán, Bestiarium, das Hörspiel Ein Aufnahmezustand und den Film Ludwig van.

Weitere Aufnahmen (Auswahl):

  1. Burghardt bei kunstfonds.de (Memento vom 18. Juli 2014 im Internet Archive)
  2. Burghardt-Ausstellung vom 10. August 2010 bei stiftung-moritzburg.de (Rückblick)
  3. Pressemitteilung des Goethe-Instituts: Mauricio Kagel als Gast in Buenos Aires 2006
  4. Programme der ISCM World Music Days von 1922 bis heute
  5. Anton Haefeli: Die Internationale Gesellschaft für Neue Musik – Ihre Geschichte von 1922 bis zur Gegenwart. Zürich 1982, S. 547ff
  6. a b Musiktheater / Kagel : Za Za Pum Zaza. In: Der Spiegel. 19. April 1971.
  7. Axel Fuhrmann: Die Zeit überwinden – Der Komponist Mauricio Kagel (2007)
  8. Verdienstordenträgerinnen und -träger seit 1986. (PDF) Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 31. März 2019; abgerufen am 11. März 2017. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.land.nrw
  9. Mauricio Kagel Kompositionswettbewerb Deutscher Musikrat, abgerufen am 27. Februar 2021
  10. Ladder of Escape 11. In: Dutch Performers House. 3. April 2021, abgerufen am 9. August 2022 (niederländisch).

Mauricio Kagel Kompositionswettbewerb an der Universität für Musik und darstellende Kunst

Personendaten
NAME Kagel, Mauricio
ALTERNATIVNAMEN Kagel, Mauricio Raúl
KURZBESCHREIBUNG argentinisch-deutscher Komponist, Dirigent, Librettist und Regisseur
GEBURTSDATUM 24. Dezember 1931
GEBURTSORT Buenos Aires
STERBEDATUM 18. September 2008
STERBEORT Köln