H. IV-VI (original) (raw)
169 170 Der Eisenbahn-Viaduct über die Saane bei Freiburg in der Schweiz. Reisenotizen. (Mit Zeichnungen auf Blatt 28 bis 80 im Atlas. Das Maats ist pieufsisches und französisches.) Am Sonntag den 17. August 1862 reiste ich, auf der Rückkehr aus Italien begriffen, von Bern nach Frei burg, um die dortigen berühmten Drahtbrücken zu besich tigen. Etwa \ Meile vor Freiburg mufste man die wei ter noch nicht im Betrieb befindliche Eisenbahn auf einer interimistischen Station verlassen, und man konnte mittelst bereitstehender Omnibus die Reise nach der Stadt fortsetzen. Bei dem herrlichen Wetter zog ich den Spaziergang neben der noch nicht ganz fertigen Bahnstrecke vor, und gelangte nach etwa 5 Minuten an den steilen Abhang eines tiefen und breiten Thaies. Hier lag plötzlich und zu meiner grofsen Ueberraschung ein Bauwerk vor meinen Blicken, dessen Großartigkeit und Eigentümlichkeit mich und die Reisegefährten in die höchste Bewunderung versetzte. Den Eindruck eines beide Thalufer verbindenden Spinnengewebes machend, das, hoch durch die Luft gespannt, nur durch einzelne senkrecht herabhängende Netzwerke mit der Thalsohle verknüpft ist, war es der über dieses Thal führende circa 1200 Fufs lange und 250 Fufs hohe Eisenbahn-Viaduct, welcher, bis auf die unteren Theile der Pfeiler ganz aus Eisen erbaut, beim ersten Anblick so überaus kühn und gewagt erscheint, dafs man an seiner Stabilität und Halt barkeit zweifelt und mit innerem Erbeben die Locomotive mit dem Arbeitszuge über so leicht aussehendes und lufti ges Maschenwerk hinwegsausen sieht. —- Doch anders und viel günstiger gestaltet sich das Urtheil, wenn man nach den ersten Eindrücken des Erstaunens und der Bewun derung daran geht, die Congtruction und die Ausführung zu studiren, und mit dem Maafsstabe in der Hand die gewählten Eiscnstärken zu prüfen. Noch mehr aber habe ich mich von dem vollständigen Gelingen und von der Vorzüglichkeit des Bauwerkes überzeugen können, da ich zufällig Gelegenheit hatte, an den folgenden Tagen den Probefahrten und der Probelastung des Viaductes beizuwohnen. Indem ich demnächst mit Hülfe einer in der Buch handlung in Freiburg gekauften lithographirten Ueber- sichts-Zeichnung, welche die auf Blatt 28 wiedergege benen Figuren 1 bis 3 enthielt, die Darstellung des Via- ductee nach meinen Aufmeesungeu in den übrigen auf Blatt 28 bis 30 enthaltenen Figuren ergänzte, will ich durch deren Mittheilung in dieser Zeitschrift und durch die nachfolgende kurze Beschreibung einer genauen, er schöpfenden Darstellung, wie sie nur durch die Erbauer selbst geliefert werden kann, und deren baldige Veröffent lichung ebenso lehrreich wie wünschenswerth wäre, kei- nesweges vorgreifen, vielmehr nur die Aufmerksamkeit des technischen Publicums auf dieses interessante Bau werk hingeleitet haben. Der die Stadt Freiburg in einem Halbkreise um fließende Saane-Flufs hat in dem weichen Sandstein je ner sanft hugeligten Gegend ein breites, tiefes, mit fast senkrechten Felswänden versehenes Thal eingeschnitten, welches die Veranlassung zu der vor etwa 30 Jahren von Chaley aus Lyon erbauten berühmten Freiburger Drahtbrücke war- Bei einer Spannweite von BT9 Fufs liegt sie mit ihrer Fahrbahn 170 Fufs über der Thal sohle, und beginnt unmittelbar in einer der belebtesten Strafsen, so dafs auf der Stadtseite die Rückhaltskabeln Ober und durch die Häuser weg gezogen werden mufsten. Eine kurze Strecke weiter, etwa 3000 bis 4000 Fufs oberhalb dieser Brücke ist im Jahre 1840 über ein in das Saanethal eich öffnendes, tief eingeschnittenes male risches Felseutbal, das Galternthal, eine andere nicht minder interessante Drahtbrücke erbaut, welche bei einer Spannweite von 680 Fufs in einer Höbe von 277 Fufs über der Sohle des gewerbreichen Thaies liegt. Die Tragekabeln dieser Brücke (Pont de Gotteron) bilden nur eine halbe Parabel, und die Ruckhaltskabeln haben unter Fortlassuug der Stützpfeiler unmittelbar m den Felsen verankert werden können. Verfolgt man nun das Saanethal fufsabwärts, so gelangt man, etwa \ Meile von Freiburg, an die Stelle, wo die neue Eisenbahn von Lausanne über Freiburg nach der Berner Grenze das hier 1100 Fufs breite und 219 Fufs tiefe Thal mittelst eines Viaductes, Saane- auch wohl Grandfey-Viaduct genannt, überschreitet. Dieser Viaduct hat (Blatt 28, Fig. 1 bis 3) ein- schliefslicb der beiden Landpfeiler eine Länge von 382,64 Meter (1219 Fufs) und, indem die Schienen 9,92 Meter (31 Fufs) über dem Thalrande liegen, die bedeutende Höhe von 78,73 Meter (251 Fufs). Erbestehtaus zwei mit Durchfahrten versehenen Landpfeilern und sechs Mittelpfeilern. Die beiden Endöffnungen haben 44,92 Meter (143 Fufs) und die 5 Mittelöfiiumgen 48,8 Meter (155 Fufs) Weite von Pfeilermitte zu Pfeilermitte. Der in ununterbrochenem Zusammenhänge Ober die^