Angela Zieger - Academia.edu (original) (raw)
berg die Académie des Arts in Stuttgart ins Leben rief, ließ er im Grundsatzprogramm verkünden: »... more berg die Académie des Arts in Stuttgart ins Leben rief, ließ er im Grundsatzprogramm verkünden: »Es kann niemand zweifeln, daß die schönen Künste, und besonders die Malerei, Bildhauerei und Baukunst nicht jederzeit eine der würdigsten Beschäftigungen des menschlichen Wizes und der menschlichen Geschicklichkeit gewesen seien (…) Sie anderwärts auch von größter Nutzbarkeit seien, da sie uns diejenigen Gemächlichkeiten verschaffen, die das Leben angenehm machen, auch, weil sie den äußerlichen Pracht und Überfluß befördern (…). Was kan also die Aufmerksamkeit eines grossen Fürsten stärker reizen und beschäftigen, (…) als wenn man nach Erlangung geschickter Meister eine Akademie errichtet, wo diese Künste gelehret werden, und wo sich die Jugend bilden kan, wie junge Pflanzen in einer Baumschule.« Dass die »jungen Pflanzen« nicht immer damit einig waren, auf welch militärisch strenge Art sie in dieser »Baumschule« gebildet wurden, wissen wir. Und dass im Widerstand vieler Künstler gegen diese Prinzipien, die sich in der etwas später gegründeten Hohen Karlsschule noch verstärkten, auch der Widerstand gegen die Beförderung äußerlicher Pracht und Überfluss durch die Künste steckte, weist auf einen Umbruch innerhalb der künstlerischen Haltungen hin, der bis heute wirksam ist. In dieser wie in manch anderer Hinsicht kann die Geschichte der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste als beispielhaft für die Entwicklung der künstlerischen Lehre gelten -wie ein kurz zusammengefasster Blick zurück zeigt. Die Stuttgarter Akademie, am 25. Juni 1761 gegründet, ist eine der ältesten in Deutschland. Die ersten Jahre stehen ganz unter dem Eindruck des Klassizismus, der gerade im Schwäbischen zu einer Blütezeit der Künste führt. Man schult sich an den Vorbildern der Antike. Doch dieses Vermächtnis der Alten, das etwas später im Programm der Hohen Karlsschule noch im Zentrum steht, trägt nicht lange. Es folgt im frühen 19. Jahrhundert in ganz Europa eine Krise der künstlerischen Lehre; Grund dafür ist die Auseinandersetzung mit dem Geniebegriff und der sich neu bildenden Vorstellung von einer freien, individuellen, nicht durch Übung vermittelbaren Kunst. In Stuttgart schließt man die Akademie für einige Jahrzehnte -offiziell aus Geldmangel. Niemand setzt sich ein für ein insgesamt fragwürdig gewordenes Modell. Als beim Übergang ins 20. Jahrhundert die Diskussion um die wachsende Bedeutung von Kunstgewerbeschulen und die mögliche Verschmelzung von akademischer Ausbildung einerseits und künstlerisch-handwerklicher Lehre andererseits geführt wird, nimmt man in Stuttgart die Debatte allerdings früh und erfolgreich auf: in der wieder eröffneten Kunstakademie, den neuen Lehrwerkstätten und der Kunstgewerbeschule. Die Ergebnisse wirken bis hinein in die Gründung des Bauhauses. Bis heute stehen die Verbindung von freien und angewandten Studiengängen sowie die große Zahl an Werkstätten für die Besonderheit dieses Hauses. Nach 1945 schließlich gehört Stuttgart zu jenen Akademien, in denen das Ringen zwischen Abstraktion und Figuration auf europaweit höchstem Niveau ausgetragen wird. Große Professorennamen haben die entscheidenden Kreuzungspunkte des Weges markiert: am Anfang Guibal, Dannecker, Scheffauer; später