dietzel (original) (raw)
Puh, der letzte Eintrag datiert ja vom vierten Dezember! Kurz nachgetragen das Programm über die Feiertage: Weihnachten bei meinen Eltern, zusammen mit meiner Schwester und ihrem Freund. Am zweiten Feiertag kam A. per Zug nach, wir sind dann weiter für vier Tage nach Straßburg gefahren. Von dort an Sylvester nach Heidelberg zu meiner Schwester, an Neujahr nach Heilbronn zu weiteren Verwandten, dann via Elternhaus zu mir. Am Freitag sind wir dann nach Essen gefahren.
Das war bis jetzt bei weitem die längste Zeitspanne, die A. und ich zusammen verbracht haben. Zwei Wochen in denen wir alles zusammen gemacht haben, kaum mal ein paar Stunden alleine. Und es hat geklappt - sicher, es war eine entspannte Situation, Urlaub, schönes Wetter, nette Leute. Trotzdem bin ich froh, es hätte ja auch sein können, dass wir uns nach drei Tagen auf die Nerven gehen.
Ich werd mal schauen, dass ich ein paar Fotos von Straßburg hier rein stelle.
Das Schöne an den Einträgen hier ist ja, das man mal drüber nachdenkt, was man so gemacht hat in letzter Zeit. Bei mir war's vor allem Autofahren: zu A., zu meinen Eltern, ich war ziemlich unterwegs. Daheim hab ich einen neuen Computer zusammengebaut - mit den üblichen Startschwierigkeiten. Und natürlich die Arbeit, auch hier gibt's in letzter Zeit jede Menge zu tun. Alles nichts Aufregendes oder Erwähnenswertes, aber ich fühle mich trotzdem etwas gestresst.
Dafür war das Wochenende bei meinen Eltern sehr erholsam. Mit Plätzchen, Adventskranz und Gemütlichkeit. Und gleich kommt A. zu mir, weil sie heute frei hat, das ist natürlich noch viel besser!
"Er steigt!" - "Jetzt fliegt er!" - "Lass ihn fliegen, lass ihn los!"
An den Armen und Beinen war eine Reihe von Jahrmarkt-Luftballons befestigt, so viele, dass sie Guido - der kleinste und schmächtigste meiner Grundschulklasse - in die Luft hoben. Die anderen ließen los und er stieg, flog davon, es gab keine Möglichkeit, ihn wieder auf die Erde zu befördern. Ein starker Windstoß trieb ihn seitlich ab, ich hetzte als einziger hinterher.
Durch die offene Eingangstür wurde er ins Treppenhaus geweht und stieg in diesem sechseckigen Bau bis unter das Dach. Ich kletterte auf die Streben der Deckenkonstruktion und erwischte Guido, konnte ihn, der jetzt klein und zylinderförmig war, sicher auf den Treppenstufen landen.
Nicht so das zweite Luftballon-Opfer: die Ballons platzten im Treppenhaus und ließen die Fracht in den Keller stürzen. Schrumpfend und sich um den nackten, kleinen Körper zusammenziehend bildeten die Plastikstücke eine Blase, in der das Opfer gefangen war. Durch den Sturz und das Plastik war er sicher tot, ich wollte den Keller verlassen als ich sah, dass sich doch noch etwas regte. In dem grauen, halb durchsichtigen Plastiksack bewegten sich dünne rosa Arme und Beine. Ich ekelte mich so sehr, dass ich es nicht schaffte ihn zu befreien, sondern rannte die Kellertreppe hinauf, zog mein Handy heraus und wollte den Notruf wählen. Im Zurückschauen sah ich, dass es eine Frau ar, die in der Blase gesteckt hatte: sie hatte sich befreit und wälzte sich jetzt auf dem Rücken, am ganzen Körper völlig verbrannt.
Das Handy war etwas ungewöhnlich zu bedienen: Auf dem Display gab es etliche Stellen, die alle eine Null anzeigten, und zu jeder Stelle dazugehörige Tasten: wenn man die drückte, sprang die Anzeige auf eins, zwei und so weiter. Allerdings drückte ich irgendwie die falsche Taste und landete in der Senderwahl und anderen technischen Menüs. Da ich im Hauseingang saß, wurde ich von einer jungen Frau, die dort hinein wollte, angeschnauzt, ich säße im Weg und warum ich das täte. Ich antwortete, es sei etwas passiert, sie würde das schon mitkriegen, oder sie könne auch gleich in den Keller gehen und dort nachsehen - was sie dann auch tat.
