Partizipation neu denken! Langfristige Kooperationen zwischen Kommunen und Bürger:innen fördern (original) (raw)

In Deutschland und Frankreich zeigt sich zurzeit ein starker politischer Wille, Bürger:innen stärker in öffentliche Entscheidungen mit einzubeziehen, damit sie die sozial-ökonomische Transformation mittragen. In Frankreich legte die _Convention Citoyenne pour le Climat[1]_2020 ihre 149 Empfehlungen vor.Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung in Deutschland wird die Einsetzung von Bürger:innenräten durch den Bundestag angekündigt. Erfahrungen aus den Kommunen haben jedoch gezeigt, dass es neben punktuellen Bürger:innenräten auch eine kontinuierliche Kooperation zwischen lokaler Regierung und Bürger:innen braucht, um gegenseitiges Vertrauen aufzubauen und gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Eine nur punktuelle Beteiligung weckt eher falsche Erwartungen und kann in Verwerfungen und öffentlichem Widerstand enden. Daher gilt es, die Idee der Beteiligung von und Kooperation mit Bürger:innen nicht als zusätzliches Mittel, sondern als zentralen Bestandteil der Klimapolitik zu sehen.

Kommunen haben hier bereits einen breiten Erfahrungsschatz aufgebaut. So arbeitet die französische Gemeinde Loos-en-Gohelle bereits seit Jahren mit dem Fifty-Fifty Ansatz, bei dem die Gemeinde Ideen aus der Bevölkerung ohne formelle Antragsstellung aufnimmt. Zur Umsetzung einer Projektidee teilen sich Stadtverwaltung und Zivilgesellschaft die Bereitstellung der Ressourcen. Kommunen in Deutschland wie z.B. Berlin oder Münster haben in der Erprobung von public-common partnerships Pionierarbeit geleistet.

Das Deutsch-Französische Zukunftswerk versteht Commons-Public Partnerschaften als Reallabore, welche mit neuen Kooperationsformen experimentieren und Veränderungsprozesse anstoßen. Commons-Public Partnerschaften sind Kooperationsmodelle, die staatliche und zivilgesellschaftliche Akteure langfristig zusammenbringen, um sich für das Gemeinwohl einzusetzen. Sie können somit die sozial-ökologische Transformation beschleunigen und Verwaltungen maßgeblich bei der Erreichung ihrer Klimaziele unterstützen.

Langfristige Bürger:innenbeteiligung kann nicht einfach neben her geschehen. Sie will gelernt sein und braucht Unterstützung. Dies hat das Land Baden-Württemberg erkannt und 2021 ein Gesetz zur Bürger:innenbeteiligung verabschiedet. Es sieht vor, dass die Verwaltung die Bevölkerung zu einem Thema frühzeitig konsultiert. Gleichzeitig unterstützt die baden-württembergische Service-Stelle Bürger:innenbeteiligung breite Partizipationsprozesse, so z.B. durch Beratungsangebote für Kommunen, direkte Unterstützung für zivilgesellschaftliche Initiativen und einen Leitfaden für eine neue Verwaltungskultur.

In Frankreich wurde ein Interministerielles Zentrum für Bürger:innenbeteiligung ins Leben gerufen, um öffentliche Bedienstete in ihren Bemühungen um effektive Einbindung von Bürger:innen zu begleiten. Ebenso wird derzeit ein sogenannter Beschleuniger für Bürgerinitiativen eingeführt. Diese Instrumente richten sich jedoch nicht an Kommunen. Ähnliche Instrumente auf regionaler Ebene bleiben selten und bescheiden im Umfang.[2]

[1] In 2019 setzte die französischen Regierung die Convention Citoyenne pour le Climat als Rat von 150 französischen Bürger:innen ein, um sozial gerechte Maßnahmen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen zu beraten und vorzuschlagen.