Pankok und Hölzel, dann Baumeister -um nur einige wenige zu nennen. Nicht nur sie, auch viele ihrer Kollegen und parallel zu den Haupt-auch einige Nebenwege finden in dem hier vorliegenden Band eine angemessene Würdigung; in ihm wird die Geschichte der Stuttgarter Kunstakademie erstmals konsequent aufgearbeitet. Liest man diesen Rückblick, zeigt sich, dass die Stuttgarter Akademie auch in anderer Hinsicht als beispielhaft gelten kann. »Seitdem es Akademien gibt, also seit der Renaissance, wird über die Ausbildung von Künstlerinnen und Künstlern mal mehr, mal weniger vehement gestritten«, schreiben Elke Bippus und Michael Glasmeier im Vorwort zu dem Band »Künstler in der Lehre«. Auch die Stuttgarter Situation ist geprägt von ständigen Auseinandersetzungen. Wie viel schöner wäre es, man könnte eine Geschichte der Geradlinigkeit, der Konsequenz und der Homogenität erzählen! Eine Linie. Eine einzige Erfolgsstory. Aber das entspräche kaum der historischen und gegenwärtigen Realität großer Kunsthochschulen. Selbstverständlich gibt es unter diesen Differenzen jene Reibereien, die in der Eitelkeit der einzelnen Persönlichkeiten wurzeln, die hier zusammentreffen. Aber auch wenn mit diesem Argument manches Künstlerklischee gut bedient wäre: das allein steht selten im Zentrum. Kunst ist immer verbunden mit essentiellen Fragen an das Leben. Zweifeln, Suchen, Ringen, Behaupten, Verwerfen, Verteidigen, Schützen, Irren, Findenall das gehört zu ihr und zur Lehre von der Kunst. Fast jedem Streit, jedem Zerwürfnis, jeder Diskussion in Vergangenheit und Gegenwart liegen ernsthafte gesellschaftliche, inhaltliche, stilistische und konzeptuelle Auseinandersetzungen um die Kunst selbst zugrunde sowie das Bestreben, nicht nur den eigenen Ansprüchen von Qualität gerecht zu werden, sondern auch zukunftsweisende Entscheidungen zu treffen. Dem Zeitgeist verpflichtet, geht es darum, über ihn hinaus zu sehen und dabei, obwohl dem eigenen Werk verhaftet, die Offenheit für andere Positionen zuzulassen. Raum und Zeit für verschiedene Denkmodelle, für Experimente und unterschiedlichste künstlerische Handschriften zu ermöglichen, ist aus heutiger Sicht eine zentrale Aufgabe einer Kunstakademie, zumal wenn es sich, wie in Stuttgart, um einen Campus handelt, auf dem Architekten, Designer, Künstler, Kunsterzieher, Kunstwissenschaftler und Restauratoren zusammentreffen. Auch wenn Nils Büttner und Angela Zieger in ihrem klugen Vorwort zu diesem Band schreiben, es gehe in der vorliegenden Rückschau nicht darum, die Gegenwart der Akademie in ihrer aktuellen Er-scheinung als Resultat des historisch Gewordenen zu verstehen, und der Rückblick tauge in diesem Sinne nicht als Medium der Prognose, so zeigt uns dieser Blick doch, mit welcher Vehemenz und Kraft um diese Akademie gerungen wird -seit 250 Jahren. Mit Erfolg: Heute ist die Stuttgarter Akademie nicht nur eine der ältesten in Deutschland, sondern mit rund 900 Studierenden, knapp 50 Professoren und weiteren 90 Mitarbeitern eine der größten. Ob wir es nun wollen oder nicht: wir alle, die wir hier arbeiten, lehren und lernen, sind Teil dieser Geschichte. Dass wir diese Geschichte nun ausführlich erkunden können, haben Nils Büttner, Professor für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte, und Angela Zieger, Mitarbeiterin im Archiv der Akademie, ermöglicht. Das große Engagement, das hinter diesem Projekt