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Research paper thumbnail of Arno Görgen, Christian Huberts, Rudolf Inderst und Eugen Pfister: "Kapitel VII, in welchem die Herren Görgen, Huberts, Inderst und Pfister eine Geschichte von der Armut im Spiel erzählen" (10.02.2017)

Kapitel VII, in welchem die Herren Görgen, Huberts, Inderst und Pfister eine Geschichte von der A... more Kapitel VII, in welchem die Herren Görgen, Huberts, Inderst und Pfister eine Geschichte von der Armut im Spiel erzählen | Spiel-Kultur-Wissenschaften http://spielkult.hypotheses.org/1354 2/8 "Das is wohl das Gepäck von deinem Freund, Eugen?" fragte Mr. Görgen den jungen P ster, als dieser mit einer Reisetasche und einem kleinen Mantelsack den Hof des Gasthauses "Zum Ochsen" in Whitechapel betrat. "Was denn sonst?" erwiderte P ster, legte seine Bürde auf dem Hofe ab und setzte sich darauf. "Der Gouverneur wird sofort erscheinen." "Kommt wohl in 'nem Kabriolett?" "Ja. Tut für acht Pence zwei Meilen weit sein Leben riskieren. Aber wie geht's heute früh dem Inderst?" "Is doll geworden, Eugen, ganz doll", erwiderte Mr. Görgen mit ernstem Ton. "Is unter die Doppeldoktoren gegangen, Eugen, und aasig sportlich geworden. Er is viel zu gut für uns, Eugen . Ich fühle das: wir verdienen ihm nich." "Das is aber zuviel Selbstverleugnung von dir", bemerkte P ster. "So is es", seufzte Görgen. [1] [Die beiden schauen kurz betreten und kehren zu ihrer üblichen Sprache zurück] EP [klopft sich den Staub von seinem Mantel]: Verleugnung, ein gutes Stichwort habe ich mir da wieder gegeben. Ich frag mich nämlich, anlässlich der anstehenden Tagung nächste Woche, warum ich so lange nichts von Armut im Spiel gelesen habe. Der Gouverneur und sein feiner Kollege scheinen mir da die ersten gewesen zu sein. Dabei ist das Thema doch keineswegs abwegig. Ich möchte meinen, dass auf dem Weg zum Reichtum, der für so viele Spiele, wichtiger Spiel-Anreiz ist, die Armut als Urzustand notwendig ist. In der Wirtschaftssimulation startet jedeR als armeR SchluckerIn mit nichts als einer Idee im Rucksack und ähnlich sieht es in Rollenspielen aus: Vom Tellerwäscher zum Paladin sozusagen. Mr. Inderst weiss außerdem davon zu berichten, wie sich im klassischen Beat ‚Em Up die Slums der virtuellen Welt abertausende junge aggressive Kriminelle ohne Hoffnung und Verstand den SpielerInnen in den Weg warfen. Ähnlichen Slum-Levels begegnen wir auch heute noch in First-Person-Shootern und Action Adventures. Zugestanden, das sozialkritische Potenzial digitaler Spiele wird dabei nicht ausgeschöpft, und die Episoden in den Armenviertel erwecken immer auch ein wenig den Anschein des "Slummings". [Christian Huberts und Rudolf Inderst treten an den Tisch heran, der direkt am prasselnden und verrußten Wirtshauskamin gelegen ist. Beide grüßen nickend, folgen interessiert dem Gespräch] AG: Gestatten Sie mir die Frage: warum sollte uns der Pixel-Pauperismus interessieren? Ja, die Favela bietet mir doch den nötigen eskapistischen Thrill des stereotypen Herzens der Dunkelheit und ist zugleich eingebettet in die feinen urbanen Nervenbahnen der Zivilisation? Und: es sind doch nur Spiele? [Süf sant zwinkert Görgen P ster zu und fährt sich durch seinen üppig-marxschen Bart.] Heda! Werter Mr. Huberts, Doc Inderst, setzt euch doch! Wir diskutierten gerade den Sinn und Unsinn virtueller Verelendungsdarstellungen! CH: Gentlemen! [wedelt tadelnd mit der silbernen Spitze seines Eibenholz-Gehstocks] Hörte ich da eben aus der Ferne den törichten Humbug, etwas seie doch nur ein Spiel? Sind etwa Herren des harten Kerns unter uns? [stößt verschwörerisch seinen Ellenbogen in Doc Indersts gestählte Rippen] Pah! Und 29.5.2017