Ich schaffte es endlich, an der dritten Stelle im Display eine eins zu erzeugen und wählte damit den Notruf. Es meldete sich ein Polizist, ich erklärte mein Anliegen, aber merkte dann, dass das nur ein Anrufbeantworter war, der wieder auflegte. Nach einem kurzen Moment des Schocks wurde ich aber zu einer anderen Polizeistelle weiter verbunden, wo man mir versprach, Hilfe zu schicken.
Die Frau, die mich angeschnauzt hatte, kam aus dem Keller zurück gerannt, und wir wurden gute Freunde.
Der Krankenwagen kam, der Arzt und einige Sanitäter mit Trage gingen in den Keller während wir vor dem Haus warteten. Leider kam er nach einiger Zeit achselzuckend zurück, und auch die fetten Sanitäter grinsten nur bedauernd - das Opfer sei schon tot, man könne nichts mehr machen.
Meine neue Bekannte und ich gingen in die Kneipe, es wurde sehr schnell immer voller, lauter junge Mädchen kamen zur Tür rein. War Montag oder Freitag? Montags kamen neue Schulklassen hierher auf Klassenfahrt, freitags mieteten sich Vereine übers Wochenende ein. Meine Bekannte war unterdessen ein altes Ehepaar geworden, mit dem ich mich, auf Stufen sitzend, wie es sie in der Schule im Pausenraum gab, unterhielt. Dann kam noch ein alter Mann, gebeugt, mit Buckel und schrecklichen Auswüchsen. Es war das tote Luftballon-Opfer, das sich zu uns setzte. Seine Frau kam auch dazu. Wir unterhielten uns über Gartenbau, die beiden greisen Ehepaare, das tote und das lebendige, verstanden sich sehr gut. Es wurde eine sehr versöhnliche, schöne Unterhaltung, die sich wohltuend vom umgebenden Geplapper der Teenie-Mädchen abhob, und in deren Verlauf sich die Auswüchse des Toten immer mehr zurückbildeten, bis er ein zwar runzliges, aber sehr würdevolles Gesicht bekam.
Gebeugt ging er aus dem Lokal davon.
Ich hatte den Traum heute morgen schon so gut wie vergessen, unter der Dusche hatte ich nur so das dumpfe Gefühl: "Da war doch was, irgendwas ekliges..." - auf einmal fiel mir alles wieder ein. Dieser Mensch in den verschmorten Luftballon-Resten - boah, war das gruselig...
Hey, nach ziemlich langer Zeit mal wieder ein Film. Den ich im größten Multiplex-Kino Deutschlands gesehen habe.
Man kann übrigens die gröbsten Doofnüsse im Publikum vermeiden, einen guten Platz im Saal bekommen und die Wortspielchen einen guten Tick besser verstehen wenn man sich das Original ansieht.
Der Film ist schon ganz schön frech. Das Grundprinzip ist, als Fernseh-Reporter aufzutreten und den Standpunkt des Gegenübers ins Groteske zu verzerren, übelste Klischees zu bedienen oder Ansichten radikal auszuformulieren. Dann muss man nur noch auf die Reaktion der Anderen warten, die jetzt nicht mehr wissen, was sie davon halten sollen: Eigentlich sind's ja ihre eigenen Ansichten, aber so hat man's dann doch nicht gemeint. Wenn Borat brüllt: "We support our boys in Iraq!" klatschen alle frenetisch, dann steigert er sich zu "May Bush drink the blood of every man, woman or child in Iraq!", worauf sich dann doch eine gewisse Unruhe im Publikum breit macht.
Die Story, die die einzelnen Szenen aneinander bindet, ist allerdings reichlich schwach. Am besten schaut man sich den Film als Aneinanderreihung von einzelnen Sketchen an. Man kann auch den Humor bisweilen etwas zu derb finden, aber diese Frechheit! dieses totale Ignorieren jeglicher political correctness! das hat schon was.
Anscheinend sind die meisten Szenen tatsächlich ohne Wissen der "Interviewpartner" gedreht worden. Ich hätte gedacht, dass einige Male Schauspieler zum Einsatz kamen - was dem Film in meinen Augen auch nicht geschadet hätte, diese fragwürdige Authentizität braucht keiner, es ist nur ein Spielfilm. Irgenwelche Politiker beim Interview zu filmen und das dann zu senden ist ja auch ok, die sind für den Schwachsinn, den sie verzapfen, verantwortlich. Besoffene Studenten sozusagen in der Welt-Öffentlichkeit bloßzustellen ist dagegen reichlich unfair.