steht, ist weit mehr als selbstverständlich, mein Dank dafür tief und herzlich. Ich danke meinem Vorgänger Professor Ludger Hünnekens, der die Grundlage für das 250-Jahr-Fest der Stuttgarter Akademie gelegt hat. Allen Autorinnen und Autoren sei besonders Dank gesagt für die intensive Forschungsarbeit. Professor Uli Cluss, der Leiter des Buchinstituts der Akademie, und Nicolas Zupfer haben in vielen Gesprächen nach der richtigen Form für dieses Lesebuch gesucht -und sie gefunden. Dafür meinen herzlichen Dank. Er geht auch an Nadine Bracht, die Leiterin der Werkstatt für Fotografie, die aus unserem Wunsch, den Ort der Gegenwart mit der Kamera zu skizzieren, eine wunderbare Bildfolge gemacht hat. Ich danke den Kolleginnen und Kollegen Sandra Lauenstein, Karin Schulte und Horst Wöhrle für ihre redaktionelle und organisatorische Hilfe. Ein besonders herzlicher Dank geht an unsere Förderer: Ohne die Wüstenrot Stiftung wäre die Realisierung dieses Buchs nicht gelungen. Wir danken für das Vertrauen und die großzügige Hilfe. Die Landesregierung und das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst haben mit ihrer Unterstützung auch ein kulturpolitisches Zeichen gesetzt: die größte und älteste Akademie in Baden-Württemberg soll ihrem Rang auch in Zukunft gerecht werden. Und so schließt sich dann doch ein Bogen von 1761 bis 2011. Hinter allen wichtigen Entwicklungsschritten der Stuttgarter Kunstakademie stand letztlich auch die Politik; Innovation und Qualität waren nur dann möglich, wenn sie Freiheit und Unabhängigkeit nicht nur zugelassen, sondern ermöglicht hat. Darauf vertrauen wir weiterhin. Auch in der nächsten Zeit werden wichtige Weichen in der Kunstausbildung gestellt. Ich danke allen Professorinnen und Professoren, allen Kolleginnen und Kollegen, allen Studierenden, die in diesem Jubiläumsjahr die Diskussionen aufnehmen, weiterführen, prägen und gemeinschaftlich in Richtung Zukunft blicken. Vorwort Nils Büttner und Angela Zieger Herausgeber Es hat in der Geschichte der Akademie immer wieder Anlässe gegeben, zurückzublicken. So zum Beispiel vor fünfzig Jahren, zum 200-jährigen Jubiläum. Damals, 1961, endete der Kunsthistoriker Hans Fegers seinen kurzen historischen Überblick mit dem Wunsch nach einer zukünftigen »gerechten Würdigung aller Kräfte«, die zum »bedeutenden Ruf« der zwanzig Jahre zuvor mit der Kunstgewerbeschule und den Lehr-und Versuchswerkstätten vereinigten Akademie beigetragen hätten. Doch trotz einer stetig wachsenden Zahl an Einzelstudien zu Personen und Ereignissen ist bis heute keine historische Gesamtschau vorgelegt worden. Und weder die historischen Zeitläufte noch ihre Protagonisten haben bislang die schon vor fünfzig Jahren eingeforderte Würdigung erfahren. Der 1961 publizierte Band sollte ausweislich des von Walter Brudi formulierten Vorworts »Einblick in die Vielfalt des Lehrkörpers geben und zugleich zeigen, wie groß der Einfluß der Schule auf das mannigfache künstlerische und gestalterische Schaffen« sei. Auch ein 1988 erschienener Band, zu dem der Kunsthistoriker Wolfgang Kermer auf sechzehn Seiten »Daten und Bilder zur Geschichte der Akademie« beisteuerte, war als »eine Selbstdarstellung« dezidiert auf die Gegenwart der Hochschule bezogen. Ähnliche Selbstdarstellungen, die als sprechender Ausdruck des jeweiligen Zeitgeistes stets auch auf die Geschichte der Institution Bezug nahmen, hatte es auch...