Research paper thumbnail of Arno Görgen, Christian Huberts, Rudolf Inderst und Eugen Pfister: "Kapitel VII, in welchem die Herren Görgen, Huberts, Inderst und Pfister eine Geschichte von der Armut im Spiel erzählen" (10.02.2017)

Kapitel VII, in welchem die Herren Görgen, Huberts, Inderst und Pfister eine Geschichte von der A... more Kapitel VII, in welchem die Herren Görgen, Huberts, Inderst und Pfister eine Geschichte von der Armut im Spiel erzählen | Spiel-Kultur-Wissenschaften http://spielkult.hypotheses.org/1354 2/8 "Das is wohl das Gepäck von deinem Freund, Eugen?" fragte Mr. Görgen den jungen P ster, als dieser mit einer Reisetasche und einem kleinen Mantelsack den Hof des Gasthauses "Zum Ochsen" in Whitechapel betrat. "Was denn sonst?" erwiderte P ster, legte seine Bürde auf dem Hofe ab und setzte sich darauf. "Der Gouverneur wird sofort erscheinen." "Kommt wohl in 'nem Kabriolett?" "Ja. Tut für acht Pence zwei Meilen weit sein Leben riskieren. Aber wie geht's heute früh dem Inderst?" "Is doll geworden, Eugen, ganz doll", erwiderte Mr. Görgen mit ernstem Ton. "Is unter die Doppeldoktoren gegangen, Eugen, und aasig sportlich geworden. Er is viel zu gut für uns, Eugen . Ich fühle das: wir verdienen ihm nich." "Das is aber zuviel Selbstverleugnung von dir", bemerkte P ster. "So is es", seufzte Görgen. [1] [Die beiden schauen kurz betreten und kehren zu ihrer üblichen Sprache zurück] EP [klopft sich den Staub von seinem Mantel]: Verleugnung, ein gutes Stichwort habe ich mir da wieder gegeben. Ich frag mich nämlich, anlässlich der anstehenden Tagung nächste Woche, warum ich so lange nichts von Armut im Spiel gelesen habe. Der Gouverneur und sein feiner Kollege scheinen mir da die ersten gewesen zu sein. Dabei ist das Thema doch keineswegs abwegig. Ich möchte meinen, dass auf dem Weg zum Reichtum, der für so viele Spiele, wichtiger Spiel-Anreiz ist, die Armut als Urzustand notwendig ist. In der Wirtschaftssimulation startet jedeR als armeR SchluckerIn mit nichts als einer Idee im Rucksack und ähnlich sieht es in Rollenspielen aus: Vom Tellerwäscher zum Paladin sozusagen. Mr. Inderst weiss außerdem davon zu berichten, wie sich im klassischen Beat ‚Em Up die Slums der virtuellen Welt abertausende junge aggressive Kriminelle ohne Hoffnung und Verstand den SpielerInnen in den Weg warfen. Ähnlichen Slum-Levels begegnen wir auch heute noch in First-Person-Shootern und Action Adventures. Zugestanden, das sozialkritische Potenzial digitaler Spiele wird dabei nicht ausgeschöpft, und die Episoden in den Armenviertel erwecken immer auch ein wenig den Anschein des "Slummings". [Christian Huberts und Rudolf Inderst treten an den Tisch heran, der direkt am prasselnden und verrußten Wirtshauskamin gelegen ist. Beide grüßen nickend, folgen interessiert dem Gespräch] AG: Gestatten Sie mir die Frage: warum sollte uns der Pixel-Pauperismus interessieren? Ja, die Favela bietet mir doch den nötigen eskapistischen Thrill des stereotypen Herzens der Dunkelheit und ist zugleich eingebettet in die feinen urbanen Nervenbahnen der Zivilisation? Und: es sind doch nur Spiele? [Süf sant zwinkert Görgen P ster zu und fährt sich durch seinen üppig-marxschen Bart.] Heda! Werter Mr. Huberts, Doc Inderst, setzt euch doch! Wir diskutierten gerade den Sinn und Unsinn virtueller Verelendungsdarstellungen! CH: Gentlemen! [wedelt tadelnd mit der silbernen Spitze seines Eibenholz-Gehstocks] Hörte ich da eben aus der Ferne den törichten Humbug, etwas seie doch nur ein Spiel? Sind etwa Herren des harten Kerns unter uns? [stößt verschwörerisch seinen Ellenbogen in Doc Indersts gestählte Rippen] Pah! Und 29.5.2017