Eigentlich ist doch alles normal. Arbeiten, mal ein bisschen Stress, mal macht's Spaß. Einkaufen gehen, Haushalt machen. Ab und zu die Freundin besuchen oder besucht werden. Eigentlich alles normal - aber die paar Stunden mit A. geben dem ganzen Alltag, auch wenn sie gar nicht in der Nähe ist, einen wunderschönen Glanz. Immer im Hintergrund ist da diese positive Grundeinstellung. Bisher kannte ich das höchstens im negativen Sinn, dass also irgend etwas passiert ist oder bevor stand, das alles andere, den ganzen Alltag, mit Sorgen oder Angst gefärbt hat. Good vibrations rule, sozusagen...
Meine Wohnung ist mal wieder schweinekalt, gerade als es so kalt war hatte ich die Heizung runtergedreht, war ja gar nicht daheim. Brrr... Diese einfach verglasten historischen Fenster saugen die ganze Wärme aus dem Raum, und die Heizkörper, sinnigerweise in der Ecke gegenüber den Fenstern angebracht, sind so langsam!
So in einer Stunde dürfte A. hier klingeln. Zeit, um noch kurz den Computer anzuschmeißen.
Ich bin über mein Modemkabel gestolpert und hab den Stecker endgültig gefetzt. Der war eh schon zusammengeflickt, jetzt war er hinüber. Was ich nicht gemerkt habe: der irgendwie so halb noch in der Telefon-Steckdose hängende Stecker hat das Telefon davon abgehalten zu funktionieren. Wer bei mir anrief hörte zwar den gewohnten Ton, nur bei mir läutete es nicht. Bis ich dann eine SMS "Bist du in Urlaub?" bekommen habe, zurück rufen wollte und merkte, dass mein Telefon nicht geht... Naja, neues Kabel, alles geht wieder.
Dann war auch noch der Wasseranschluß in der Küche undicht. Ich dachte schon, die Spülmaschine wäre kaputt, weil es da unten raustropfte, zum Glück war es aber nur eine Dichtung an einer zugänglichen Stelle. Aber was für solche Kleinigkeiten gleich eine Zeit draufgeht!
( Hier übrigens meine neue WohnzimmerlampeCollapse )
Warten - der Alltag in einer Wochenend-Beziehung. Warten auf die nächste SMS, das nächste Telefonat, das nächste Treffen. Aber so wird nichts selbstverständlich, jedesmal neue Dankbarkeit dafür, dass der andere noch da ist, nach Tagen des Abtauchens in zwei eigene Lebenswelten wieder das Zusammensein. Neugier auf diese andere Lebenswelt, der Versuch, den anderen zu verstehen und sich selbst verständlich zu machen - oder der Versuch, sich sich selbst verständlich zu machen? Wir-Gefühl als Erleuchtung oder nur eine neue Abgrenzung zum Rest der Welt, Öffnung für andere oder Hereinziehen und Vereinnahmung des anderen ins eigene Oberstübchen?
Ich lese gerade wieder die (diesbezügliche) "Strudlhofstiege" und komme, nach fünfhundert Seiten Vorgeplänkel, zu den interessanten Passagen, von denen ich nie weiß, ob mein Schulsack zu niedrig hängt oder ob das doch nur mehr-weniger kälberne Angelegenheiten (diesbezügliche) sind.
Habe ich schon erwähnt, dass ich die (diesbezügliche) Sprache in der "Strudlhofstiege" einfach nur genial finde?!
Am Freitag war ich auf dem 50. Geburtstag von A.'s Mutter und hab die ganze Verwandtschaft gesehen. A. hatte einen Polaroid-Foto dabei, hat von allen Anwesenden Fotos gemacht und in ein Album geklebt, dann mussten die Leute was zu ihrem Foto dazuschreiben. Vorne waren noch ein paar kommentierte Kindheits-Fotos ihrer Mutter, die sie bei ihrer Oma gefunden hatte - das ganze war jedenfalls gute Unterhaltung und am Schluss ein schönes Erinnerungs-Geschenk.
Am Samstag im Garten von meiner Oma konnte ich mich ein bisschen austoben: tote Äste aus den Kirschbäumen geschnitten, einen toten Flieder umgehackt, eine Clematis und einen Blauregen ordentlich gestutzt. Das Abschneiden und Wegsägen geht ja schnell, aber man muss den ganzen Kram dann ja handlich zerteilen, zur Kompost-Ecke bringen, zusammenfegen... jedenfalls ein recht arbeitsamer Tag.
Samstag Nacht dann weiter zu A., das heißt: ein sehr arbeitsscheuer Sonntag.
Das Wetter könnte jetzt so bleiben, das hebt die Laune doch erheblich.
Noch eine Stunde arbeiten, dann werd ich mir irgendwelche ungesunden Stückchen vom Bäcker reinziehen und einen Tee dazu trinken. Und eine CD aus der Bücherei anmachen - ausgeliehen habe ich Thelonious Monk (solo!), Daft Punk, Berg: Wozzek, Sinatra (enttäuschend, viel schmalziger als ich dachte) und Brahms: Cellokonzerte.
Am Samstag spät abends bin ich zu A., wir hatten dann Zeit bis sie am Sonntag Nachmittag arbeiten musste. Gestern Nachmittag war sie bei mir und heute morgen, als ich zur Arbeit musste, sind wir zusammen aus dem Haus gegangen.
Sie kann ganz schnell mit den Nasenflügeln wackeln. Und ein bisschen mit den Ohren.
Sie hat ein Dauergrinsen im Gesicht. Ich wahrscheinlich auch.
In der Armbeuge ist sie sehr kitzlig.
Meine Haare sind zu kurz für ihre Haargummis.
Ihre Körpertemperatur ist mindestens zwei Grad höher als meine, ihre Hände sind wärmer als mein Bauch.
Ihr Knie kracht ungefähr genauso laut wie meine Schulter.
Seit dem letzten Wochenende ist sie (oder vielleicht wir beide?) ein gutes Stück aufgetaut. Soviel Blödsinn, Kitzeleien, gemeinsames Lachen war am Anfang nicht, haben wir uns nicht getraut. Obwohl diese Körperlichkeit - natürlich! - noch mit jeder Menge Unsicherheit behaftet ist.
Am Freitag bin ich ziemlich schnell weggekommen, nicht direkt nach der Arbeit, aber immerhin so, dass ich zum Abendessen bei meinen Eltern war. Meine Großeltern waren auch da, später am Abend kamen noch meine Schwester und ihr Freund, am Samstag dann noch Onkel, Tante und Cousin. Also Freitag Abend bis Sonntag mal ein richtiger Familientreff. Wie das so ist, haben wir nicht viel gemacht - erzählt, gegessen, spazieren gegangen. Spannende Themen natürlich die Hochzeit meiner Schwester - ich glaube, die Beiden sind schon etwas genervt von den diversen Kommentaren und Vorbereitungen - und meine neue Freundin - nicht ganz so spannend mangels Anwesenheit derselben.
Am Sonntag hab ich dann meine Großeltern geschnappt und sie heim gefahren. Sie waren vorher zwei Wochen auf einem Senioren-Urlaub in Nordhessen und meine Eltern hatten sie von dort abgeholt, also standen sie ohne Auto da. Immerhin eine Reise von dreieinhalb Stunden, aber sonntags lässt es sich ja gut fahren. Nach einer kurzen Pause... [Exkurs: Erst mal was essen. Und dann kam Günter auf die Idee, ich sollte doch noch Birnen mitnehmen, die wären gerade reif. Es war draußen aber schon stockdunkel - er hätte da eine Lampe, und in der Mauer neben dem Birnbaum sei eine Steckdose. Wir also raus, im Gras lagen überall matschige Birnen, die während der letzten zwei Wochen runtergefallen waren, und die Steckdose gesucht. Irgendwo im Gebüsch, unter Brombeerranken, haben wir dann die Lampe eingestöpselt und auch - oh, da muss ich ja noch den Schalter im Keller anknipsen - zum Leuchten gebracht. Und sogar ein Körbchen mit halbwegs schönen Birnen zusammengesucht, die jetzt ganz fantastisch schmecken und meinen Kühlschrank mit Birnenduft füllen.] ...nach dieser Aktion also weiter zu A.
Die hatte nämlich sowohl Montag als auch Dienstag frei bekommen, wir hatten also zwei ganze Tage am Stück für uns. Wie das so ist, haben wir nicht viel gemacht - erzählt, gegessen, spazieren gegangen. Und Inliner gefahren! Ich zum ersten Mal auf den Dingern, es ging aber sehr gut, ich war richtig begeistert. Einmal rund um den Baldeney-See, etwa eine Stunde waren wir unterwegs, leider hat es zum Schluss geregnet. Wir sind nass, glücklich und etwas k.o. angekommen.
Nach vier Tagen mit lieben Menschen war ich am Dienstag abend so dermaßen mit Glück vollgepumpt (und das hier zu schreiben jagt meinen Puls schon wieder hoch und versetzt den Magen auf den Scheitelpunkt eines Loopings) - ich hatte mich sozusagen schon dran gewöhnt und umso schwerer war es dann, nach Hause zu fahren. Bei A. die Treppe runterzugehen hat mit fast Übelkeit bereitet.
Naja, und jetzt ist erstmal wieder Alltag angesagt. Die Wohnung ist kalt, leer und dreckig, die Wäsche muss gewaschen werden, und abends mit A. telefonieren und morgens um sechs Uhr aufstehen zu müssen ist auch nicht witzig.